Stadt im Wandel: dezentral, partizipativ und nachhaltig

Bereits über 100 Initiativen in ganz Deutschland gehören zum Netzwerk Transition Towns, das seit mehr als zehn Jahren Kommunen inspiriert, die dezentrale Energiewende mit Bürger*innen zu gestalten und vielfältige Klimaschutzprojekte umzusetzen.

Im Nordosten Deutschlands, im brandenburgischen Eberswalde, ist das Netzwerk „Transition Towns - Stadt im Wandel“ mit gleich zwei Initiativen vertreten: Die Energie- und Kulturwendebewegung „wandelBar“ und das Projekt „Transition Thrive – Wachstumsschub für Klimaschutz von unten“. Die Initiativen betreiben unter anderem ein Repair-Café, begrünen die Innenstadt, bauen und verleihen Lastenräder. Die Lastenfahrradszene in Eberswalde wächst – auch wegen der guten Beratung für Anwohner*innen. Über ein schickes Beispiel berichtete etwa die Märkische Oderzeitung: der Inhaber einer örtlichen Bäckerei ist dank der Initiative für seinen Arbeitsweg und zusätzliche Lieferfahrten auf ein Lastenrad umgestiegen.

Ein weiterer Schwerpunkt von Transition Thrive liegt auf den Transition Streets. Hierbei wird ein nachbarschaftlicher Austausch initiiert, der dazu anregen soll, mit Mitbewohner*innen über Energiesparmöglichkeiten ins Gespräch zu kommen. Obwohl die Projektförderung durch das Bundeumweltministerium Ende August auslaufen wird, hat das Projekt sein Ziel erreicht, das Thema Klimaschutz in der Stadt zu etablieren. Die MOZ zitiert etwa Initiatorin Anja Neumann: „Wir sind mit offenen Armen empfangen worden und fanden viel kreatives Potential und Engagement vor.“

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Schon 100 Initiativen in Deutschland, 4.000 weltweit

Die Idee, Gemeinden bei dem Wandel hin zu einer ressourcenschonenden Zukunft zu begleiten, steht im Mittelpunkt der Transition-Towns. „Unter dem Motto ‚Einfach. Jetzt. Machen‘ erproben wir in lokalen Transition Initiativen, wie wir anders und besser leben können“, heißt es auf der Website der Initiator*innen. Dazu gehören Perspektiven für eine fossilfreie Energieversorgung, solidarische Landwirtschaft und Verantwortlichkeit für den Planeten. Ein Jahr nach der Gründung der ersten Transition Town im britischen Totnes etablierte sich das Netzwerk 2008 auch in Deutschland. In Berlin Kreuzberg-Friedrichshain, Bielefeld und Witzenhausen wurden bundesweit die ersten Transition-Initiativen gestartet. Die lokalen Initiativen haben sich seither auf mehr als 100 Initiativen in Deutschland vergrößert, weltweit sind es bereits etwa 4.000.

Das Transition-Netzwerk unterstützt die Initiativen der Kommunen durch eine interne Koordinierungsstelle, Arbeitsgruppen sowie durch den gleichnamigen Verein Transition Netzwerk e.V.. Durch die zehnjährige Erfahrung mit den Initiativen sind bereits zahlreiche Ansätze für Gemeinden entstanden – so listet eine Info-Broschüre unter anderem Reparatur-Cafés, Gemeinschaftsgärten, Tausch- und Leihbörsen und Nachbarschaftsprojekte für mehr Klimaschutz auf.

Wichtiges Thema der Bewegung: die dezentrale Energiewende

Besonders Energiewende-Themen haben in der Bewegung einen hohen Stellenwert, da sie durch die Beteiligung von Bürger*innen standortspezifische Themen der dezentralen Energiewende aufgreifen können. Dadurch wird ihr „eine besondere Tragweite zugesprochen“, schreibt das wissenschaftliche Fachmagazin EconStor, herausgegeben vom ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Das Magazin hebt ebenso die „breite Vielfalt an informellen und formaleren Organisationsformen, die von Transition Towns über 100-%-Erneuerbare-Energieregionen, Vereine, Bürgerinitiativen, klein- und mittelständischen Unternehmen und Kommunen bis hin zu den viel beachteten Energiegenossenschaften reichen“ hervor.

Beispielhaft dafür steht die Kreisstadt Waldkirch, im Süden Baden-Württembergs. Seit 1994 setzt sich die lokale Bürgerinitiative „Energiewende für Waldkirch“ für Klimaschutz durch einen dezentralen Ausbau von Erneuerbaren und Energieeffizienz ein. Derzeit veranstaltet die Bewegung neben einer Datenerhebung zusätzlich Workshops, um mit Bürger*innenbeteiligung ein Klimaschutzkonzept zu entwickeln. Nachhaltige Mobilität und nachhaltiges Wirtschaften sowie energieeffizientes Wohnen und Gewerbe sind Themen, die mit Expert*innen lokal diskutiert werden. Dank des Engagements der Bürgerinitiative, kann die Kreisstadt bereits eine erfolgreiche Bilanz ziehen: In Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Waldkirch sind fünf Bürgerphotovoltaikanlagen entstanden. Vier weitere PV-Anlagen werden von den Stadtwerken betrieben. Diese investieren seit 1999 auch in einen Ökofonds, mit dem die Bürger*innen, durch einen Aufschlag auf ihren Strompreis, wiederum den Ausbau von Erneuerbaren in der Region unterstützen. Neben der Nutzung von Photovoltaik und Wasserkraft, versorgt auch eine Hackschnitzelheizanlage öffentliche Einrichtungen mit erneuerbarer Wärme.

Nur in der Windenergie kann die Bürgerinitiative in Waldkirch ihre Ambitionen noch nicht erfüllen. Seit zehn Jahren setzten sich Aktivist*innen für den Ausbau der Windkraft in der Region ein. Doch die Fürsprecher*innen, unter der Leitung des lokalen Vereins zur Förderung der Windenergie, kommen seit Jahren nicht gegen zahlreiche Einwände an. Ihre Arbeit können sie nicht intensivieren, „weil der politische Rahmen die Bedingungen für das Vorwärtskommen mit unserer Arbeit nicht bietet“, sagt die Schriftführerin des Vereins, Ulrike Stützmann, in der Badischen Zeitung.

Eine weitere Initiative ist „Transition Darmstadt“, die in der hessischen Stadt bereits ein fester Bestandteil in der Umweltschutzbewegung ist. Ein Projekt der Aktivist*innen in Darmstadt ist die Wandelkarte, die vergangenen Herbst erschienen ist. Der Stadtplan weist sowohl 80 Geschäfte für nachhaltige Lebensmittel, Restaurants und Kleidung als auch Reparaturwerkstätten und Tauschbörsen aus. Laut Darmstädter Echo ist die Nachfrage hoch: „‚Die Wandelkarte soll Impulse geben – aber ohne erhobenen Zeigefinger‘, sagt Maria Tech.“ Sie hat an der Gestaltung der Karte mitgearbeitet: „Es kann ja auch Spaß machen, bewusst zu konsumieren und zu teilen.“ Im Juni wurde bereits die zweite Auflage des Stadtplans veröffentlicht. Einen Umsonst- und einen Leihladen sollen von Transition Darmstadt zukünftig selbst realisiert werden. Besonders die gegenseitige Vernetzung wird in Südhessen deutlich. So gründeten Bürger*innen 2011 eine Energiegenossenschaft: Die ersten Photovoltaikprojekte wurden bereits realisiert. Des Weiteren wurde in der Frankfurter Rundschau darauf hingewiesen, dass sich aus der Darmstädter Transition-Town-Bewegung im Juni die lokale Bürgerinitiative Klimanotstand entwickelt hat.

Das Netzwerk der Transition-Town zeigt, dass die regionale Organisation der Initiativen die Bürger*innenbeteiliung erhöht und damit gleichzeitig Anwohner*innen in dezentrale und zukunftsfähige Energielösungen involviert. In ganz Deutschland sowie über die Ländergrenze hinaus entstehen so zahlreiche Projekte, die den Wandel zu einer nachhaltigeren Gesellschaft mitgestalten.

Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.

Foto: Max Böttinger/Unsplash

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