"Die Wärmewende muss in den Köpfen ankommen, und Lösungen müssen für den Bürger ersichtlich und verständlich sein."

Frau Köpke, Sie sind Director Governmental Affairs und vertreten auf europäischer Ebene die Interessen von Emerson Commercial & Residential Solutions. Ihr Bereich beinhaltet unter anderem Wärme-, Kälte und Klimatechnik sowie Steuerungs- und Überwachungstechniken und Kühlkettenlösungen. Wie kamen Sie zu diesem Bereich und was reizt Sie an den Themen?  

Zum Bereich Governmental Affairs kam ich letztendlich durch die Ökodesign-Verordnung für Raumheizgeräte. In den letzten Jahren des Entstehens dieser Verordnung war ich zuständig für das Produktmanagement von Verdichtern in Wärmepumpenanwendungen. Das Thema Governmental oder Regulatory Affairs wurde dadurch innerhalb unserer europäischen Organisation wesentlich stärker gewichtet, denn die Produktentwicklung wurde dadurch sehr stark beeinflusst. Da alle anderen für uns relevanten Endprodukte innerhalb von Ökodesign erst später verabschiedet wurden und ich die Erfahrung gemacht hatte, wurde mir der Bereich Governmental Affairs übergreifend für unser gesamtes Portfolio von Verdichtern übertragen. Nicht nur Anwendung von Verdichtern in Wärmepumpen, sondern auch in der Gebäude-Klimatisierung und der Kälte in diversen Bereichen, z. B. Kühlketten für Lebensmittel.

Es entstehen immer mehr Ansätze, zudem vernetzen und kooperieren wir innerhalb des Emerson Konzerns als auch mit Lieferanten und Kunden und mehr auf globalem und geschäftsfeldübergreifendem Niveau. Das gemeinsame globale Vorgehen ist heute notwendiger denn je, die verschiedenen Wirtschaftsräume werden durch unterschiedliche Prioritäten und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten an den Herausforderungen des Klimawandels und des generellen Umweltschutzes ausgerichtet. Es macht keinen Sinn für ein global agierendes Unternehmen, sich an den Nachzüglern zu orientieren. Man orientiert sich an den Vorreitern, weil man sich damit auch Vorreitervorteile verspricht!

Sie engagieren sich bei der European Heat Pump Association (EHPA), sind Vice-Chair in der Ökodesign Arbeitsgruppe bei der European Partnership for Energy and the Enviroment (EPEE) und engagieren sich zusätzlich im Vorstand des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP).  Wie schaffen Sie es, Zeit für all Ihre Engagements und Ämter zu finden?

Die Zeit ist leider nie wirklich genug. Es gibt noch einige Themen, denen ich mehr Aufmerksamkeit widmen möchte oder könnte – aber es bleibt die typische 80-zu-20 Regel zwischen Ertrag und Einsatz grundlegend. Eingegangene Verpflichtungen, in Gremien und für Ämter, haben Priorität und überlappen sich häufig auch themenseitig. Das Engagement in den Gremien erfolgt parallel zum firmenseitigen Engagement in für uns relevanten gesetzgebenden Gremien, sei es Ökodesign mit DG ENER oder DG GROW oder REACH mit ECHA oder F-Gas mit DG Clima. Dazu eine zuverlässige Weiterverteilung von Informationen innerhalb der Firma sowie die Bereitschaft, auch gerne mit Kunden und Lieferanten diese Themen nach Bedarf zu vertiefen, runden die Herausforderung ab. Nach zehn Jahren in diesem Bereich weiß man zum Glück, wen man fragen kann, respektive man wird auch selber von anderen Firmenvertretern oder offiziellen Stellen gefragt – auch diese Kontakte und Kontinuität der Mitarbeit helfen sehr weiter.

Welche Rolle spielen Wärmepumpen heute in der Energiewende?

Transport, Wärme und Stromerzeugung müssen zur Energiewende beitragen. Der Gebäudesektor macht etwa ein Drittel der energiebezogenen EU-Treibhausgasemissionen (THG) aus. Diese Emissionen stammen zum Teil aus der direkten Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden und zum Teil aus der Erzeugung von Strom und Wärme, die in Gebäuden verwendet werden. Ohne Wärmepumpe in Gebäuden werden wir keine Energiewende bewältigen können. Nicht umsonst lautet das Credo der EU auch „Efficiency first“. Die Effizienzgewinne der Wärmepumpe durch Nutzung der Umgebungswärme überragen bei Weitem die der Alternativen. Nur über Elektrifizierung und erneuerbare Energien können wir schnell und weit genug vorankommen. Dazu Fern- und Nahwärme und Wärmerückgewinnung, wo es nur geht. Die fossilen Energien sind endlich, die Versorgung für Deutschland nicht gesichert. Gerade am ersten Märzwochenende 2022 hat die International Energy Agency (IEA) zur Versorgungssicherheit der EU auch die klare Aktion „Speed up the replacement of gas boiler with heat pumps -> reduces gas use for heating by an additional 2bcm in one year“ aufgegeben.

Oft heißt es, Wärmepumpen wären nur für Neubauten interessant, nicht für Bestandsgebäude. Hier müsse viel getan werden. Was antworten Sie diesen Leuten?

Für Wärmepumpen in Bestandsgebäuden habe ich mein persönliches Beispiel: Unser privates Einfamilienhaus von 1934, als Effizienzhaus 115 renoviert (Dachdämmung, Flächenheizung und Gebläsekonvektor und adäquat dimensionierte Luft/Wasser Wärmepumpe), erreicht eine Jahresarbeitszahl von 4,8. Die JAZ sagt aus, das ich 2.300 Kilowattstunden (Kwh) Strom in einem Jahr verbraucht habe, und damit 11.000 kWh Wärme in mein Haus gebracht habe, also ein Ratio von 4,8. Diese 11.000 kWh Wärme hätte ich vor der Installation der Wärmepumpe durch das direkte Verbrennen von Gas erzeugen müssen.  Baugleiche Häuser in der Siedlung verbrauchen 13.-16.000 kWh Gas.

Es muss ein besseres Verständnis für eine noch nicht so verbreitete Technologie geschaffen werden. Die meisten Heizungsinstallationen in Europa basieren auf einem Wasserkreislauf. Man kann diesen Wasserkreislauf mit geringerer Menge an Wasser und höherer Temperatur (Radiator) oder höherer Menge an Wasser und niedrigerer Temperatur (Flächenheizung oder Gebläsekonvektor) betreiben. Für die beste Effizienz der Luft/Wasser Wärmepumpe sollte die Temperaturdifferenz zwischen der Außentemperatur (der Wärmequelle) und der Wassertemperatur (der Wärmesenke) minimiert werden. Also, je geringer ich die sogenannte Vorlauftemperatur, mit der ich in die Flächenheizung hineingehe, halten kann, desto besser ist die Effizienz.

Eine Flächenheizung mit niedrigeren Temperaturen, ist langsamer in der Wärmeübertragung als ein Radiator, der mit höherer Temperatur betrieben wird – jeder kennt den Effekt von direkter Strahlungswärme. In der Flächenheizung ist aber mehr Wassermasse bei niedrigerer Temperatur, und damit dauert es länger, bis die Wärme ankommt, kühlt aber auch langsamer wieder aus. Diese Trägheit muss man bedenken und sein Verhalten anpassen. Man kann nicht erwarten, bei offenem Fenster und runtergedrehten Thermostaten zu schlafen und nach Schließen des Fensters und Aufdrehen des Thermostaten das Zimmer sofort wieder warm zu haben – Stoß- und/oder Querlüften in angemessenen Abständen ist die auch von der Verbraucherzentrale schon seit langem empfohlene Methode. Zusätzlich kann man auch in eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung investieren.

Welche sind die größten Herausforderungen oder Hindernisse der Wärmewende?

Die Wärmewende in Neubauten ist ein Selbstläufer durch die geltenden energetischen Vorschriften.  Der Einsatz einer elektrischen Wärmepumpe, und vielleicht gleichzeitig noch eine Photovoltaikanlage auf das Dach – das ist ideal und sollte einfach Standard sein. Dazu kann man den Eigenverbrauch vom selbst erzeugten Strom noch durch einen Batteriespeicher optimieren.
Im Gebäudebestand ist dies eine größere und komplexere Herausforderung. Ein Gebäude-Sanierungsfahrplan, mit einem Energieberater erstellt, ist der richtige Weg eine langfristig ganzheitliche Lösung zu erreichen.

Was können politische Entscheidungsträger*innen konkret tun, um diesen Herausforderungen oder Hindernissen entgegenzuwirken?

Die Wärmewende beinhaltet nicht nur den Wechsel von fossilen Energieträgern zu erneuerbaren Energieträgern für die Erzeugung von Wärme, sondern auch die Vermeidung von Verschwendung, das Prinzip der Energieeffizienz (Efficiency first) bleibt an erster Stelle.
Insbesondere sollten Gebäude im öffentlichen Besitz ein Beispiel setzen – wie sollen Bürger angeregt werden, selber Investitionen zur Sanierung zu tätigen, wenn sie im öffentlichen Raum keinerlei Veränderung wahrnehmen? Jedes öffentliche Gebäude, das einer energetischen Sanierung unterzogen wird, sollte dies öffentlich zeigen und damit die Hemmschwelle für Bürger verringern. Für große Mietobjekte im Wohnungsbestand sollte ebenfalls die öffentliche Hand Vorreiter sein, dies ist insbesondere auch zur Verringerung von Energiearmut notwendig.

Auf lokaler Ebene herrscht meistens ein größeres Vertrauen, respektive eine größere Bekanntschaft mit den politischen Entscheidungsträgern. Es könnten kleine Wettbewerbe ausgeschrieben werden, wo Firmen oder Privatleute ihre Lösungen an greifbaren Beispielen vorstellen können. Je häufiger Bürger mit unübersehbaren Beispielen konfrontiert werden, desto eher werden sie zu überzeugen sein, selber das Thema anzugehen und wenigstens den ersten Schritt zu machen. Ein gutes und erfolgreiches Beispiel ist der Gebäudecheck der Verbraucherzentrale als erste, aber schon konkrete Anregung, was es an Möglichkeiten gibt. Die Wärmepumpe wird von vielen Menschen nicht verstanden. Die häufigste Frage, die mir von Laien gestellt wird: „Wie kann eine Luft/Wasser Wärmepumpe bei minus -6 °C Aussentemperatur Energie aus der Umgebung gewinnen?“

Dabei leben wir schon seit den 50er Jahren mit dem Kühlschrank, der demselben Prinzip folgt.  Dabei wird jedoch die Wärme aus dem Inneren des Kühlschranks an die Umgebung abgegeben, bei der Wärmepumpe wird die Wärme aus der Umgebung an das Inneres des Hauses abgegeben.

Die Wärmewende muss in den Köpfen ankommen, und Lösungen müssen für den Bürger ersichtlich und verständlich sein.

Lösungen beinhalten auch Verhaltensänderungen – die ähnlich wie bei der Einführung der Mülltrennung schon ab dem Kindergarten vorgelebt werden müssen, damit sie die Gesellschaft wirklich durchdringen.

Wie schätzen Sie die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) sowie die Energieeffizienzrichtlinie ein? Sind sie Ihnen ambitioniert genug?

Der Vorschlag für eine Neufassung der EPBD vom Dezember 2021 will, dass neue Gebäude als „zero-emission buildings“ gebaut werden sollen und der Gebäudebestand bis 2050 auch in „zero-emission buildings“ transformiert wird, wenn technisch machbar. Dazu sollen Mindesteffizienzen bei Sanierungen vorgegeben werden. Die Mitgliedstaaten sollen „nationale Gebäude Renovierungspläne“ erstellen, indem auch die nationalen Ziele genannt werden. Und die Gebäude mit der schlechtesten Energieklasse G (G entspricht den 15 Prozent der Gebäude mit der schlechtesten Leistung im nationalen Gebäudebestand zum Zeitpunkt der Einführung der Skala) sollen bis spätestens 2033 mindestens Energieklasse E erreicht haben, auf einer Skala in der Klasse A als „zero-emission building“ definiert ist, und die weiteren Klassen bis G zwischen A und G eine gleiche Bandbreite erhalten.

Das ist meiner Ansicht nach schon sehr ambitioniert. Jedoch wird bis zur Umsetzung in den Mitgliedsstaaten wohl zu viel Zeit vergehen, um diese neuen Ziele realistisch zu erreichen.

Der Vorschlag für eine Neufassung der Energieeffizienzrichtlinie könnte noch ambitionierter sein, beispielsweise:
•    Die politischen Entscheidungsträger sollten regionale und lokale Behörden antreiben, lokale Heiz- und Kühlpläne zu erstellen, mindestens für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern. Das dabei ermittelte Potenzial sollte mit Maßnahmen zur energieeffizienten und auf erneuerbaren Energien basierenden Heizung und Kühlung genutzt werden.
•    Die regionalen und lokalen Behörden sollten im größtmöglichen Umfang mit allen Mitteln bei der Umsetzung unterstützt werden, einschließlich finanzieller Unterstützung und technischer Unterstützungsprogramme.
•    Maßnahmen um die Energieeinsparverpflichtung zu erfüllen, die Technologien für fossile Brennstoffe und Energieeinsparungen fördern, die sich aus der Nutzung direkter Verbrennung fossiler Brennstoffe ergeben, sollten ausgeschlossen werden.

Das Prinzip der Energieeffizienz an erster Stelle sollte über allen Maßnahmen stehen. Wärmepumpen sind unerlässlich, um das Prinzip der Energieeffizienz an erster Stelle umzusetzen.

Wer oder was inspiriert Sie?

Mich inspirieren die Gespräche mit authentischen und ambitionierten Menschen. In jedem Gespräch lerne ich etwas hinzu, höre und berichte meinerseits von pragmatischen Lösungen zur Klimaproblematik. Ich verabscheue es, wenn immer nur Probleme herausgestellt werden, anstatt im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Lösungen zu erarbeiten.  Wie Erich Kästner gesagt hat: „Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“