Entspannt ins Netz der Zukunft

Wenn es um das Zusammenspiel der Erneuerbaren Energien im Stromnetz geht, fällt oft der neudeutsche Begriff des Smart Grid. Aber wie werden Stromnetze schlau? Das Konzept: Erzeuger und Verbraucher „reden“ mit Hilfe moderner Informationstechnologie über die Stromnetze. Intelligente Lösungen für den Stromtransport müssen weder kompliziert noch aufwändig sein. Oft genügt es schon, wenn die Betreiber der Stromnetze und die erneuerbaren Stromerzeuger besser interagieren, wenn sie offen sind für die Anliegen der jeweils anderen Seite. Im Stromnetz der Eifel konnte so mehr Platz für erneuerbare Stromerzeuger geschaffen werden, ohne neue Kabel zu verlegen. Nicht ein Mehr an Kabelkilometern, sondern ein Mehr an Kommunikation macht das flexible Stromnetz der Zukunft aus.

Mit Windenergie wurde die Eifel zum Stromexporteur (Bildquelle: innogy SE).

Auf einen Blick

Warum ist das ein gutes Beispiel für das notwendige Update unserer Energieversorgung?

Im Konzert mit der zeitlich und räumlich abgestimmten Netzinfrastruktur gleicht eine Biogasanlage die Nachfrage und das erneuerbare Stromangebot aus, so dass Kosten beim Netzausbau gespart werden.

Gründung/Inbetriebnahme: 1999-2014

So werden Erneuerbare Energien genutzt:

Erneuerbare-Energien-Anlagen:

  • 2 Biogas-BHKW (300 kW, 110 kW), Windenergieanlagen, 1 Photovoltaik-Anlage (60 kW)

So trägt die Anlage zum Update bei:

1.    Flexibilität

  • Flexible Fahrpläne: saisonal, Wochen-/Tagesfahrplan
  • Koppelung: Strom/Wärme

2.    Netze

  • Stabilisierung Stromnetz: netzdienlicher Betrieb

3.    Speicher

  • Wärmespeicher: 14m3
  • Gasspeicher: 2.000 m3
  • synthetisches MethanWasserstoff

4.    Marktintegration

  • Vermarktung von Strom: Reaktion auf Strombörsenpreis

Wie es dazu kam

Auf den windigen, aber sonnigen Höhen der Eifel erzeugen Biogasanlagen, Photovoltaik-Anlagen und Windenergieanlagen deutlich mehr Strom, als die dünn besiedelte Grenzregion selbst verbraucht. Ursprünglich kam der Strom von Kohle- und Atomkraftwerken außerhalb der Eifel über Höchstspannungsleitungen, um dann auf niedrigerer Spannung über das Verteilnetz zu den Endverbrauchern zu fließen. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien kehrte sich dieser Stromfluss aber immer häufiger um. Die Erneuerbare-Energien-Anlagen speisen in das Verteilnetz ein, das das regionale Überangebot immer öfter in die höheren Spannungsebenen weiterleiten muss.

In der Eifel stand der Verteilnetzbetreiber Westnetz schon vor rund zehn Jahren vor der Herausforderung, wie die Verteilnetze am besten organisiert werden, wenn eine Vielzahl dezentraler Einspeiser dauerhaft mehr erzeugt als vor Ort verbraucht wird. „Wir hätten ja einfach mehr Kabel verlegen und viele Euros vergraben können“, erinnert sich Projektleiter Dr. Torsten Hammerschmidt, „die Frage war aber, wie wir mit neuen Technologien effizienter arbeiten können“.

Dafür wollte der Netzbetreiber auf einfache Lösungen zurückgreifen. Zusammen mit seinem Mutterkonzern, der Essener innogy SE, wurde das Modellprojekt „Smart Country“ gestartet. Dabei ging es darum, nicht das Netz völlig neu zu bauen, sondern vorhandene Infrastruktur für ein besseres Netz zu erschließen.

Landwirt Heinz Hoffmann machte seine Biogasanlage zum Speicher für Solar- und Windenergie (Quelle: innogy SE).

Naheliegend war darum die Biogasanlage von Landwirt Heinz Hoffmann. Sie versprach ein großes Speicherpotenzial. Denn statt das Biogas-BHKW in Grundlast zu betreiben und damit rund um die Uhr Strom ins Netz einzuspeisen, könnte er das Biogas speichern und zu den Zeitpunkten verstromen, an denen es dem Netz am meisten helfen würde. Hoffmann war offen für das Experiment. Er gehört zu den Pionieren der Energiewende in der Eifel. Schon 1998 organisierte er mit weiteren Landwirten und Anwohnern einen ersten Windpark mit derzeit 10,5 Megawatt Leistung in unmittelbarer Nähe. Für den Bullenmäster, der rund 180 Hektar bewirtschaftet, kam 2001 eine Biogasanlage als zusätzliches Standbein hinzu. Außerdem betreibt er eine eigene Photovoltaik-Anlage. Die Herausforderung, den erneuerbaren Strom über das örtliche Netz abzutransportieren, war ihm aus der Praxis schon bekannt.

Was hier passiert

Im Niederspannungsnetz, an das Haushalte und Photovoltaik-Anlagen angeschlossen sind, liegt die Spannung bei 230 bis 400 Volt. Da hier immer mehr Photovoltaik-Anlagen einspeisen, steigt mit dem umgekehrten Lastfluss die Spannung an den Netzverknüpfungspunkten. Auf der bisher ruhigen Einbahnstraße des Eifeler Stromnetzes kommt es zu Gegenverkehr und Staus an den Kreuzungen.

Auch das Gegenteil des Spannungsanstiegs, einen zu starken Spannungsabfall, gilt es zu vermeiden. Die Spannung fällt immer dann ab, wenn Strom entnommen oder über sehr große Entfernungen transportiert werden muss, wie in der dünn besiedelten Eifel. Auf den immer engeren Nebenstraßen des Stromnetzes kommen die Fahrzeuge immer schlechter voran.

Westnetz hat darum zunächst die Aufsicht über die „Straßen“ verbessert: Im 180 Quadratkilometer großen Netzgebiet wurden mehrere Sensoren verbaut, die die Spannung messen, vergleichbar mit Radarfallen. Werden hier Limits übertreten, bekommt die Leitwarte ein Signal. Moderne Mittelspannungsregler können dann die Spannung an den Knotenpunkten glätten, vergleichbar mit Ampeln im Straßenverkehr.

Nicht zuletzt werden die „Verkehrsteilnehmer“ nun besser geleitet: Die Photovoltaik-Anlage von Landwirt Heinz Hoffmann informiert den Netzbetreiber als auch das Blockheizkraftwerk (BHKW) der nahe gelegenen Biogasanlage darüber, wie viel Prozent ihrer Spitzenleistung sie gerade einspeist. Ist das Netz durch Solarstrom belegt, wird die Stromerzeugung des BHKW gedrosselt – wie bei einem Navigationsgerät, das bei Stau für die Umleitung sorgt.

Die Photovoltaikanlage von Heinz Hoffmann steuert je nach Sonneneinstrahlung den Einsatz des Blockheizkraftwerks der Biogasanlage (Bildquelle: innogy SE).

Das Biogas, das währenddessen weiterhin durch Vergärung von Energiepflanzen im Fermenter entsteht, leitet Landwirt Hoffmann um in einen einfachen Gasspeicher. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Netzkapazitäten wieder frei sind und kein Solarstrom mehr eingespeist wird, kann er dann umso mehr Biogas verbrennen. Das macht ein zweites BHKW möglich, das innogy im Rahmen des Modellprojekts auf dem Hof von Landwirt Hoffmann ergänzt hat.

Das Update für unser Energiesystem

Das Energieunternehmen innogy, Verteilnetzbetreiber Westnetz und Energiewirt Hoffmann zeigen, dass ein schneller und starker Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht an den Stromnetzen scheitern muss. Bei Beginn des Projekts im Jahr 2011 bot die Eifel Bedingungen, die denen ganz Deutschlands im Jahr 2030 ähneln. Eine sehr große erneuerbare Stromerzeugung vor allem von wetterabhängigen Wind- und Photovoltaikanlagen muss in die Netze integriert und zu den Verbrauchern transportiert werden. Die installierte Leistung der Erneuerbare-Energien-Anlagen, die in der Eifel einspeisten, belief sich auf knapp 1.500 Megawatt, was der Leistung von mehr als einem Atomkraftwerk entspricht und damit etwa dreimal so hoch lag wie die Leistung, für die das Verteilnetz ursprünglich ausgelegt war. Im Netzbereich, in dem das Projekt mit Landwirt Hoffmann umgesetzt wurde, stehen 2017 Erneuerbare-Energien-Anlagen mit über 50 Megawatt Leistung einem maximalen Verbrauch von nur 3 Megawatt gegenüber.

Als Netzbetreiber muss Westnetz nicht nur eine sichere Versorgung garantieren. Gleichzeitig hat Westnetz dafür zu sorgen, dass alle erneuerbaren Stromerzeuger tatsächlich einspeisen können. Diese Aufgabe soll zudem so kosteneffizient wie möglich umgesetzt werden, schließlich führen alle Verbraucher über ihre Stromrechnung automatisch Netzentgelte an den Netzbetreiber ab. Die Kosten für den Netzbetrieb und -ausbau machen rund ein Viertel der Haushaltsstrompreise aus.


Der Netzbetreiber hat gezeigt, wie durch das Zusammenspiel von Biogas und Solarenergie das vorhandene Netz mit einfachen Mitteln optimiert werden kann, bevor die Kabeltrommel ausgerollt werden muss. Bessere Messungen helfen, im Netz Engpässe zu identifizieren. Der Netzbetreiber kann dadurch das Netz genau dort verstärken, wo es tatsächlich notwendig ist. Dazu kann es reichen, beim sowieso anstehenden Austausch alter Trafos auf regelbare Ortsnetztrafos (RONT) und Mittelspannungsregler zu setzen. Das Verteilnetz ist erfolgreich zu einem „Einsammelnetz“ umgebaut worden. Die Netznutzer können besser aufeinander Rücksicht nehmen, um Staus und Unfälle zu vermeiden.

Wie es sich rechnet

Laut Projektleiter Dr. Torsten Hammerschmidt hat das relativ einfache Zusammenspiel von Solarenergie und dieser einen Biogasanlage „allein rund 300 Kilowatt Leistung im Mittelspannungsnetz gewonnen“. Dank der zeitlichen Verschiebung der Stromerzeugung aus Biogas können nun weitere wetterabhängige Erzeuger vor Ort ins Netz einspeisen, ohne dass neue Stromleitungen errichtet werden müssen. Der Gasspeicher auf dem Hof Hoffmann ist für innogy und Westnetz eine ausgereifte, einfach zu bedienende Lösung. Da sich mit wenig Aufwand viel Energie speichern lässt, werden zusätzliche Kabel und Transformatoren eingespart. Nach Abschluss aller Maßnahmen konnte insgesamt etwa doppelt so viel installierte Leistung von Erneuerbare-Energien-Anlagen ans Netz angeschlossen werden im Vergleich zur Beibehaltung der bisherigen Netzinfrastruktur.

Dr. Torsten Hammerschmidt sorgt in der Eifel für ein stabiles Stromnetz (Quelle: innogy SE).

Was aus Sicht eines kosteneffizienten Gesamtsystems sinnvoll ist, lässt sich unter den gegenwärtigen regulatorischen Bedingungen allerdings kaum umsetzen. Außerhalb des Modellprojekts könnte der Verteilnetzbetreiber zwar mit Landwirt Hoffmann vertraglich das passgenaue Zusammenspiel mit dem örtlichen Netz vereinbaren. Jedoch wäre der finanzielle Anreiz zu gering, um den Betrieb der Biogasanlage dauerhaft auf ein solches, auf das Verteilnetz ausgerichtetes Konzept umzustellen.

Die Steuerungstechnik, der Gasspeicher und das zusätzliche BHKW wurden im Rahmen des Modellprojekts von innogy mit teilweiser Unterstützung des Bundes finanziert. Westnetz als Verteilnetzbetreiber hat zwar ein Interesse an dem netzdienlichen Verhalten, kann und darf aber als neutraler Netzbetreiber wegen des so genannten Unbundling – der im europäischen Strommarkt vorgeschriebenen Trennung von Stromproduktion und Netzbetrieb – nicht selbst in Stromerzeuger investieren, auch wenn diese flexibel produzieren.

Projektleiter Hammerschmidt bedauert, dass es für die intelligente Ausrichtung von Hoffmanns Biogasanlage am lokalen Netz derzeit nur wenige Erlösmöglichkeiten gibt. Zwar bietet das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Flexibilitätsprämie für Biogas-BHKW, mit der zusätzliche BHKW errichtet werden können, die zeitlich variabel zum Einsatz kommen. Eines der beiden Biogas-BHKW von Heinz Hoffmann wird vom Direktvermarkter innogy seit 2015 automatisch so gesteuert, dass es vormittags und zwischen Nachmittag und Abend zu den Stunden mit den höchsten Strombörsenpreisen produziert. Aus Sicht des lokalen Netzbetriebs muss das jedoch nicht unbedingt der beste Moment sein. Ob sich in Zukunft die lokale Ausrichtung gegenüber der Orientierung an den Preisen der zentralen Strombörse durchsetzt, bleibt abzuwarten.

Heinz Hoffmann hat ein spezialisiertes Ingenieurbüro damit beauftragt, eine weitere Flexibilisierung seiner Biogasanlage zu untersuchen. Auch diese Wirtschaftlichkeitsbetrachtung war wenig ermutigend. Die Investitionen von über einer Million Euro würden in der restlichen Laufzeit der BHKW voraussichtlich nicht wieder hereingespielt werden können. Mit seinem Sohn, der den Hof übernehmen will, entschied sich Hoffmann darum, dieses Risiko nicht einzugehen. Bei den neuen Ausschreibungen für Bioenergieanlagen habe er kein gutes Gefühl. Möglicherweise sei es mittelfristig attraktiver, die BHKW herunterzufahren und das Biogas stattdessen in eine Rohbiogasleitung einzuspeisen. Bis 2022 planen die Kommunalen Netze Eifel über 80 Kilometer eine gebündelte Wasser-, Strom-, Biogas-, Erdgas- und Glasfaserleistung zu verlegen. Hoffmann könnte sein Biogas an die Stadtwerke Trier verkaufen, die daraus dann andernorts Strom- und Wärme gewinnen.

Die gebündelte Verlegung von Strom-, Wasser-, Biogas-, Erdgas- und Glasfaserleitungen durch die Kommunalen Netze Eifel soll eine neue „Hauptschlagader“ für die Infrastruktur der Eifel schaffen. Landwirte können ihr Biogas dort einspeisen, statt es vor Ort in BHKW zu Strom und Wärme umzuwandeln (Quelle: KNE AöR).


Wie es weitergeht

Mit Blick auf die Rolle von Hoffmanns Biogasanlage als Flexibilitätsoption „für Markt und/oder Netz“ betont Projektleiter Hammerschmidt, dass solche Maßnahmen bundesweit hochskaliert werden können: „Es spräche nichts dagegen, das auf die 9.000 übrigen Biogas-BHKW in Deutschland zu übertragen.“ Allerdings fehlt es bisher an einem entsprechenden Markt für eine vergleichbare Abstimmung zwischen lokalen Stromerzeugern, ihren jeweiligen Verteilnetzbetreibern und Stromhändlern nach dem Vorbild der Eifel.

Da auf der Verteilnetzebene auch die finanziellen Anreize für ein netzdienliches Verhalten der Erneuerbare-Energien-Anlagen fehlen, dürfte es vorerst bei Pilot- und Forschungsprojekten bleiben. Die Bereitstellung von Regelenergie und anderen Systemdienstleistungen unterliegt den für die Höchstspannungsebene zuständigen vier bundesweiten Übertragungsnetzbetreibern. Das Eifeler Modellprojekt zeigt, dass sich aber schon auf den unteren Netzebenen ein technisch sinnvoller lokaler Ausgleich organisieren lässt.

In der Diskussion um das zukünftige Design der Energiemärkte könnte den Verteilnetzbetreibern darum eine stärkere Rolle bei der Sicherung der Netzstabilität zukommen. Ziel könnten regionale Märkte für Systemdienstleistung sein. Dabei würden örtliche Netznutzer unter Koordination des Netzbetreibers gezielt auf einen regionalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch hinarbeiten. Neben das Preissignal der Strombörse könnte ein „Stabilitätssignal“ des Stromnetzes treten. Bis dahin dürfte jedoch noch viel Wind über die Eifelhöhen wehen.

Wenn Netze und Erzeuger nicht flexibler werden, droht allerdings ein Deckel für erneuerbaren Strom. Heinz Hoffmann ersetzt gerade die alten Windenergieanlagen aus den 1990er Jahren durch leistungsfähigere Neuanlagen. Viel mehr als fünf neue Anlagen könnten vor Ort nicht angeschlossen werden, wenn nicht eine ganz neue längere Anschlussleistung gebaut werden solle: „Das Netz ist dann erst einmal voll.“

Kontakt

Westnetz GmbH
David Kryszons
Tel.: 0651 – 812 2299
david.kryszons@westnetz.de

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