Energie-Kommune des Monats: Markt Pfeffenhausen

Die Nähe zum Atommeiler Isar II bringt die Kommunalverwaltung nicht von Investitionen in die Erneuerbaren ab (Foto: Markt Pfeffenhausen).Juli 2022

Die Marktgemeinde Pfeffenhausen liegt mit ihren 5.000 Einwohner*innen im Mobilitätscluster München-Regensburg-Ingolstadt im niederbayerischen Kreis Landshut. Obwohl in unmittelbarer Nähe zum Kernkraftwerk Isar II gelegen, treibt die ambitionierte Kommunalpolitik - und -verwaltung in Kooperation mit vielen Partner*innen die Energiewende voran – wohl wissend, dass das Abschalten von Isar II im Dezember 2022 eine Lücke in die Stromproduktion reißen wird. Es existieren weder Klimaschutzplan noch Klimaschutzmanager*in. Stattdessen engagieren sich Kommunalpolitik und -verwaltung vor allem gemeinsam mit Land- und Energiewirt*innen sowie regionalen Bürger*innen-Energiegenossenschaften und sorgen konzertiert für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. „Weniger Theorie, weniger Papier und dafür eine Portion mehr Tun“, beschreibt der Bürgermeister Florian Hölzl den Umgang der Pfeffenhausener mit Erneuerbaren Energien.Insgesamt produzieren vier PV-Freiflächenanlagen in der Kommune 25 Megawatt erneuerbaren Strom (Foto: Markt Pfeffenhausen).

Sonnenenergie und Biogas als Basis für die regionale Energiewende

Der Grundstein für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Markt Pfeffenhausen, vor allem der Sonnenenergie, wurde über die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gelegt. Viele Landwirt*innen entschieden sich dafür, die ausladenden Dächer von Scheunen und Wirtschaftsgebäuden mit PV-Modulen zu bestücken. Weitere Dynamik in den Ausbau brachte die Teilnahme an der Solarbundesliga, angestoßen von einer engagierten Marktgemeinderätin. Sie motivierte Gebäudeeigentümer*innen, Dachflächen nicht ungenutzt zu lassen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien bedeutet für viele Landwirt*innen und Gebäudeeigentümer*innen zudem eine zusätzliche Einnahmequelle. So tragen die Erneuerbaren wesentlich zur örtlichen Wertschöpfung bei und sind für viele Familien zu einem weiteren finanziellen Standbein geworden. Davon profitiert natürlich auch die Gemeinde. Bedenkt man, dass im ländlichen Raum die Eigentümer*innenquote traditionell relativ hoch ist, sind diese Erlöse in der Ortsbevölkerung breit gestreut und konzentrieren sich nicht bei anonymen Investor*innengruppen.

Teil des Erfolgsrezepts ist aber auch die anhaltende Grundhaltung des Marktgemeinderats, sich der Sachpolitik zu verschreiben und Bauleitplanungen für Energiegewinnungsanlagen von Biogas über Sonne bis Wind proaktiv voranzutreiben – stets im Einklang mit den Ortsentwicklungszielen. Und das Ergebnis lässt sich sehen. Der Ort hat bereits 25 Megawatt installierte Leistung über vier PV-Freiflächenanlagen sowie 23 Megawatt aus Biogas und eine Windenergieanlage mit 4,7 Megawatt. Ein Nahwärmenetz ist in Planung. Hinzu kommt noch der Strom, der auf gewerblichen, privaten und kommunalen Dächern gewonnen wird.

Durch das Wasserstoffzentrum wird abgeriegelter Strom zur Produktion von Wasserstoff genutzt (Foto: Markt Pfeffenhausen).Engagement für Erneuerbare zahlt sich aus!

Dass die Gemeinde schon in der Vergangenheit unter Beweis gestellt hat, was es heißt, im ländlichen Raum nicht nur von der Bedeutung der Energiewende zu reden, sondern auch ganz konkret danach zu handeln, wurde unlängst belohnt: Denn Pfeffenhausen hat 2021 neben Chemnitz, Duisburg und einem norddeutschen Konsortium den Zuschlag für ein nationales Wasserstoffzentrum (WTAZ) erhalten. Damit ist eine Förderung von 72,5 Millionen Euro vom Bund und weiteren 30 Millionen Euro vom Freistaat Bayern verbunden. „Sehr wichtig für den Erfolg der Bewerbung“, so Bürgermeister Florian Hölzl, „war die zwischenzeitlich abgeschlossene Bauleitplanung für eine 14 Megawatt starke PV-Freiflächenanlage der Bürgerenergie Niederbayern eG“. Sie soll auf dem Terrain des Wasserzweckverbands Rottenburger Gruppe als Grundlastträger des Grünen Elektrolyseurs der Hy2B Wasserstoff GmbH fungieren. Mit dem netzdienlichen Betrieb des Elektrolyseurs, also der Koppelung von Stromgewinnung und Wasserstofferzeugung, erhofft sich der Ort, noch mehr Erneuerbaren den Weg in das Stromverteilnetz zu ebnen. Statt bei hohem Windaufkommen die Anlagen abzuregeln, soll der Elektrolyseur das zeitlich und regional begrenzte Stromüberangebot in grünen Wasserstoff umwandeln. Die Pufferfunktion der kleinteiligen Elektrolyseure würde auch das Verteilnetz entlasten, das in Sachen Ausbau nicht mit dem Tempo der Erneuerbaren mithalten konnte. Ein erster Bebauungsplan mit dem Titel „Sondergebiet Elektrolyseur“ für die Wasserstofferzeugungsanlage ist erfolgreich aufgestellt. Die Anlage soll bereits 2023 in Betrieb gehen. Ein weiterer Bebauungsplan, der das Technologiezentrum und die Gewerbespange für Start-ups und branchenzugehörige Unternehmen vorsieht, befindet sich in Aufstellung; parallel wird an der Erschließungsplanung gearbeitet. Gemeinsam mit dem Kreis Landshut soll eine Kommunalgesellschaft gegründet werden. Um die kommunalen Mitwirkungsmöglichkeiten dauerhaft zu sichern, soll sie Eigentümer der Campusflächen – rund 6,7 Hektar – werden, um sie dann später im Erbbaurechtsweg an eine Betriebsgesellschaft weiter zu verpachten.

Viel Zeit und Energie für Bürger*innendialog

Neben dem fortwährenden Austausch mit Konsortialpartner*innen, Behörden, Verbänden und Fördermittelgeber*innen wendet die Gemeinde viel Zeit und Energie für den Bürger*innendialog auf. „Denn nur im Einklang mit der Bevölkerung unserer Gemeinde und darüber hinaus können wir das Vorhaben zum Erfolg führen“, meint der Bürgermeister. Trotz der hohen Geschwindigkeit bei der Realisierung des Projekts legen die Verantwortlichen hohe Qualitätsstandards an.

Die Bedeutung des Wasserstoffzentrums weist weit über Pfeffenhausen hinaus: Für die Transformation der Energieversorgung im Kerngebiet der Mobilitätsindustrie soll es einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die von der Automobilwirtschaft geprägte Region für die Zukunft zu rüsten. Konkret soll es vor allem mittelständische Betriebe bei der Entwicklung von Wasserstoffkomponenten unterstützen. Das beginnt bei der Erstberatung und erstreckt sich über die Testung und Zertifizierung von Komponenten bis hin zum Übergang in die serielle Produktion. Wer zum Beispiel ein Ventil für einen Wasserstofftank entwickeln und produzieren will, selbst aber hausintern nicht die entsprechenden Laboratorien sowie das Fachwissen besitzt, soll sich an das Zentrum mit seinen zentralen Einrichtungen wenden können, weil er hier durchgehende und systematische Begleitung erfährt. Zusammengefasst kann gesagt werden: Das Wasserstoff Anwender*innen-Technologie-Zentrum soll seinen Beitrag dazu leisten, dass die Region auch nach dem Ende des Verbrenners nichts an ihrer Zukunftsfähigkeit und Prosperität einbüßt.

Aber auch jenseits dieses ambitionierten Projekts sind die Pfeffenhausener*innen in Sachen Energiewende gut aufgestellt: In den Dörfern um den Markt herum – insgesamt verteilen sich auf 72 Quadratkilometern Fläche 58 Einöden, Weiler und Dörfer – entstanden mit dem Bau und dem Betrieb von Biogasanlagen mehrere Nahwärmenetze. Aber auch der Hauptort beschäftigt sich in Zusammenarbeit mit dem niederbayerischen Energieeffizienznetzwerk und der Hochschule Landshut mit den Möglichkeiten, ein Nahwärmenetz zu realisieren. „Wir machen das, weil wir uns dessen bewusst sind, auch im Wärmebereich die Abhängigkeiten von den Fossilen Schritt für Schritt lösen zu müssen“, erklärt Bürgermeister Hölzl. Im Verkehrsbereich entsteht im Landkreis Landshut gerade ein neuer Nahverkehrsplan. Hier sollen die Themen On-Demand-Verkehr, also Mobilität auf Abruf, und Rufbussysteme künftig prominenter besetzt werden als in der Vergangenheit. Im Ort selbst wird vor allem durch den konsequenten Ausbau von Radwegen das Fahrrad im Alltagsverkehr eine größere Rolle spielen. Gleichzeitig soll der Kernort mit seinen aufgelassenen Brauerei-Liegenschaften gestärkt werden - um für kurze Wege zu sorgen und damit das Leben in Markt Pfeffenhausen noch nachhaltiger zu gestalten.