Von Menschen und Windrädern

Die Windenergie hat Probleme und bremst die Energiewende. Nicht etwa, weil sie negative Auswirkungen auf Mensch und Natur hat, sondern weil der Ausbau zu langsam vorangeht. Um dies zu ändern, bedarf es einer besseren Kommunikation untereinander: zwischen Politik, Wirtschaft und der Gesellschaft.

Die Energiewende ist eine große Erfolgsgeschichte, vor allem im Strombereich. Die Windenergie als einer der bisherigen Garanten für die dynamisch wachsende Stromerzeugung, wird dabei aber zunehmend zum Problem, denn der Ausbau geht nicht schnell genug. Dabei weist diese Technologie die größten Potenziale für eine klimafreundliche Energieerzeugung in Deutschland auf: Alle Studien zur Zukunft unserer Energieversorgung sehen Windenergie-Anteile von 60 bis 70 Prozent voraus. Aktuell liegt der Anteil an der Stromerzeugung bei rund 17 Prozent, weshalb für das Erreichen der Energie- und Klimaziele ein weiterer deutlicher Ausbau der Windenergie nötig wäre. Sie könnte also eher Problemlöser sein – doch stattdessen scheint sich die ganze Debatte um das Für und Wider hinsichtlich Erneuerbarer Energien genau um diese zu drehen. Deshalb bleibt für einen wirklich ambitionierten Ausbau der Windenergie zur Erreichung der Klimaziele sowohl für die Politik als auch für die Branche noch viel zu tun und zwar zusammen mit den Bürger*innen, wie sich im Folgenden zeigt.

Pressefahrt_zum_Windpark_3_72dpiSchon 2018 war der Ausbau gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. So wurden lediglich 2,4 Gigawatt (GW) neue Leistung installiert und damit weniger als die Hälfte dessen, was 2017 noch erreicht worden ist. Das heißt, schon jetzt wurde der von der Bundesregierung laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) angestrebte Wert von 2,5 Gigawatt jährlich unterschritten. Den größten Rückgang in den Bundesländern gab es in Bayern und Sachsen-Anhalt: Nach Leistungszubauten im mittleren dreistelligen Megawatt-Bereich im Jahr 2017 konnten 2018 nurmehr niedrige zweistellige Werte erreicht werden. Der Zubau schrumpfte auf weniger als ein Zehntel des Vorjahreswertes

Noch drastischer zeigt sich das in diesem Jahr. Den Auswertungen der Arbeitsgruppe Erneuerbare-Energien-Statistik zufolge sind im gesamten ersten Quartal Windenergieanlagen mit einer Leistung von gerade einmal 148 Megawatt neu in Betrieb gegangen. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, würde das für 2019 gerade einmal einen Zubau von 600 Megawatt neuen Windenergieanlagen bedeuten – also nicht einmal ein Viertel des im EEG festgeschriebenen Ziels. Dies ist kein neues Problem. Auch in den Ausschreibungen, über die Förderung der Windenergieanlagen seit 2017 organisiert wird und in denen sich geplante Windenergieprojekte bewerben können, sind die Bewerbungsrunden mittlerweile deutlich unterzeichnet. Und so ist für die kommenden Monate nicht mit einer schnellen Erhöhung des Ausbautempos zu rechnen. Dabei sind die bislang festgeschriebenen Ziele des Zubaus sogar noch eher moderat, wie eine aktuelle Studie des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) zeigt: Wenn in 2030 wirklich der von der Bundesregierung angestrebte Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch erreicht werden soll, bräuchte es demnach sogar jährlich neue Windenergie-Anlagen im Umfang von 4,7 Gigawatt – netto versteht sich. Schließlich sind dabei noch nicht die in den kommenden Jahren aufgrund des Auslaufens der zwanzigjährigen EEG-Förderung aus dem Markt ausscheidenden Windenergieanlagen berücksichtigt. 

Ein wichtiger Grund für den stockenden Ausbau ist auf die Ausgestaltung des Fördersystems und des Genehmigungsprozesses zurückzuführen. So wurden beim Start des Ausschreibungssystems zunächst auch Projekte zugelassen, die noch keine Genehmigung hatten. Diese eigentlich als Ausnahme für Bürgerenergiegesellschaften gedachte Regelung führte dazu, dass sich fast nur Projekte ohne Genehmigung in den Ausschreibungen durchsetzten. Diese sind aber bis heute meist nicht gebaut und werden wohl auch überwiegend nie gebaut werden – was erheblich auf die Ausbauzahlen drückt. Auch die Deckelung der Ausschreibungen auf eine Höhe von 2,5 Gigawatt sorgte für Verunsicherung, da in den Jahren 2013 bis 2017 immer Ausbauzahlen von drei bis fünf Gigawatt erreicht worden sind und so eigentlich eine Begrenzung des Windenergieausbaus politisch ausgegeben wurde. Zwar sind inzwischen Sonderausschreibungen auf den Weg gebracht worden, die die Mengen wieder erhöhen sollen. Dieses Hin und Her und die damit verbundene Verunsicherung lastet jedoch schwer auf der Branche. 

Darüber hinaus hat beispielsweise Bayern mit seiner 10H-Regelung die Flächen für neue Windenergieanlagen enorm eingeschränkt. Nordrhein-Westfalen versucht sich ebenfalls an einer landeseigenen Abstandsregelung, was auch dort die Entwicklung der Windenergie enorm beschneiden würde. Selbst auf Bundesebene wurde in der sogenannten AG Akzeptanz der Großen Koalition von Unionsseite immer wieder eine feste Abstandsregelung ins Spiel gebracht. Das und der etwa vom Umweltbundesamt verdeutlichten deutlichen Flächenverringerung brachte der Branche eine weitere Verunsicherung. Zudem hat eine Untersuchung des Institute For Advanced Sustainability Studies e. V. (IASS) erst kürzlich gezeigt, dass der Abstand der Windenergieanlagen zur Wohnbebauung nur von untergeordneter Bedeutung hinsichtlich der Akzeptanz ist. Relevantere Faktoren seien die Konzentration von Windenergieanlagen im nahen Wohnumfeld und die Sichtachsen zu den Windparks – dies seien aber Punkte, die nur im lokalen Genehmigungsverfahren und nicht über pauschale Regelungen berücksichtigt werden können. 

Und selbst wenn es Flächen für neue Projekte gibt, ziehen sich Genehmigungen aktuell sehr lang hin – hier braucht es laut Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) einerseits deutliche Signale Richtung Klimaschutz auf allen politischen Ebenen, um der Windenergie eine klare Perspektive zu geben. Andererseits müssten Genehmigungsverfahren gestrafft und auch Klageverfahren, die oft nach der Genehmigung von Projekten für zusätzliche Verzögerungen sorgen, zügig entschieden werden. 

Der Dreh- und Angelpunkt der zuvor angeführten Fehlentwicklung – sei es in Form vonWindpark und Photovoltaik Verzögerungen, Ausbaustopp, Flächennot ist letztlich die Kommunikation mit den Bürger*innen. Zwar sprechen sich 93 Prozent dieser für den Ausbau Erneuerbarer Energien aus und auch der Ausgang der Wahl des EU-Parlaments hat gezeigt, wie stark das Thema Klimawandel mittlerweile in der Bevölkerung verankert ist. Die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit ist groß, die deutschen Bürger*innen sind stark sensibilisiert für die Herausforderungen, die sich im Öffentlichen wie im Privaten stellen. An der Notwendigkeit des Ausbaus Erneuerbarer Energien für den Klimaschutz, die energetische Unabhängigkeit Deutschlands und die wirtschaftliche Entwicklung zweifeln nur wenige. 
Aber viele Menschen in Deutschland fühlen sich oft nicht ausreichend einbezogen. Das politische Interesse der Bürger*innen ist groß, das ehrenamtliche Engagement für die Gemeinschaft ist atemberaubend – doch in viele Prozesse werden sie meist gefühlt nicht rechtzeitig und ausreichend einbezogen. Ähnlich wie bei der Debatte um ein Tempolimit auf deutschen Straßen wird der Bevölkerung nicht selten einfach zu wenig zugetraut. 

Der Ausbau beispielsweise der Windenergieanlagen ist wichtig und richtig für die Zukunft des Landes, doch das muss auch auf Augenhöhe kommuniziert werden. Ein ehrlicher Dialog über die Chancen einer regionalen Wertschöpfung mit den Bürger*innen und die Möglichkeit der Projektbeteiligung vor Ort sollten von Anfang an eine tragende Rolle beim Ausbau spielen. Das ist auch der Ansatz vieler Projekte innerhalb der Agentur für Erneuerbare Energien. Wir sagen und zeigen: Die Energiewende ist Energieupgrade, Umweltschutz und mehr Wert für alle. Der Zugang zu Information, die Lust am Austausch mit den Bürger*innen und die gemeinsame Suche nach den besten Lösungen für die Gemeinschaft vor Ort und den beteiligten Unternehmen – das ist für uns das Rückenmark einer funktionierenden Energiewende. Und darin sehen wir unsere Aufgabe. 

Abstandsregeln, Förderungen, Klagen und Flächennot hängen direkt und indirekt miteinander zusammen und sie haben ihren Ursprung im Umgang mit der Bevölkerung. Und genau hier findet sich wiederum der entscheidende Teil der Lösungsansätze für die Schwierigkeiten in der Windbranche. Bürger*innen, die in Prozesse noch stärker einbezogen werden und die um die Bedeutung der Branche für ihre Welt wissen, klagen nicht dagegen, brauchen keine größeren Abstände zu Anlagen und wären auch bereit für die Energiewende etwas mehr zu bezahlen.