Wärmewende im eigenen Heim? Ja, aber wie?

Viele Eigenheimbesitzer*innen müssen ihre Heizungsanlage tauschen. Die explodierenden Gaspreise erhöhen den Druck auf einen Heizungswechsel mit Erneuerbaren Energien. Unser Geschäftsführer, Dr. Robert Brandt, im Gespräch mit VDGN-Präsident Jochen Brückmann (Verband Deutscher Grundstücksnutzer e.V.), über die Wahl der richtigen Heizung, erreichbare Klimaziele und eine soziale Energiepolitik.

Viele Besitzer*innen von Einfamilienhäusern, insbesondere in den jüngeren Bundesländern, stehen vor dem Problem, dass ihre Öl- und Gasheizungen inzwischen überaltert sind. Sie müssen absehbar ausgetauscht werden. Der Krieg in der Ukraine hat die Situation nochmal verschärft. Herr Brückmann, wie groß ist der Druck auf die Eigenheimbesitzer*innen? Was raten Sie Ihren Mitgliedern?

Foto: VDGNJochen Brückmann: Der Entscheidungsdruck auf die Eigenheimbesitzer ist groß: Welche Heizung nehme ich? Soll ich sie kaufen oder mieten? Brauche ich einen Kredit hierfür beziehungsweise bekomme ich ihn überhaupt? Kombiniere ich die Investitionen in eine neue Heizung mit anderen Arbeiten am Haus? Und natürlich steht bei der Wahl einer Heizung erstmal die Frage nach der Wirtschaftlichkeit im Raum. Hinzu kommt aber auch noch der Blick in die Zukunft – wie ist die Lage in zehn oder fünfzehn Jahren? Wie entwickeln sich Preise und Verfügbarkeiten von Brennstoffen? Welche politischen Rahmenbedingungen könnten dann gelten? Kurzum: Die Eigenheimbesitzer stehen heute vor riskanten Entscheidungen. Sie haben derzeit mehr Fragen als Antworten.

Foto: AEEDr. Robert Brandt: Ich kann die Sorgen und Fragezeichen der Eigenheimbesitzer*innen nachvollziehen. Investitionsentscheidungen sind mit einem gewissen Risiko behaftet. Allerdings birgt jede Entscheidung auch die Chance, davon zu profitieren. Deshalb sind möglichst viele Informationen und eine individuelle Energieberatung unverzichtbar. Solch eine wichtige Entscheidung braucht Vorbereitung und sollte nicht kurzfristig getroffen werden müssen. Eine Orientierung bieten wir neben unserem Internetportal auch ganz konkret mit unserem Wärmekompass. Dieser gibt einen ersten Überblick über die vorhandenen Technologien und Brennstoffe sowie einen Einblick in die Vollkosten des Heizens und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen. Da bei der Berechnung auch Daten zum konkreten Haus- und Energieverbrauch abgefragt werden, bekommt der Hausbesitzer*innen einen guten ersten Überblick über die für ihn verfügbaren Technologien und Kosten.

Zu den bekannten Technologien wie Gas und Öl kommen immer mehr Heizungstechnologien auf Basis erneuerbarer Energien. Herr Brückmann, für welche Technologien interessieren sich die Mitglieder des VDGN sich zurzeit besonders?

Brückmann: Für uns zunächst ist die Technologieoffenheit zentral. Wer in seinem Einfamilienhaus lebt, ein durchschnittliches Gehalt oder eine durchschnittliche Rente bezieht, ist durch die steigenden Energiepreise und auch durch die reformierte Grundsteuer schon stark belastet. Da entscheidet vor allem auch der Blick ins Portemonnaie und nicht allein ein grünes Gewissen. Es gibt aber auch jene Menschen, die es sich leisten können, zuerst auf die Klimaverträglichkeit der Heizung zu schauen. Aber, wenn ich wenig Geld habe, nützt es mir auch nichts, wenn ich mit einer neuen Heizung, die ich mir nicht leisten kann, langfristig Geld sparen könnte. Die teils rasant steigenden Preise bei Lebensmitteln, Kraft- oder Baustoffen kommen hinzu. Aufgrund dieser Gesamtsituation fürchte ich, dass viele Menschen weder ihr Bad sanieren noch schnell eine neue Heizung anschaffen werden.

Brandt: Die Gruppe derjenigen, die wirklich keine finanziellen Mittel für einen Heizungstausch haben, ist nicht die größte unter den Eigenheimbesitzer*innen. Aber sie ist natürlich relevant für eine sozialverträgliche Energiewende. Ich bin jedoch optimistisch, dass wir mit gut ausgestatteten Förderprogrammen und günstigen Krediten von der KfW allen Menschen die Energiewende ermöglichen können.   

Brückmann: Umso wichtiger ist es, der jeweiligen Entscheidung für eine neue Heizung Zeit zu geben, diese vernünftig und langfristig vorzubereiten. In der Regel gilt: Je kurzfristiger eine solche Entscheidung getroffen wird, desto teurer wird sie letztlich. Die große Mehrheit unserer Mitglieder geht völlig offen in unsere Beratungsgespräche, zumal die Fragestellungen bei begrenzten finanziellen Mitteln sehr komplex sind: Kaufe ich gleich eine neue Heizung oder saniere ich möglicherweise erstmal meine Fenster, um den Wärmeverlust zu verringern? Kombiniere ich eine Solaranlage mit einer Wärmepumpe oder eignet sich für mich doch eher eine Pelletheizung?

Brandt: Aber die Zeit haben wir nicht mehr. Auch diese Fragen adressieren wir mit unserem Wärmekompass und bieten einen neutralen Überblick. Wenn eine grundsätzliche Technologieauswahl getroffen wurde, vermitteln wir an die entsprechenden Fachverbände weiter. Zudem dürfen wir auch das Energiesparen nicht aus den Augen verlieren. Die preiswerteste Energie ist jene Energie, die nicht verbraucht wird. Auch muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt werden, da wir Wärmepumpen aber auch die Elektromobilität weiter ausbauen.

Brückmann: Ja, jetzt ist auch die Zeit der erneuerbaren Energien. Hierzu braucht es meiner Ansicht nach aber mehr politische Überzeugungsarbeit und Förderung statt Zwang. Denken Sie beispielsweise daran, dass es schon heute nicht genügend Installationsfirmen gibt. Heißt, schon die aktuelle Nachfrage kann nicht in einem angemessenen Zeitraum befriedigt werden. Apropos Beratung, ein großes Problem ist in dem Zusammenhang die viel zu geringe Zahl qualifizierte Energieberater und Installationsfirmen.

Brandt: Ich denke, die Politik hat das Problem erkannt und auch im Koalitionsvertrag verankert.

Brückmann: Das stimmt, aber Papier ist geduldig. Das Problem wurde schon im letzten Koalitionsvertrag adressiert. Die Bürger müssen einfach professioneller angesprochen werden und über die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten in diesen Bereichen informiert werden.

Brandt: Genau. Es braucht insgesamt mehr Information. Die Idee der Berufsbildbotschafter*innen finde ich zum Beispiel sehr interessant. Zumindest aber sehen wir hinsichtlich der Verfügbarkeit von Handwerker*innen mittlerweile eine Trendwende. Firmen, die bisher auf Gas und Öl spezialisiert waren, spüren die steigende Nachfrage nach neuen Technologien und orientieren sich entsprechend um.

Geht es nach dem Willen der Ampel-Koalition, hat ab dem Jahr 2025, möglicherweise auch schon ab 2023, jede neu eingebaute Heizung in Deutschland mindestens einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien. Also steht der Energiewende im Heizungskeller nichts mehr entgegen?

Foto: Immo Wegmann/unsplash.comBrückmann: Das ist doch faktisch eine Wärmepumpenpflicht durch die Hintertür. Leider passt die Realität oftmals nicht zu den hehren politischen Zielen. Viele Ein- und Zweifamilienhäuser sind schlicht nicht für eine Wärmepumpe geeignet. Oder es sind so viele Umbaumaßnahmen notwendig, dass an eine Wirtschaftlichkeit nicht zu denken ist. Allein die Bohrung für eine Erdwärmepumpe kostet 15.000 Euro – wenn denn überhaupt gebohrt werden darf. Steht ihr Haus in einem Trinkwasserschutzgebiet, scheidet diese Option schon mal aus. Erschwerend kommen der Mangel an Fachfirmen und lange Lieferzeiten hinzu. Ich kritisiere ja nicht die Energiewende an sich, sondern die unrealistischen Zeiträume. Hier werden Ziele verkündet, die nicht erreicht werden können. Das schadet nicht nur der Energiewende, sondern der Glaubwürdigkeit von Politik generell.

Brandt: Da bin ich optimistischer, eine Prüfung lohnt auf jeden Fall. Sofern die Möglichkeit besteht, empfehlen wir den Anschluss an ein nachhaltiges Nah- oder Fernwärmenetz. Falls dies nicht möglich ist, gibt es viele individuelle Lösungen für den Einsatz von Wärmepumpen, mit denen sich der gesamte Wärmebedarf decken lässt. Man kann auch den alten Brenner erstmal stehen lassen mit einer Pumpe kombinieren und erst später austauschen. Dann heizt man den wesentlichen Teil des Jahres klimaneutral und schaltet den Brenner nur vereinzelt zu. Die Hersteller entwickeln sich stetig weiter. Mittlerweile haben sich aber die Umstände radikal geändert. Detaillierte Prognosen sind natürlich immer schwierig, aber im Vergleich zu den erwartbaren mittel- bis langfristigen Öl- und Gaspreisen ist die Wärmepumpe in jedem Fall die wirtschaftlichere Alternative. Auch in Kombination mit Solarthermie oder Pelletöfen. Insgesamt wird die Wärmeerzeugung vielfältiger.  

Wir reden im Zusammenhang mit dem Thema Heizung meist über individuelle Lösungen. Gibt es Möglichkeiten, dass sich mehrere Eigenheimbesitzer*innen zusammenschließen und so eine für alle preiswertere Wärmeversorgung auf die Beine stellen?

Brandt: Dicht bebaute Gebiete können durch ein Wärmenetz sparsamer versorgt werden, als wenn jeder Haus- oder Wohnungseigentümer*innen eine eigene Heizungsanlage betreibt. Hier besteht der große Vorteil auch in der hohen Flexibilität bezüglich der angeschlossenen Bereitstellungstechnologien. Auch Solarthermieanlagen und Wärmepumpen können in Verbindung mit Erdwärmespeichern Biomasse-BHKWs ergänzen.

Brückmann: Inwiefern sich Nahwärmenetze in dicht besiedelten Siedlungsgebieten umsetzen lassen, muss man sich im Einzelfall genau anschauen. Einen kooperativen Ansatz in der Stromerzeugung verfolgt der VDGN beispielsweise pilothaft gemeinsam mit einem Kleingartenverein in Nordrhein-Westfalen. Dort sollen auf den Dächern mehrerer Kleingärtenlauben eine gemeinsame Solaranlage eine realisiert werden. Leider steht dem Bisher das Bundeskleingartengesetz entgegen.


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Jochen Brückmann ist seit dem Jahr 2020 Präsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer e.V. Zuvor war er in Industrie- und Handelskammern in verschiedenen Verantwortungsbereichen tätig.
Dr. Robert Brandt ist Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. Der frühere Leiter Verbandsentwicklung des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. und zwischenzeitige Politikberater, war vorher als Unternehmensberater für verschiedene Stadtwerke tätig.

Das Gespräch moderierten Anika Schwalbe (AEE) und Michael Pohl (VDGN)

Pressekontakt:

Agentur für Erneuerbare Energien e.V. (AEE)
Anika Schwalbe
Tel: 030 200535 52
E-Mail: a.schwalbe@unendlich-viel-energie.de