Energie-Kommune des Monats: Hilden

Hilden von oben (Foto: Stadt Hilden)November 2021

Deutschlandweit nehmen Trockenheit, Starkregen und andere Extremwetterereignisse von Jahr zu Jahr zu. Eine Entwicklung, die auch im nordrhein-westfälischen Hilden mit Sorge zur Kenntnis genommen wurde, weswegen der Rat der Stadt 2019 den Klimanotstand in der 55 tausend Einwohner*innenstadt ausgerufen hat. Die Stadt hat zahlreiche Projekte zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und zur Förderung einer erneuerbaren Verkehrsinfrastruktur umgesetzt oder auf den Weg gebracht. Mit der Einstellung einer Klimaschutzmanager*in im Dezember wird dieses Vorhaben weiter gefestigt. Neben der Stadtverwaltung sind aber auch die Hildener*innen nicht untätig. So macht eine lokale Bäckereikette schon seit Jahrzehnten vor, wie eine Transformation hin zum nachhaltigen Unternehmen gelingen kann. Inzwischen ist "Ihr Bäcker Schüren" mit Sitz in Hilden zu über 95 Prozent CO2-neutral.

Hilden auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt

Der Weg zur klimaneutralen Stadt bleibt steinig und gerade die Umsetzung auf kommunaler Ebene ist oftmals mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Wichtige Voraussetzung ist deswegen ein entschlossenes Handeln der Verwaltung und der politischen Entscheidungsträger*innen. „Für Rat und Verwaltung ist die Aufgabe Umwelt- und Klimaschutz eine sehr wesentliche, damit wir auch in Zukunft gerne und gut in unserer Stadt Hilden leben. Mit dem Ausrufen des Klimanotstandes hat der Stadtrat beschlossen, dass die Stadt Hilden mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dazu beiträgt, die Erderwärmung gemäß des Pariser Klimaabkommens auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, erklärt Dr. Claus Pommer, Bürgermeister der Stadt. Die Stadtwerke Hilden GmbH, Tochterunternehmen der Stadt, arbeitet an der eigenen Klimaschutzstrategie zur Senkung der CO2-Emissionen zum Erreichen der Klimaneutralität. Wichtig für diese Entwicklung ist aber auch, dass Private bei der Transformation mit einbezogen werden. Die Stadt tritt dafür in einen notwendigen Dialog mit ihren Bürger*innen. Diese können sich zum Beispiel durch die Verbraucherzentrale, welche regelmäßig die Stadt besucht, beraten lassen und so Energiehaushalt optimieren. Weitere Maßnahmen im Rahmen der Klimaanpassung zielen auf den Schutz der Bürger*innen ab. Das Stadtgebiet wird von Bächen durchzogen und befindet sich im Einzugsgebiet der Itter, weswegen gerade der Hochwasserschutz in der Kommune eine wichtige Rolle spielt. Zum Schutz der Bürger*innen wurden deswegen im Oktober dieses Jahrs ein kommunales Handlungskonzept zum Starkregenrisikomanagement dem Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Langfristig wird durch Vergrößerung der Sickerflächen und die Verringerung der Bodenversiegelung die Hochwassergefahr vermindert werden.

Um in Zukunft Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen noch gezielter koordinieren zu können, wird die Stadtverwaltung ab dem 1. Dezember von einer Klimaschutzmanagerin unterstützt. Diese soll die Kommunikation zwischen der Verwaltung sowie mit privaten Akteur*innen verbessern und neue Projekte gemeinsam entwickeln. Zusätzlich wird das Monitoring von Maßnahmen verbessert werden. Unterstützt wird die Klimaschutzmanagerin vom städtischen Team „Klimamanagement“. Dieses setzt sich aus Mitarbeiter*innen der Stadt aus den Bereichen Stadtplanung, Grünflächen und Forst und dem städtischen Abfallberater zusammen. Zukünftig soll so das Team Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren und zum Klimaschutz in allen relevanten Bereichen entwickeln.

Hilden baut die Erneuerbaren aus – Ihr Bäcker Schüren geht einen innovativen WegPV-Anlage auf der Schlosserei der Stadtwerke Hilden (Foto: Stadtwerke Hilden)

Klimaschutz findet in Hilden aber nicht erst morgen statt, schon jetzt setzt die Stadt Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes um. Sämtliche öffentliche Gebäude - auch die städtischen Schulen - werden von den Stadtwerke Hilden GmbH ausschließlich mit Öko-Strom, das heißt mit Strom aus regenerativen Quellen, versorgt. Auch die Straßenbeleuchtung wird ausschließlich mit Öko-Strom betrieben. Außerdem ist die Straßenbeleuchtung bereits an vielen Stellen in Hilden auf stromsparende LED-Leuchtkörper umgestellt worden, der gesamte Austausch ist gegenwärtig in Bearbeitung. Inzwischen werden auf Neubauten einer städtischen Grundschule sowie dem Funktionsgebäude des Sportplatzes Weidenweg sowie auf Gebäuden der Stadtwerke Hilden – zum Beispiel der Schlosserei der Stadtwerke - Photovoltaikdachanlagen (PV-Dachanlagen) installiert. Um den privaten Ausbau weiter zu steigern, bietet der Energieversorger Interessierten an, eine PV-Dachanlage zur Eigenstromversorgung zu installieren. Damit stärken die Stadtwerke den lokalen Ausbau von Ökostrom weiter. Ein konsequenter Schritt, nachdem der Energieversorger Privat- und Kleingewerbekunden bereits seit 2013 mit Ökostrom versorgt.

Solaranlage auf dem Dach des Carports der Backstube (Foto: Ihr Bäcker Schüren)Dass der Ausbau der Erneuerbaren aber nicht notwendigerweise durch die Stadt angestoßen werden muss, zeigt eindrucksvoll die Bäckerei Schüren. Dort wurde bereits 2011 eine PV-Dachanlage auf der Backstube in Hilden installiert. Diese wurde 2013 um eine 400 Quadratmetergroße große Anlage auf dem Carport des Betriebsgeländes ergänzt. Die PV-Anlagen sind aber nur ein Teil eines ausgeklügelten Energiekonzeptes, welches den CO2-Ausstoß des Betriebs insgesamt um 90 Prozent reduziert sowie dessen Energieverbrauch halbiert. Grundlage des Energiekonzeptes sind drei Säulen, durch deren Kopplung Einsparungen in diesem Maße erst ermöglicht werden. Mittels Nutzung von Bioenergie und in Zusammenarbeit mit einem Ofenhersteller werden seit 2009 ausschließlich klimaneutrale Holzpellets zu Bereitstellung von Wärme genutzt. Diese „heiße Säule“ wird durch die „kalte Säule“ ergänzt. Durch die Installation von zehn Sonden in 99 Meter Tiefe kann die Backstube im Sommer die Kühlräume nachhaltig betreiben. Im Winter wird dafür ein Wasserkreislauf, der 20 Zentimeter unter dem Kundenparkplatz installiert wurde, verwendet. Beide Anlagen schaffen es, bei einem Energieverbrauch von lediglich 15-20 Prozent konventioneller Energie ganzjährig ausreichend Kühlung für die Backstube bereitzustellen. Ein schöner Nebeneffekt: Durch die im Winter produzierte Abwärme des Wasserkreislaufes im Kundenparkplatz gehört nun auch das Schneeschippen der Vergangenheit an.

Durch Vernetzung einzelner Sektoren können außerdem zusätzliche Synergieeffekte genutzt werden. So ermöglicht die Wärmerückgewinnung die Deckung des gesamten Heiz- und Warmwasserbedarfes der Backstube, der Verwaltung sowie des Backstubenladens. Außerdem werden große Verbraucher – wie zum Beispiel die gewerbliche Spülmaschine – mit Energie und Wärme versorgt. Abgerundet werden beide Säulen durch die Erzeugung von Solarstrom vor Ort. Die Backstube der Bäckerei konnte so zu einem Plusenergiegebäude transformiert werden. Eine Seltenheit für gewerblich genutzte Gebäude. Allein durch die Installation der PV-Dachanlage auf dem Carport wurde die Gesamtleistung von 29 auf 185 Kilowatt Peak gesteigert. Diese Leistung befähigt das Unternehmen auch, seine Nutzfahrzeugflotte schrittweise zu elektrifizieren. Bereits jetzt verfügt die Flotte über 18 Elektrofahrzeuge. Die Bäckerei agiert aktuell aufgrund der Vielzahl dieser Maßnahmen zu 95% bereits aus eigener Kraft CO2 neutral. Die übrigen Prozent resultieren aus dem Ausstoß der noch eingesetzten Erdgasfahrzeuge und werden über Ausgleichsmaßnahmen in Klimaschutz fördernden Projekten neutralisiert. Langfristig soll das System durch weitere Sektorenkopplung noch effizienter werden. Es wird im Moment geprüft, inwieweit die Elektrofahrzeuge als mobile Speicher fungieren und den produzierten Sonnenstrom tagsüber speichern und nachts an die Frühschicht in der Backstube wieder abgeben können.

2022 soll Deutschland größter Schnellladepark am Autobahnkreuz Hilden ans Netz gehen

Neue Elektrofahrzeuge der Stadtwerke Hilden (Foto: Stadtwerke Hilden)Nicht nur auf dem Gelände der Backstube investiert "Ihr Bäcker Schüren" in eine nachhaltige Zukunft. Gemeinsam mit zwei Partnern setzt er am Autobahnkreuz Hilden bis 2022 Deutschlands größten Schnellladepark um. Auf 12.000 Quadratmetern entstehen Lademöglichkeiten für 114 Fahrzeuge. 62 davon sind Schnellladeplätze mit bis zu 300 Kilowattstunden Ladeleistung. Weiterhin betreiben die Stadtwerke Hilden GmbH über das ganze ca. 25 km²-große Stadtgebiet verteilt 30 öffentliche Ladesäulen, darunter eine Schnellladesäule mit insgesamt 60 Ladepunkten. Ergänzend dazu erarbeitet die Stadt seit März 2021 ein neues Verkehrskonzept, welches die Verkehrswende in vier Arbeitsschritten voranbringen soll. Derzeit befindet sich die Erstellung des Mobilitätskonzepts in der ersten Arbeitsphase. Im Moment wird die Bestandssituation aufgearbeitet. Vorhandene Konzepte werden überdacht und das allgemeine Verkehrsaufkommen wird analysiert. Flankierend dazu werden die Bürger*innen befragt. Die im April bis Juni durchgeführten Umfragen wurden bereits umfangreich von den Hildener*innen genutzt, sodass bereits Ende Oktober erste Ergebnisse der Bestandsanalyse im Stadtrat vorgestellt werden konnten. Im nächsten Schritt soll auf Grundlage der gesammelten Erkenntnisse ein Leitbild für die zukünftige Verkehrspolitik der Stadt erstellt werden. Dieses wird anschließend in Maßnahmenpakete zerlegt, deren Umsetzung im Rahmen der vierten Phase überwacht werden soll. Das Ziel ist, die Verkehrswende in Hilden voranzubringen und für die Bürger*innen attraktiv und nachfragegerecht zu gestalten. Zusätzlich dazu tätigt die Stadt aber auch schon heute wichtige Investitionen in die Fahrzeugflotte der Stadtverwaltung und Stadtwerke. „Diese wird dort, wo es geht, auf möglichst emissionsarme und alternative Antriebsarten umgestellt. Schon viele der städtischen kleineren Fahrzeuge sind Elektrofahrzeuge. Zurzeit beschaffen wir für die städtische Schreinerei sowie für das Ordnungsamt ein neues Elektrofahrzeug“, bekräftigt Dr. Claus Pommer den Anspruch der Stadt, nachhaltige Veränderungen im Verkehrssektor umzusetzen.