Revival: Energie-Kommune des Monats Trendelburg

Januar 2021

Bereits im Juli 2009 wurde Trendelburg erstmals als Energie-Kommune ausgezeichnet. Damals wie heute kann die nordhessische Kleinstadt durch ihr Engagement in der Energiewende überzeugen. Trendelburg setzt hier auf Biogas, Solaranlagen, Wasserkraft sowie verstärkt auf Windenergie, um die Zukunft der Stadt weiterhin nachhaltig zu gestalten. In Kooperation mit anderen Kommunen und der Agentur Energie 2000 e. V. bindet die Kommune auch die Bürger*innen ein und beteiligt diese an der Energiewende. Die Beteiligung der Bürger*innen ist ein wichtiges Anliegen für die Verwaltung der Kommune, weswegen die Bürger*innenschaft möglichst frühzeitig über geplante Projekte und deren Umsetzungsstand informiert wird. In den letzten 10 Jahren konnte Trendelburg konstant Fortschritte verzeichnen und so wurde nicht nur 2018 ein neuer Windpark in Betrieb genommen, sondern auch der Bestand des Windparks am Eselsberg nach der ausgelaufenen Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gesichert. Außerdem soll 2021 ein weiteres Großprojekt umgesetzt werden.

Windpark am Eselsberg (Foto: NATURSTROM AG)

Eine soziale Energiewende fördern – Eine Energieberatung für alle
Schon früh gründete der Landkreis Kassel die Agentur Energie 2000 e.V., die auch schon 2009 über die Grenzen der Kleinstadt hinaus Bürger*innen und Verwaltung zusammenbringt und in zahlreichen Projekten über die Energie- und Wärmewende informiert, berät und wichtige Akteure vernetzt.
So beteiligt sich der Verein noch bis 2022 am bundesweit geförderten Projekt „Stromspar-Check Aktiv“. Ziel ist es, einkommensschwache Haushalte über mögliche Energiesparmaßnahmen zu informieren und selbst zum Sparen zu bringen. Um möglichst weite Teile der Bürger*innenschaft an der Energiewende zu beteiligen, werden im Rahmen des Projektes bestimmte Anschaffungen von neuen Geräten, die beim Strom- und Wassersparen helfen, kostenlos erstattet.
Aktuell prüft die Kommune gemeinsam mit Energie 2000 e. V. die Möglichkeit der Umsetzung eines Nahwärmeprojektes in der Kernstadt. Die angrenzende Grundschule sowie deren Turnhalle benötigen eine neue Heizungsanlage. In diesem Zusammenhang könnten beide Gebäude und weitere kommunale Liegenschaften wie die städtische Feuerwehr, die Kulturhalle und möglicherweise das städtische Freibad sowie ein Mietwohnungskomplex durch ein Nahwärmenetz verbunden werden.

Trendelburg als langfristiger Standort für die Windenergie
Technologisch ist die Kommune breit aufgestellt. Die Stadt verfügt über Bioenergie und unterstützt den Ausbau der Solarenergie durch die Verpachtung von Dächern der städtischen Liegenschaften. Der mit Abstand größte Teil der Erzeugungskapazitäten entfällt jedoch auf die Windenergie. Mit dem Auslaufen der EEG-Förderung 2021 brach jedoch für viele ältere Windparks eine neue Ära an, die sie vor große Herausforderungen stellt. So war die Zukunft des Bürgerwindparks am Eselsberg ungewiss, bis dieser von der NATURSTROM AG übernommen wurde, die ab diesem Jahr fünf der Windenergieanlagen (WAEs) weiterbetreibt und durch Repowering zusätzlich zwei der Altanlagen durch modernere ersetzt. Der Windpark erzeugt 4,6 Mio. Kilowattstunden pro Jahr, was dem Jahresbedarf von etwa 1.400 Dreipersonenhaushalten entspricht.

Seit 2018 unterstützt außerdem ein weiterer Windpark die lokale Wirtschaft und Energieerzeugung. Im Windpark Trendelburg stellen seit nunmehr zwei Jahren sieben WEAs Strom für über 30.000 Menschen zur Verfügung und tragen damit zu einer jährlichen Einsparung von circa 38.0000 Tonnen CO2 bei. Die in einem Wirtschaftswald aufgestellten Anlagen profitieren dabei vom bereits vorhandenen Wegenetz für die Kabeltrassen. Notwendige Forstarbeiten, die für die Installation der Anlagen durchgeführt werden mussten, unterlagen strengen Auflagen zur Schonung des Baumbestandes. So wurden Beispielsweise ältere Bestände bei der Standortwahl weitgehend ausgeklammert. Genauso wichtig wie die schonende Installation ist der Brandschutz der Anlagen, weswegen neben den regelmäßigen Wartungsarbeiten auch ein Überwachungssystem der Betriebstemperatur einzelner Komponenten sowie ein Fernüberwachungssystem für zusätzliche Sicherheit sorgen. Gemeinsam mit dem von der kommunalen Feuerwehr erarbeiteten Einsatzkonzept ist somit eine maximale Sicherheit der Anlagen und des Waldes sichergestellt.

Ähnliche Sicherheitsvorkehrungen sollen ebenso im geplanten, aber noch nicht umgesetzten Windpark Reinhardswald zur Anwendung kommen. Dort sollen in diesem Jahr 20 WEAs mit einer Nennleistung von jeweils 5,6 Megawatt (MW) installiert werden. Alle Anlagen sollen möglichst naturschonend im Wirtschaftswald aufgestellt werden. Überbaute Flächen kommen dem Naturpark Reinhardswald zugute und der gerodete, zum größten Teil Nadelwaldbestand, soll ebenso mit Mischwald aufgeforstet werden. So soll nicht nur ein Windpark mit einer Gesamtleistung von 112 MW entstehen, sondern die vielfältige Natur des Märchenwaldes in Nordhessen für die Anwohner*innen sowie die Besucher*innen der Region erhalten bleiben. Dieser hatte in den letzten Jahren massiv unter den Folgen des Klimawandels gelitten.
Der Windpark wird getragen von der Energiegenossenschaft Reinhardswald (EGR), an der Trendelburg und weitere Anrainerkommunen beteiligt sind. Die EGR würde es den Anwohner*innen ermöglichen, sich über einen Sparbrief bei den regionalen Banken am Projekt zu beteiligen. Damit soll sichergestellt sein, dass die Wertschöpfung sowie die Kontrolle über den Park in der Region bleiben. Seit dem Planungsbeginn äußert sich starke Kritik am Windpark. Die Bürger*innen führten zwei Bürgerbegehren herbei, die zum Ziel haben, den Bau der Windenergieanlagen im Reinhardswald zu stoppen. Das erste Bürgerbegehren erhielt 1.000 Stimmen und sieht vor, den mehrheitlichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, von der EGR ein Darlehen über 620.000 Euro gewährt, aufzuheben. Mit 900 Stimmen will das zweite Bürgerbegehren erreichen, dass Trendelburg aus der EGR austritt. Zum Herbeiführen eines Bürgerentscheids wären pro Begehren nur 440 Stimmen nötig gewesen.

Obwohl die Windenergie zurzeit ein Streitpunkt in der Kommune ist, lohnt sich der Blick auf die bisherigen Erfolge: Seit 2009 hat sich in der Energie-Kommune viel getan und gemeinsam mit den Bürger*innen hat Trendelburg viel erreicht. Das gleiche Bild zeichnete der rasante Anstieg der Produktion der lokal erzeugten Erneuerbaren Energien. Seit unserem letzten Besuch hat sich die Produktion auf jährlich 95 Gigawattstunden vervielfacht, damit produziert Trendelburg sieben Mal mehr Energie als in der Kommune im Jahr verbraucht wird.
Erneuerbarer Strom kommt in der Kommune auch nicht ausschließlich aus der Windenergie. Im vergangenen Jahr konnte bei einem der größten Energieverbraucher, der Metallgießerei Günter Friedrich GmbH, eine Freiflächenphotovoltaikanlage in Betrieb genommen werden, die rund eine Million kWh Strom pro Jahr produziert.
Momentan wird geprüft, inwieweit im Rahmen einer Fuhrparkerneuerung Elektrofahrzeuge eingesetzt werden können. Die Kommune nahm zudem an einer Modellstudie der Universität Kassel teil, die die Mobilitätswende im ländlichen Raum untersuchte. Mit Unterstützung der Universität nimmt Trendelburg am Wettbewerb #mobilwandel2035 teil, der im März 2021 die besten Ideen prämieren wird. In Zukunft sollen außerdem durch Sanierungsmaßnahmen kommunaler Gebäude und der Erneuerung von Heizungsanlagen Verbräuche weiter reduziert werden.


Juni 2009

Die nordhessische Kleinstadt Trendelburg wird in der Energieversorgung immer unabhängiger: An zwei Standorten stehen drei Windparks, die ersten Anlagen sind bereits seit 15 Jahren in Betrieb. Hinzu kommen eine Biogasanlage und eine Reihe kleiner Solaranlagen zur Stromerzeugung. Vier Wasserkraftwerke sind hier schon seit Generationen in Betrieb und wurden in den letzten Jahren zum Teil technisch aufgebessert. Bis zum Jahr 2011 möchte die Stadt die Entscheidung treffen, ob eine Loslösung vom Energieversorger E.ON möglich ist.

Trendelburg liegt in einem für Erneuerbare Energien günstigen Umfeld. Der Landkreis Kassel, zu dem die Stadt gehört, profitiert von der Nähe zur Universität Kassel. An der Hochschule entwickelte Ideen werden häufig im Landkreis umgesetzt. „Der Landkreis Kassel ist in Nordhessen der innovativste, was Energieeffizienz angeht“, sagt Peter Moser vom Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien (deENet), einem Zusammenschluss von rund 90 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Nordhessen. So hatte der Landkreis mit 243.000 Einwohnern bereits früh eine eigene Energieagentur, die Agentur Energie 2000 e.V.

Ekdm_Trendelburg_Bernd_Müller_BMUDas schafft auch ein günstiges Klima für die Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden untereinander. Trendelburgs ehemaliger Bürgermeister Klug sagt: „In der Region wacht man auf, nicht nur die Bürgermeister, sondern auch die Bürger, die sich stranguliert fühlen von den Energiepreisen und die uns als Politiker auffordern, nach Lösungen nicht nur zu suchen, sondern auch umzusetzen. Und dazu gehört eine enge Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen.“

Mehr als die Hälfte seiner regenerativen Energie erzeugt Trendelburg durch Windkraft. Die Windparks wurden von den Bürgern initiiert und gebaut – zwei Anlagen von Bürgergesellschaften, die dritte von der Hessenwind, einer landeseigenen Gesellschaft. „Der Landschaftsplaner Stefan Wenning hatte die Koordination übernommen. Wir als Kommune sahen unsere Aufgabe darin, die Rahmenbedingungen zu schaffen“, sagt der ehemalige Bürgermeister Bernhard Klug. „Man muss auf die Leute zugehen, die bereit sind zu investieren und ihnen durch entsprechende Angebote Möglichkeiten geben, ihre Vorstellung umzusetzen.“

Heute, da die Anlagen knapp 15 Jahren Betrieb hinter sich haben und eine hohe Akzeptanz genießen, erinnert kaum etwas daran, dass die Planungen zunächst auch auf Skepsis gestoßen waren. Klug: „Wir hatten es mit den sattsam bekannten Bedenken zu tun. Die Bürger fürchteten Lärmbelästigung und den Diskoeffekt, der durch den Schatten der Rotorblätter entsteht. Und sie wollten nicht, dass die Landschaft rund um den Ort verspargelt.“

Akzeptanz durch fokussierte Planung: Ausweisung von Vorranggebieten

Von Beginn an haben Initiatoren und Gemeinde die Bedenken ernst genommen. Ihnen war früh klar, dass sie die Bürger nicht vor vollendete Tatsachen stellen konnten. „Wir haben die Leute einfach überzeugen können mit Argumenten“, sagt Klug. „Und wir haben deutlich gemacht, dass wir nicht die ganze Landschaft zupflastern mit Windkraftanlagen, sondern wir wollen sie gebündelt.“ Dazu blieb es nicht bei Absichtserklärungen. Die Gemeinde machte von einer Möglichkeit Gebrauch, die das hessische Bauplanungsrecht bot: Sie wies zwei Standorte in der Gemeinde als Vorranggebiete aus. Das bedeutet, dass außerhalb dieser Gebiete keine weiteren Windkraftanlagen genehmigt werden können. Für die Bürger bedeutet dies die Gewissheit, dass die Landschaft ihres Ortes geschützt ist und nicht beliebig mit Windkraftanlagen bebaut werden kann.

Vorranggebiete werden im Regionalplan festgeschrieben. Beantragt hat die Stadt Trendelburg sie beim Regierungspräsidium (in anderen Bundesländern entspricht dies der Bezirksregierung). Seinerzeit war Trendelburg eine der ersten Kommunen in Hessen, die dieses Instrument der Regionalplanung genutzt haben.

Transparente Informationspolitik

Um die Bedenken der Bürger zu zerstreuen, hat die Kommune viel Überzeugungsarbeit geleistet. Auf Informationsveranstaltungen wurde erklärt, dass die Belastungen durch Lärm und Schattenschlag viel geringer ausfallen würden als viele befürchtet hatten. Um das zu gewährleisten, waren in den Planungen die gesetzlichen Mindestabstände der Windkraftanlagen zum Siedlungsbereich nicht nur eingehalten, sondern deutlich überschritten worden. Damit sich die Skeptiker ein realistisches Bild von der Wirkung solcher Windkraftanlagen machen konnten, hat die Stadt außerdem Besichtigungen bestehender Anlagen angeboten.

Akzeptanz durch finanzielle Einbindung

Die Art der Finanzierung hat schließlich dazu beigetragen, die Bürgerschaft einzubinden: „Das Kapital kam nicht von großen Energieunternehmen, sondern ist in der Region generiert worden“, sagt Klug. „Das hat natürlich die Identifikation mit diesen Anlagen erhöht.“

Und auch bei kleineren Projekten erkennen die Bürger inzwischen den Nutzen, selbst dann, wenn sie nicht direkt finanziell beteiligt sind. So hat die Stadt etwa auf dem Dach des Kindergartens eine Photovoltaik-Anlage installiert. Die Erträge, die die Anlage erwirtschaftet, investiert die Kommune wieder in den Kindergarten und schafft neue Spielgeräte an. „Der Kindergarten wird dadurch attraktiver, das erkennen die Eltern. Und die Kinder sehen, was man mit Solarenergie alles bewegen kann“, sagt Klug.

Peter Moser von deENet ergänzt: „Es müssen immer wieder Einzelentscheidungen getroffen werden. Bei jedem Dach, bei jedem Park müssen die Betroffenen, die Entscheider einbezogen werden. Es geht um große Akzeptanzfragen, aber natürlich auch um die Bereitschaft davon zu profitieren.“

Der nächste Schritt: Niederspannungsnetze zurückkaufen

Insgesamt produzieren die Wind-, Wasserkraft- und Biogasanlagen bereits knapp 30 Gigawattstunden im Jahr. Damit ist nach einer vorläufigen Energiebilanz ungefähr das 1,2 bis 1,5-fache des Verbrauchs der Privathaushalte in Trendelburg abgedeckt. „Unser nächstes Ziel ist es, die kommunalen Niederspannungsnetze wieder in das Eigentum der Kommunen zu überführen. Wir haben am Beispiel der Stadtwerke Wolfhagen gesehen, dass dies funktionieren kann“, sagt Klug.

Die südwestlich im gleichen Landkreis gelegene Stadt kaufte im 2007 das Stromnetz vom Stromkonzern E.ON zurück, nachdem der vor zwanzig Jahren geschlossene Konzessionsvertrag abgelaufen war. Wenn im Jahr 2012 in Trendelburg der Konzessionsvertrag ausläuft, will die Stadt ihre Chance zum Rückkauf nutzen: „Zusammen mit der Erzeugung von regenerativer Energie vor Ort  und der entsprechenden Einspeisung in das dann kommunale Energienetz  würden wir um einen wichtigen Schritt unabhängiger werden von Öl und Gas, und es bliebe noch ein größerer Teil der Wertschöpfung in der Region. Die Kommunen können dies allerdings nur im Verbund mit anderen Städten und Gemeinden erreichen.“ Konkret bedeutet dies für Trendelburg und seine Nachbargemeinden die Gründung eines regionalen Energiewerks.

Foto: Bernd Müller/ Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit