Zubau Windenergie onshore: Erstes Halbjahr 2022 unter den Erwartungen

Berlin, 14. Juli 2022 - Von Januar bis Juni 2022 wurden 238 neue Windenergieanlagen (WEA) an Land mit einer Leistung von zusammen 977 Megawatt (MW) in Deutschland installiert. Der Zubau bewegt sich damit auf einem fast identischen Niveau wie im Vergleichszeitraum 2021. Eine neue Analyse der Deutschen WindGuard, durchgeführt im Auftrag der Branchenverbände BWE und VDMA Power Systems, beleuchtet die aktuelle Entwicklung.

„Im ersten Halbjahr 2022 hält der Zubau der Windenergie an Land in Deutschland lediglich sein Niveau und geht noch nicht in die zum Erreichen der Ziele notwendige Richtung. Dafür wird das fünffache Volumen benötigt. Die Bundesregierung hat mit den in der vergangenen Woche verabschiedeten Gesetzen das ambitionierteste Paket zur Klimagesetzgebung vorgelegt, das es in Deutschland je gab. Die Ausbauziele für die Erneuerbaren sind ebenso ehrgeizig wie notwendig und bieten der Branche Orientierung und Planungssicherheit. Einige der neuen Regelungen sind in der Tat bahnbrechend; so gibt es zum ersten Mal ein gesetzlich verankertes Ziel zur Bereitstellung von Flächen. Um den Ausbau auf das notwendige Niveau anzuheben, kommt es darauf an, dass die beschlossenen Maßnahmen möglichst schnell ihre Wirkung entfalten können“, kommentieren die Verbände.

„Die altbekannten Hindernisse bestehen jedoch weiterhin fort. Die durchschnittliche Dauer der Genehmigungsverfahren hat sich in den vergangenen fünf Jahren um fast 60 Prozent erhöht. Zudem muss die Rechtssicherheit nach Genehmigungserteilung weiter verbessert werden. Die leicht erhöhte Aktivität bei den Genehmigungseinreichungen muss in einen deutlichen Anstieg überführt werden. Die Bereitstellung von Flächen für den Ausbau der Windenergie läuft noch immer nicht mit der gebotenen Dringlichkeit. Das Flächenziel von mindestens zwei Prozent hat nun zwar eine gesetzliche Grundlage, ist jedoch in der Erreichung auf die nächste Legislaturperiode vertagt. Dabei hat der BWE in seiner aktuellen Studie zu Flächenpotenzialen deutlich gemacht, dass es in allen Bundesländern verfügbare Flächen gibt. Sogar für die Situation in den Stadtstaaten liegt ein gangbarer Lösungsvorschlag (PDF) vor. Auch das deutliche Nord-Süd-Gefälle besteht weiterhin“, so Hermann Albers, Präsident des Branchenverbands BWE.

„Der politische Wille ist da, die Ausbauziele wurden angepasst, aber es hakt weiterhin an den für den Zubau so wichtigen richtigen Rahmenbedingungen und deren konsequenter Anwendung. Wir erwarten dringend weitere Gesetzesvorlagen zur Verstärkung und Beschleunigung für mehr Flächen und Genehmigungen. Die europäischen Hersteller von Windenergieanlagen und ihre Zulieferer stehen durch Kostensteigerungen und unzureichende Marktdynamik unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Bei zu geringem Marktvolumen besteht die Gefahr des Verlusts von Know-how, Wertschöpfung und Beschäftigung. Dies wiederum gefährdet die Energiesouveränität Deutschlands und Europas – ein Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt eine neue Dringlichkeit bekommen hat. Der Zubau der Windenergie kann nicht mehr warten - dafür müssen alle Hürden schnellstmöglich aus dem Weg geräumt und eine langfristige industriepolitische Strategie für die europäische Windindustrie geschaffen werden. Ansätze dafür haben wir seitens der Hersteller und Zulieferer kürzlich in einem Positionspapier zur Wertschöpfung in der Windindustrie veröffentlicht“, sagt Dr. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer von VDMA Power Systems.

Lösungsansätze

Beim zwei-Prozent-Flächenziel ist der Gesetzgeber deutlich hinter den gestalterischen Möglichkeiten zurückgeblieben. Die Erreichung des Ziels muss vor dem Jahr 2032 festgelegt werden, schnellstmögliche Flächenverfügbarkeit ist erforderlich. Hier bleibt das Flächenbedarfsgesetz hinter seinen Anforderungen zurück. Wie die noch immer bestehenden Konflikte bei Arten- und Naturschutz aufgelöst werden können, haben BWE und VDMA gemeinsam mit den Verbänden BEE, BDEW, BNE und VKU in einem Branchenappell (PDF) dargelegt. Auch hier sind zwar noch Ansätze wie etwa beim Repowering eingeflossen, eine Entfesslung bedarf jedoch weiterer Änderungen. Die Genehmigungen der Projekte müssen dringend vereinfacht werden. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigten Erleichterungen für das Repowering älterer durch moderne Anlagen gilt es schnellstmöglich durch weitere Maßnahmen umzusetzen. Zur Realisierung der Ziele müssen sich Verfahren nicht nur für die Planung der Projekte verschnellern, auch Schwerlasttransportgenehmigungen müssen in Deutschland massiv beschleunigt werden. Ohne eine Verbesserung der Transportinfrastruktur und schnellere Schwerlasttransportgenehmigungen sind Lieferketten und Ausbauziele gefährdet. Zu Transportgenehmigungen hat der VDMA bereits Vorschläge (PDF) unterbreitet. Mit belastbaren und planbaren Rahmenbedingungen lassen sich die für den Ausbau notwendigen Kapazitäten in der gesamten Wertschöpfungskette schaffen.

Ausblick

Derzeit befinden sich noch Windenergieprojekte mit einer Gesamtleistung von rund 10.000 Megawatt im Genehmigungsverfahren, rund 2.250 MW daraus aus dem ersten Halbjahr 2022. Dies stellt das Potenzial für die hohen Ausschreibungsvolumen des kommenden Jahres dar. Zuschläge in einem Volumen von 6,6 Gigawatt (GW) warten auf die Umsetzung.

Gleichzeitig werden bis zum Jahr 2025 voraussichtlich Windenergieanlagen mit einer kumulierten Leistung von rund 15 GW aus der EEG-Förderung fallen. Repowering bietet hier die Chance, kurz- bis mittelfristig einen Zubau von bis zu 45 GW zu erreichen. Repowering kann damit als wichtige Brücke dienen, bis andere gesetzliche Regelungen aus Osterpaket und ergänzenden Gesetzen ihre Wirkung voll entfalten können. Dafür benötigt es dann aber auch deutliche Vereinfachungen – beispielsweise durch beschleunigte Genehmigungsverfahren für Repowering-Projekte.

Als Folge der politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre gingen in der Branche über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bis zum Jahr 2020 rund 50.000 Arbeitsplätze verloren. Jetzt stellen die Unternehmen wieder ein. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten können bei tatsächlicher Umsetzung der politischen Ziele dauerhaft entstehen und zu einem nachhaltigen Wertschöpfungseffekt führen.

Prognose für das Gesamtjahr 2022

Im Januar 2022 hatten die Verbände auf Basis bezuschlagter Projekte einen Ausbau der Windenergiekapazitäten an Land von 2,3 – 2,7 GW für das Jahr 2022 prognostiziert. Die aktuelle Prognose der WindGuard ergibt bei gleichbleibender durchschnittlicher Realisierungsgeschwindigkeit ein leicht angehobenes Ergebnis von 2,4 - 3 GW für 2022. In der Vergangenheit gewann der Zubau in der zweiten Jahreshälfte oftmals an Fahrt.

China und Europa führend beim prognostizierten Zubau

Gemäß dem Global Wind Energy Council (GWEC) liegt die jährliche Wachstumsrate für Onshore-Windenergie in den nächsten fünf Jahren bei 6,1 %. Die erwartete durchschnittliche jährliche Installation beträgt 93,3 GW. Insgesamt werden voraussichtlich 466 GW in den Jahren 2022-2026 errichtet. In diesem Zeitraum wird in China ein Zubau von 249 GW prognostiziert, gefolgt von Europa mit knapp 88 GW, Nordamerika mit rund 47 GW und Lateinamerika mit 27 GW.

Das vollständige Factsheet zum Download finden Sie hier.

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Frank Grüneisen
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