Isabel Pöggel im Gespräch: Was Kommunen für eine erfolgreiche Wärmewende brauchen

Foto: Isabel PöggelIsabel Pöggel, Diplom-Ingenieurin für Umwelttechnik, zertifizierte Energieberaterin und Gründerin von FörBexx, unterstützt Kommunen bei der Entwicklung von Klimaschutzkonzepten und Wärmeplänen – mit einem besonderen Fokus auf Fördermittelberatung und praxisnahe Umsetzung. Im Interview verrät sie, worauf es bei der kommunalen Wärmewende besonders ankommt: von der Aktivierung lokaler Akteure bis hin zu den größten Stolpersteinen bei der Systemumstellung.

Was brauchen kleine und strukturschwache Gemeinden, um eine erfolgreiche Wärmeplanung auf den Weg zu bringen?

Neben einer ordentlichen Bestandsanalyse sowie Aufzeigen von Potenzialen und Zielen in der klimaneutralen Wärmeversorgung, ist es wichtig, dass die Verwaltung und die lokale Politik für die Wichtigkeit des Themas sensibilisieren, informieren, zum Einbringen motivieren und im gestalterischen Prozess kontinuierlich für Rückfragen bereitstehen.

Das gelingt u.a. mit: Informationsveranstaltungen, bei denen mehrere Akteure, wie z. B. Stadtwerke (falls vorhanden), Schornsteinfeger, lokale Verbände, Betreiber von bereits vorhandenen EE-Anlagen oder Energieversorger mit dabei sind. Hier müssen vor allem die eventuell vorhandenen Bedenken und Ängste genommen werden. 

In welchen Bereichen sehen Sie den größten Unterstützungsbedarf?

Besonders bei der Priorisierung von Zielen und Maßnahmen, Fördermittelberatung für die Lösungen einer Wärmestrategie und Wirtschaftlichkeitsabschätzung. Abgesehen davon, muss man die Mentalität des „Das hat schon immer super funktioniert, ich will, dass die nächste Lösung genauso wie die alte Lösung ist!“ aufbrechen, da so notwendige Veränderungen sonst nicht umgesetzt werden können. Ein neues Konzept erfordert eine Veränderung des Systems, wobei nicht alle gewohnten Mechanismen des bisherigen Systems übernommen werden können. 

Weiterer Unterstützungsbedarf für kleinere Kommunen liegt vor allem darin, dass wir als Dienstleister viel Prozessarbeit abnehmen. Zum Beispiel sammeln wir die notwendigen Daten der Akteure ein und bereiten diese auf. Zudem zeigen wir mögliche Ankerkunden für eine klimaneutrale Wärmeversorgung auf. Somit wird die Verwaltung der Kommunen entlastet, da diese meist eh schon überlastet sind.

Wie lassen sich Bürger*innen, Unternehmen und Energieversorger frühzeitig und effektiv einbinden?

Durch die Verwendung praktischer Beispiele lässt sich veranschaulichen, wie lokales Wissen effektiv eingebracht wird und welche Folgewirkungen dies hat. Zudem können Effizienzsteigerungen im Verbrauch dazu führen, dass Mittel freigesetzt werden. Wenn Bürger ihre Ressourcen in Energiegenossenschaften bündeln, können langfristig Kosten gespart werden. Diese Einsparungen stehen dann zur Verfügung, um in andere Anschaffungen investiert zu werden. Dies zeigt, wie gemeinschaftliche Ansätze nicht nur zur Steigerung der Energieeffizienz beitragen, sondern auch finanzielle Vorteile für die Gemeinschaft schaffen können.

Welche Rolle spielen Geothermie und Solarthermie oder Biomasse in den Wärmeplänen, die Sie mitgestalten?

Biomasse hat ein großes Potenzial, da wir bereits viel Knowhow mit der Technologie und viele errichtete Anlagen in Deutschland haben, (zudem werden diese künstlich heruntergeregelt wegen Einspeisevergütungen/nicht ausgerichteter Netzinfrastruktur zur Aufnahme). 

Der Energieträger Geothermie muss noch durch Erprobung und großflächigen Einsatz in Deutschland an Attraktivität steigen. Die Solarpotenziale sehen wir zusammen mit entsprechenden Speichermedien als große Chance, hierfür ist es allerdings notwendig, die Technologien und den Netzausbau weiter voranzutreiben.

Geothermie- und Solarpotenziale werden in unseren Konzepten immer mitbedacht und anhand von GIS-Auswertungen mögliche Flächen auf dem Kommunengebiet ermittelt. 
Insbesondere Island und Norwegen zeigen uns, dass diese Energieträger die fossilfreie Energie-Sicherheit bedeutend vorantreiben können.

Sehen Sie bei bestimmten erneuerbaren Technologien besonders viel Potenzial –oder vielleicht auch viel Skepsis?

Potenzial: Insbesondere Solarenergie und Windkraft zeigen großes Potenzial, da sie bereits weit verbreitet sind und kontinuierlich an Effizienz gewinnen. Auch Geothermie hat in Regionen mit geeigneten geologischen Bedingungen vielversprechende Perspektiven, während Biomasse durch ihre Flexibilität und lokale Verfügbarkeit attraktiv ist.

Skepsis: Skepsis besteht häufig gegenüber Technologien wie der Wasserstoffnutzung, die zwar vielversprechend ist, aber noch Herausforderungen hinsichtlich der Effizienz, Speicherung und Infrastruktur hat. Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der Flächenkonkurrenz bei Solar- und Windprojekten sowie der ökologischen Auswirkungen bei der Biomassenutzung, die eine sorgfältige Abwägung erfordern. 

Aufgrund der politischen Debatten und des „Heizungshammers“ in den vergangenen zwei Jahren, ist die Wärmepumpe leider in Verruf geraten und erhält viel Skepsis.

Was müsste die Politik auf Landes- oder Bundesebene ändern, um den Kommunen die Arbeit zu erleichtern?

Eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg erneuerbarer Energien und nachhaltiger Wärmeplanung ist die Kontinuität in der Gesetzgebung und Strategie über mehrere Legislaturperioden hinweg. Oftmals führen politische Wechsel nach Bundestagswahlen zu abrupten Änderungen in den strategischen Ausrichtungen des Energiesektors, wodurch langwierige Vorplanungen und Investitionen gefährdet werden. Somit werden nämlich wieder Unsicherheiten in der Bevölkerung verursacht, die wiederrum große Skepsis in der Energie- und Wärmewende hervorrufen. Stabile und verlässliche politische Rahmenbedingungen sind jetzt unerlässlich, um Vertrauen bei Bürgern zu schaffen, um Innovationen voranzutreiben und die Umsetzung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz voranzubringen. 

Und zum Abschluss: Was ist Ihr persönlicher Wunsch an die Kommunalpolitik, um die Wärmewende vor Ort nachhaltig voranzutreiben?

Mein Wunsch an die Kommunalpolitik ist eine kontinuierliche Kommunikation und Sensibilisierung der Bürger für die Bedeutung der Wärmewende, um Akzeptanz und aktive Beteiligung zu fördern. Zudem sollte eine offenere Haltung gegenüber erneuerbaren Technologien vorherrschen. Die Politik müsste gezielte Förderprogramme und Anreize schaffen, um Investitionen in diese Technologien zu unterstützen und den Bürgern den Zugang zu nachhaltigen Heizlösungen zu erleichtern. 

Es wäre zudem wichtig, sich an gelungenen EE-Vorzeigeprojekten zu orientieren und diese als Vorbild zu nehmen. Hier wären, z. B. Feldheim in Brandenburg oder wenn man über die Grenzen, nach Norwegen hinweg schaut, zu nennen.

Ich wünsche mir generell einen positiveren und aufgeschlosseneren Umgang mit dem Thema Wärmewende.