"Wir setzen darauf, die Frauen, die direkt vor Ort mit unseren Anlagen zu tun haben, am Erfolg teilhaben zu lassen"

Frau Ball, Frau Korhammer, sie sind Mitglieder von Windfang eG, der FrauenEnergieGemeinschaft. Im AEE-Podcast sprach Frau Ball bereits Anfang Juni über die Entstehungsgeschichte der Genossenschaft. Wann wurde sie gegründet und wieso ist es wichtig, dass es eine Genossenschaft mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern ist?

Melanie Ball: Warum ist es wichtig, so würde ich es nicht formulieren: Wir wollten halt auch mal etwas eigenes haben und zeigen, dass wir selber Windenergie und Genossenschaft können. Unsere Erfahrung aus den Politgruppen Ende der 80er war, dass immer die Männer die interessantesten Posten übernahmen, darauf hatten wir keine Lust mehr.

Windfang_Melanie_Ball_72dpiWir glauben außerdem, dass wir Frauen einen ganz eigenen Ansatz haben, weil wir unsere weiblichen Stärken einbringen: Bei uns geht es ganz viel um Kooperation, um Gemeinschaft, um Win-Win-Situationen – ohne die hervorragende Fähigkeit unserer Genossinnen zu netzwerken wären wir sicher nicht da, wo wir heute stehen. Gegründet wurde die Windfang eG 1992.

Heute sind über 300 Frauen teil der Genossenschaft, aus welchen Branchen kommen die Frauen und was inspirierte sie zu dem Interesse an den Erneuerbaren Energien sowie dem Engagement in der Genossenschaft?

Melanie Ball: Wir erheben keine Daten zur Berufstätigkeit, aber anhand des Aufsichtsrates kann ich mal beispielhaft aufzeigen, wie wir unterschiedliche Kompetenzen in die Genossenschaft einbringen: Da gibt es mehrere Ingenieurinnen, klar, die in verschiedenen Bereichen tätig sind – ob Umweltbehörde, Straßenbau, Bahnnetze – aber auch eine Meeresbiologin, eine Pädagogin, eine Bänkerin; ich selbst arbeite im kampagnenpolitischen Umfeld. Ich würde sagen, das Interesse und Engagement für Erneuerbare Energien war in der Regel schon vor der Mitgliedschaft vorhanden, viele von uns sind seit Jahren, ach Jahrzehnten, in politischen Bewegungen aktiv. Dann gibt es bestimmt andere, die von Freundinnen oder der Familie geworben wurden und eine sichere und nachhaltige Geldanlage tätigen wollten, die aber der Genossinnenschaft vielleicht nicht ganz so nahe stehen.

Melanie Ball von Windfang eG 

Viele Erneuerbare-Energien-Anlagen fallen ab 2021 aus der EEG-Förderung. Wie betrifft das die Anlagen von Windfang? Was muss für Betreiber*innen getan werden, damit sich der Weiterbetrieb oder Nachnutzungskonzepte wirtschaftlich lohnen?

Susanne Korhammer: Natürlich betrifft dies auch Windfang. Im Jahr 2021 fallen insgesamt 4.000 MW Windkraftanlagen aus der EEG Vergütung und sind damit überwiegend wirtschaftlich nicht mehr betreibbar. Bis 2025 werden dies weitere 10.000 MW sein. Dies trifft alle Windkraftbetreiber*innen.

Winfang_Susanne_Korhammer_72dpiAber der klimapolitische Schaden liegt um ein Vielfaches höher. 8 Millionen kWh regenerativer Strom, die 2021 auf einen Schlag nicht mehr erzeugt werden, bedeutet eine Rolle rückwärts für die Energiewende, da der Strom dann überwiegend konventionell erzeugt werden muss, da kein entsprechender Nachbau an Windkraft stattfindet. Dies ist aus unserer Sicht klimapolitisch überhaupt nicht vertretbar.

Die teils fehlende Akzeptanz aus der Bevölkerung ist eine Herausforderung des Windenergieausbaus. Wie kann Ihrer Meinung nach die Akzeptanz gesteigert werden? Wie beurteilen sie den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dass die Betreiber*innen eine Abgabe an die Kommunen zahlen sollen?

Melanie Ball: Von dem Vorschlag halte ich ehrlich gesagt nicht so viel. Auch hier ist die Perspektive falsch: Das scheint, wie die allgemeine Stimmung in den Medien die letzten Jahre, davon auszugehen, dass Erneuerbare Energien eine Last sind, die man dem Volk schmackhaft machen muss, damit es sie erträgt. Das Gegenteil ist doch der Fall! Atom und Kohle sind eine Last, aber es gab glücklicherweise schon vor 30 Jahren schlaue Leute, die sich funktionierende Alternativen dazu ausgedacht haben und einige visionäre Akteure in der Politik, die mutig genug waren, diese Alternativen zu fördern. Wir brauchen uns doch jetzt nicht kleinmachen zu lassen, sondern können stolz sein auf unseren Beitrag für die Gesellschaft.


Susanne Korhammer von Windfang eG

Ich meine, die AEE hat schon vor 10 Jahren intensiv zum Thema Kommunale Wertschöpfung gearbeitet. Die Kommunen verdienen doch jetzt schon gut an den EE-Anlagen – Steuereinnahmen, Beschäftigung, Gewinne bei eigener Beteiligung an den Anlagen. Für manche Kommune hat die Investition in Erneuerbare-Energien-Anlagen einen richtigen Wachstumsschub ausgelöst.

Natürlich ist Beteiligung ein Schlüssel zu Akzeptanz, deshalb betreibt Windfang seine Mühlen ja auch in der Form einer Genossenschaft. Wir setzen darauf, die Menschen, die direkt vor Ort mit unseren Anlagen zu tun haben – vorausgesetzt es sind Frauen – auch am Erfolg teilhaben zu lassen. Und an einer Genossenschaft oder Bürgerenergiegesellschaft kann sich prinzipiell erstmal jede*r beteiligen.

Eine Windenergieanlage von Windfang wurde in Hamburg errichtet, dennoch ist die Windenergie im urbanen Raum bislang nicht weit verbreitet. Wie lassen sich die Flächenknappheit und der Energiehunger in Städten im Zuge der Energiewende besser vereinbaren?

Susanne Korhammer: Die Windfang eG betreibt vier Windkraftanlagen im Außenbereich von Hamburg. Unter Berücksichtigung der urbanen Flächenknappheit kann Windkraft immer nur einen Teil zur Energieversorgung von Städten wie z.B. Hamburg beitragen. Für Städte nimmt Photovoltaik die Schlüsselrolle zur regenerativen Stromproduktion ein. Die Hüllfläche von Gebäuden vom Dach bis zur Außenwand gen Süden stellen ideale Trägerflächen für Photovoltaikanlagen dar. Vor allem die Gewerbe- und Industriedachflächen sollten vollflächig mit Photovoltaikanlagen belegt werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert: im Land Bremen z.B. ist bei jedem Neubau und bei jeder Dachsanierung die Installation von Photovoltaikanlagen umzusetzen.

Wo möchten Sie die Erneuerbaren Energien im Jahr 2030 sehen und welche Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden?

Susanne Korhammer: Natürlich wünschen wir uns 100% regenerative Energieversorgung und einen gesunden Mix von Anlagen, die von Energieversorgern betrieben werden und Anlagen, die von Bürger*innen oder Kommunen betrieben werden.

Fotos: Windfang eG

Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.

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Agentur für Erneuerbare energien
Nicola Techel
Tel.: 030 200535 52
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