Energie-Kommune des Monats: Magdeburg

Mai 2021

Als Landeshauptstadt im Zentrum Deutschlands treffen in Magdeburg seit jeher unterschiedlichste Ideen aufeinander. So verwundert es nicht, dass die Stadt an der Elbe auch im Bereich der Erneuerbaren Energien schon seit geraumer Zeit durch innovative Ansätze zu überzeugen weiß. 2013 wurde bereits ein energie- und klimapolitisches Leitbild erstellt, in der Folge wurde die Stadt zur Modellstadt für Erneuerbare Energien und Partner der Deutschen Energieagentur als „Energieeffiziente Kommune“. Mit der Erstellung des Masterplankonzeptes im Jahr 2017, welches bis ins Jahr 2050 plant – um so möglichst früh die Weichen in Richtung einer erneuerbaren Zukunft zu stellen – zeigte die Stadtverwaltung einmal mehr, welchen Stellenwert nachhaltiges Wirtschaften in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt hat. Schon heute bieten die Stadtwerke Tarife mit bis zu 100 Prozent lokal produziertem Ökostrom an. Gleichzeitig engagieren sich auch Bürger*innen in Genossenschaften aktiv für die Energiewende. Um sicherzustellen, dass die nachhaltig produzierte Energie möglichst effizient genutzt wird, entwickelt das städtische Wohnungsbauunternehmen in einem Modellprojekt Wohnungen, die schon heute den angestrebten Energiestandard für Wohnraum der Bundesregierung für das Jahr 2050 erfüllen.

Genossenschaftlicher Solarpark in Magdeburg (Foto: Helionat eG)

Masterplankommune Magdeburg

In Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium erfolgte die Verabschiedung und der Beginn der Umsetzung des Förderprogramms „Masterplan 100% Klimaschutz“ im Jahr 2017. Das Programm soll die ausgewählten Kommunen bei der Umsetzung ambitionierter Klimaschutzziele unterstützten. In Magdeburg sollen dadurch bis zum Jahr 2050 mindestens 95 Prozent der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Basisjahr 1990 eingespart werden. Gleichzeitig soll der Endenergieverbrauch der Stadt um 50 Prozent sinken. Seit der Erarbeitung dient es als Arbeitsgrundlage für weitere Maßnahmen und ermöglicht ein koordiniertes Vorgehen bei der Umsetzung der ehrgeizigen Ziele. Hierfür wurden für die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr Szenarien und Strategien entworfen, die helfen sollen, langfristig die Verbräuche zu reduzieren und verbrauchte Energie effizienter zu nutzen. „Energiewende bedeutet auch für die Landeshauptstadt Magdeburg das Verlassen eingefahrener Pfade. Dazu bedarf es vieler kleiner Schritte. Dabei möchte die Magdeburg Vorbild für Ihre Bürger*innen sein. Sei es mit der per Grundsatzbeschluss des Stadtrates festgesetzten Planung von Solaranlagen und Gründächern bei Neubauten der Stadt, dem begonnenen Umbau des städtischen Fuhrparks auf der Grundlage eines Elektromobilitätskonzeptes oder mit der Prüfung der Klimarelevanz von Beschlüssen, die dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden“, betont Holger Platz, Beigeordneter für Umwelt, Personal und Allgemeine Verwaltung der Landeshauptstadt.

Zwischen 1990 und 2014 konnte der Endenergieverbrauch kommunaler Gebäude sowie der Magdeburger Privathaushalte bereits um respektive 53 Prozent und 64 Prozent gesenkt werden. Mit Schritten wie energetischen Gebäudesanierungen, der sukzessiven Umstellung der Energieträger und weiteren Maßnahmen des Masterplankonzeptes, sollen im Masterplanszenario Energieeinsparungen zwischen 2015 und 2050 von bis zu 33 Prozent der Privathaushalte im gesamten Stadtgebiet möglich sein. Eine solche Transformation ist Herausforderung und Chance zugleich. Besonders angesichts der Tatsache, dass 2014 der Anteil des vor Ort produzierten nachhaltigen Stroms am Gesamtenergieverbrauch der Privathaushalte bei lediglich 5 Prozent lag. Bis 2050 soll sich dieser Teil entsprechend des Masterplanszenarios auf 24 Prozent fast verfünffachen, während die Nutzung fossiler Energieträger mehr als halbiert werden soll. Gerade hier stellt sich der notwendige Ausbau für verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen sowie städtische und private Akteure als Chance dar, gemeinsam die Energie- und Wärmewende voranzutreiben.

Stadt und Genossenschaften bauen Erneuerbare Energie aus

Foto: Enercon GmbHDie energetische Transformation in der mitteldeutschen Landeshauptstadt schreitet mittlerweile dynamisch voran. Davon zeugen zahlreiche umgesetzte Projekte – wie das Biomasseheizkraftwerk Magdeburg-Rothensee – das nahe Unternehmen, wie zum Beispiel einen lokalen Windenergieanlagenbauer, über eine Fernwärmleitung mit klimafreundlicher Wärme versorgt. Am gleichen Standort wurde zwischen 2001 und 2010 ein Windpark entwickelt, der mit einer Gesamtleistung von 15 Megawatt erneuerbaren Strom für die Stadt bereitstellt. Gemeinsam mit der Betreibergesellschaft stellen die Stadtwerke in einem Stromtarif 100 Prozent erneuerbaren Windstrom aus dem Park bereit. Im Tarif enthalten ist eine persönliche Energieberatung sowie Energieseminare für Privathaushalte. Aber auch die Stadtverwaltung profitiert vom nachhaltigen Strom. Als zentraler Versorger der Kommune liefern die Stadtwerke mittlerweile einen Strommix mit einem Ökostromanteil von 60 Prozent an alle kommunalen Gebäude. Dieser Wert liegt bereits über dem Bundesdurchschnitt von knapp 50 Prozent Ökostromanteil im Jahr 2020.

Die Energiewende findet in Magdeburg jedoch nicht nur auf kommunaler Ebene statt. Engagierte Bürger*innen haben 2009 eine Energiegenossenschaft mit Sitz in Magdeburg gegründet, die im gesamten Bundesland bereits zahlreiche Photovoltaik (PV)-Dachanlagen und eine PV-Freiflächenanlage in Magdeburg installieren konnte. So produziert die Genossenschaft jährlich bereits 1,3 Millionen Kilowattstunden (kWh). Der Unterschied zu herkömmlichen Projektierern ist die intensive Beteiligung der Anwohner*innen. Zum einen können Interessierte in das Projekt investieren und so von Gewinnausschüttungen profitieren. Gleichzeitig profitiert auch das Gemeinwesen über kommunale Pachteinnahmen, die Gewerbesteuer oder preiswerte Stromtarife. „Zudem wird für die jeweilige Kommune immer gewährleistet, dass vorzugsweise die vor Ort lebenden Bürger*innen beteiligt werden, sodass umgesetzte Projekte meiste eine hohe Akzeptanz vor Ort erfahren“, erklärt Jörg Dahlke, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft. Ein Konzept mit Zukunft. So soll die Magdeburger PV-Anlage bis mindestens 2036 betrieben werden. Aktuell plant die Genossenschaft ihr erstes Mieterstromprojekt mit integriertem Stromspeicher und einer Wärmepumpe sowie den ersten genossenschaftlichen Windpark in Sachsen-Anhalt. Letzterer soll noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden.

Ab 2022 energieautark Wohnen am Marderweg

Foto: Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg mBHWährend der Ausbau der Erneuerbaren Energien die Magdeburger Klimabilanz produktionsseitig verbessert, stellen Verbrauchsoptimierungen und damit einhergehende Einsparungen die zweite Säule des Masterplanszenarios dar. Damit auch dieser Pfeiler des Masterplankonzeptes wirkungsvoll bearbeitet werden kann, wird die Sanierung städtischer Gebäude vom Eigenbetrieb Kommunales Gebäudemanagement angeleitet und überwacht. Beispielsweise müssen entsprechend der Vorgaben des Förderprogramms STARK III für Schulen und Kindertageseinrichtungen, die in der bundesdeutschen Energiesparverordnung vorgegebenen Mindestanforderungen an energetische Kennwerte um mindestens 25 Prozent unterschritten werden. „Das ist nicht immer einfach. Jedoch konnten durch effektive Planung und Sanierung sowie einer gezielten Betriebsführung von Heizungsanlagen diese strengen Zielwerte in den meisten Gebäuden sogar deutlich unterschritten werden. Im Vergleich zu 2005 konnte der Wärmeverbrauch der kommunalen Gebäude bis 2019 um 60.000.000 kWh gesenkt werden“, erklärt Hagen Reum, Betriebsleiter des Eigenbetriebs Kommunales Gebäudemanagement. Gleichzeitig fördert der Eigenbetrieb den Ausbau von PV-Dachanlagen auf kommunalen Gebäuden. Installierte Anlagen produzieren bereits jährlich bis zu 1 Millionen kWh nachhaltigen Strom und sind so in der Lage, circa 10 Prozent des Strombedarfs der kommunalen Gebäude zu decken.

Foto: Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg mBHDieser Trend setzt sich im Bereich des Wohnungsbaus fort. Bis Ende 2022 soll am Marderweg im Süden der Stadt ein Pilotprojekt umgesetzt werden: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft will mit dem Neubau von acht energieautarken, familienfreundlichen Reihenhäusern neue Maßstäbe in Sachen Klimaschutz und Wohnkomfort für Magdeburg setzten. Auf Basis von Ökostrom und solarer Eigenproduktion sollen die Gebäude zu 100 Prozent CO2-frei betrieben werden können. Damit erfüllen Sie die Gebäudestandards der Bundesregierung für das Jahr 2050. Dezentral und wartungsarm sollen mehr als 50 Prozent des Energie- und Wärmebedarfs direkt über die Produktion der Gebäude gedeckt werden. Mittels ihrer PV-Dachanlagen, werden die Reihenhäuser  Leistungsspitzen zwischen 14 und 17 Kilowatt (kWp) erreichen. Überschüsse können direkt in gebäudeeigenen Speichern mit einer Nutzkapazität von 20 kWh gespeichert werden. So kann auch an sonnenarmen Tagen Strom und Heizwärme lokal bereitgestellt werden. Bauweise sowie Wärmekonzept sollen die Verbräuche zusätzlich minimieren. So kommt in den Häusern eine wartungsarme Infrarotheizung zum Einsatz, die besonders energiesparend den Wärmebedarf der Gebäude decken soll. Ein erhöhter Energiebedarf – beispielsweise im Winter – soll durch den Zukauf von Ökostrom gedeckt werden. Doch das Projekt steht nicht für sich allein. Vielmehr ist es Teil eines langfristigen Konzepts. „So soll mit den Erfahrungen, die mittels des Monitorings aus dem Modellprojekt gesammelt werden, der Autarkiegrad zukünftig weiter gesteigert werden“, erklärt Kerstin Willenius, Leiterin der Geschäftsstelle Süd der Magdeburger Wohnungsbaugesellschaft.

Ob bis 2050 alle Maßnahmen des Masterplanszenarios umgesetzt werden können, ist heute nicht absehbar. Sicher ist aber, dass die Stadt gemeinsam mit ihren Bürger*innen und Wirtschaftsvertreter*innen auf allen Ebenen große Anstrengungen unternimmt, um Magdeburg in eine klimaneutrale Zukunft zu führen.

Disclaimer

Um das Engagement des Bundeslandes Sachsen-Anhalt im Bereich der Erneuerbaren Energien zu würdigen und die vielfältigen Best-Practices aufzubereiten, stellen wir in diesem Jahr insgesamt fünf Kommunen aus dem Bundesland als Energie-Kommunen des Monats vor. Unterstützt wird die Kampagne vom Landesverband Erneuerbare Energien Sachsen-Anhalt (LEE) und dem Bundesverband Windenergie Sachsen-Anhalt (BWE). Weitere Infos zu Erneuerbaren im Land finden Sie auf den Seiten des LEE und des BWE.