"840 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugang zu Elektrizität"

Dabei ist „Elektrizität eine notwendige Komponente, um Menschen aus der Armut zu befreien, das Bildungsniveau zu erhöhen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu verringern und eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen“, sagt Simisola Sobowale. Sie ist als Co-Founder und Chief Operation Managerin bei Instant Energy tätig. Ein Unternehmen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Nigeria und anderen afrikanischen Ländern Erneuerbare Energie zugänglich und bezahlbar zur Verfügung zu stellen.


Frau Sobowale, Sie wechselten 2019 in der Energie-Branche, zur Rural Electrification Agency of Nigeria, die die Elektrifizierung auf dem Land koordiniert, fördert und bereitstellt. Zuvor arbeiteten Sie bei der Defense Space Administration. Warum sind Sie in den Energiesektor gewechselt?


Meine berufliche Laufbahn begann, als ich bei der Defense Space Administration (DSA) mein obligatorisches einjähriges Programm für nigerianische Absolventen beim National Youth Service Corp (NYSC) antrat. Ich habe einen Bachelor of Engeneering (Ingenieurswissenschaften) in Informations- und Kommunikationstechnik, also passte DSA gut zu mir.


Nach diesem Jahr dachte ich intensiv darüber nach, welchen beruflichen Weg ich einschlagen möchte. Meine Entscheidung fiel auf den Energie-Sektor, insbesondere die Versorgung der ländlichen Räume mit Elektrizität in direkter Wechselbeziehung zu Technologien der Erneuerbaren Energien. Bei der Rural Electrification Agency (REA) begann ich als Praktikantin und entwickelte im Laufe der Jahre eine starke Passion für den Energie-Sektor und wie dieser im Zusammenhang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN (Sustainable developmental Goals SDGs) stand.


Während meiner Zeit bei REA koordinierte und leitete ich einige Projekte und Initiativen für meine Organisation. Außerdem unterstützte ich eine Vielzahl von Erneuerbare-Energien-Entwickler – insbesondere hinsichtlich der Nutzung des 10-Millionen-Dollar Förderprogramms REF Call 2 aus dem Rural Electrification Fund, der zur Entstehung von in 51 Mini-Grid-Projekten in ganz Nigeria führte.  


Vergangenes Jahr gingen Sie zu Instant Energy B.V., wo Sie derzeit als Chief Operation Managerin (COO) und Co-Founder tätig sind. Was hat Sie dazu bewegt?


Instant Energy B.V. wurde 2016 gegründet. Die Mitbegründer sind Menschen, die ich schon seit ein paar Jahren als aktive Größen des Energiesektors kenne. Ich ging zu Instant Energy, weil es ein innovatives, serviceorientiertes Unternehmen ist, mit dem wir in ganz Afrika Energie zugänglich und bezahlbar zur Verfügung stellen. Der Business-Plan, der technische Anspruch und den Einfluss, den wir auf die Energiewende haben, ist beispielhaft. Der andere Co-Founder, Jeremiah, ist hinsichtlich Geschäftsstrategien ein echter Guru. Er ist ein Technikexperte, der etliche Programmiersprachen kennt und eine Leidenschaft für User Experience sowie User Interface Design (UX/UI-Design) [Anm. d. Red.: Felder des Software-Designs] entwickelt hat. Zusammen als Management-Team tragen wir zur Verwirklichung der Unternehmensziele bei.


Wie sieht eine Woche bei Ihnen aus?


Eine typische Arbeitswoche bei Instant Energy beginnt mit einem Meeting am Montagmorgen, um über die Pläne und Aufgaben der anstehenden Woche zu diskutieren. Danach besteht meine Aufgabe darin, eng mit dem Team zusammenzuarbeiten, um die fristgerechte Umsetzung dieser gesetzten Ziele zu gewährleisten. Wir haben derzeit mehrere Projekte und Initiativen, an denen wir arbeiten, die die Zusammenarbeit mit Dritten beinhalten, und wir müssen sicherstellen, dass wir den Überblick behalten.


Welche Rolle spielen Erneuerbare Energien in Nigeria?

Erneuerbare Energien sind entscheidend für Nigerias Energiewende. 840 Millionen Menschen weltweit, von denen mehr als die Hälfte der Afrikaner sind, haben keinen Zugang zu Elektrizität und daher keinen Zugang zu den höheren Einkommen und Ersparnissen, die Strom bietet. Viele weitere Millionen sind von schlechter Qualität und Unzuverlässigkeit des netzgekoppelten Stroms sowie von kostspieligen und umweltschädlichen Dieselgeneratoren abhängig. Das siebte Ziel der Vereinten Nationen (SDG7) – den Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern – ist ein entscheidender Faktor für die breitere Palette der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGS).

Elektrizität ist eine notwendige Komponente, um Menschen aus der Armut zu befreien, die Gesundheit zu verbessern, das Bildungsniveau zu erhöhen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu verringern und eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen.

Der Zugang zu Elektrizität hat sich in den letzten Jahrzehnten typischerweise auf ein Modell großer, zentralisierter Stromerzeugung und den Ausbau öffentlich finanzierter Netzanschlüsse gestützt. Dies war in einigen Ländern erfolgreich, aber in anderen hat die schlechte finanzielle Gesundheit von netzgekoppelten Energiesystemen den Fortschritt erstickt. Heutzutage sind innovative netzunabhängige Lösungen wie Minigrids für Erneuerbare Energien und Solar-Heimsysteme (häufig mit einem Pay-as-you-go-Modell (PAYG)) vielversprechend, um den Zugang zu Elektrizität zu verbessern. Die spezifische Technologie für den Stromzugang – sei es Netzerweiterung, Minigrids oder Pay-as-you-go-Solarenergie – wird von der kostengünstigsten Lösung für den jeweiligen Standort und das Szenario bestimmt.


Was sind die größten Herausforderungen in diesem Sektor?


Der Wettbewerb um subventionierten Diesel und Kerosin (hauptsächlich für die Beleuchtung verwendet) ist schädlich. Gleichzeitig zeigt sich eine negative Wahrnehmung von Minigrid-Tarifen aufgrund von subventioniertem, über das öffentliche Netz verteiltem Strom. Außerdem herrscht ein Mangel an hochwertiger Hardware und nationalen Qualitätsstandards für Minigrid-Komponenten sowie ein Mangel an Institutionalisierung eines Minigrid-Qualitätssicherungsrahmens. Auch die Hardwarekosten sind in mehreren Ländern aufgrund einer fehlenden Lieferkette für Ersatzteile höher als erwartet. Schwierige Zoll- und Abfertigungsverfahren für den Import von Hardware führen zu Lieferverzögerungen, es gibt teilweise Strafzölle auf Minigrid-Hardware.


Risiken entstehen zudem durch den Mangel an Bewusstsein für und dem Widerstand der Gemeinschaft gegenüber Erneuerbaren Energien und Minigrids sowie aus dem Widerstand etablierter Unternehmen gegenüber diesen. Aber auch fehlende Richtlinien und Pläne für die Entsorgung von Hardware, einschließlich der Batterien, die sich am Ende des Mini-Life-Grid-Zyklus ergeben, erhöhen das Risiko.


Darüber hinaus fehlt ein wettbewerbsfähiger Arbeitsmarkt für potenziell gut ausgebildete, qualifizierte Mitarbeiter*innen zum Entwerfen, Bauen, Betreiben und zur Wartung von Minigrids. Das führt wiederum zu höheren Kosten durch die Einstellung von nicht lokalem Personal und einer suboptimalen Leistung bei gleichzeitiger Schwierigkeit für Minigrid-Entwickler, eine kostengünstige Finanzierung von Investoren zu erhalten. Mangelnder Bonität oder unzureichender Cashflows, um die Renditeanforderungen der Investoren zu erfüllen, sind hier ein Problem. Aber auch unzureichende Kreditdaten der Endnutzer, Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der Kunden sowie fehlende Zahlungsmodalitäten für Strom, spielen eine Rolle. Langfristige inländische Kredite, gut kapitalisierte Akteure und politische Anreize fehlen genauso wie Währungskongruenz zwischen Einnahmen in Landeswährung und Finanzierung in harten Währungen.


Apropos Fachkräfte: Sie setzen sich auch als Mentorin für das Empowerment von Frauen ein. Wie kam es dazu?


Ich habe selbst die Bedeutung einer Mentorin in verschiedenen Phasen der Karriere und des Lebens erfahren. Die drei verschiedenen Mentoring-Programme, an denen ich teilgenommen habe, waren für die jeweilige Phase meiner damaligen Karriere sehr relevant. Die Mentor*innen haben mich während der Dauer des Programms an ihrem Wissensschatz teilhaben lassen, um mich anzuleiten. Die Beziehungen und der Wissensschatz sind unermesslich und haben bei meinen Berufs- und Lebensentscheidungen eine große Rolle gespielt.

Das Interview führte Anika Schwalbe