Europawahl 2019: Alle reden vom Klimaschutz

Europawahl ist Klimawahl – so hieß es nicht nur im Wahlkampf bei bestimmten Parteien, sondern so kursierte es auch als Claim im Netz, wird freitags von Schüler*innen skandiert und zeigt sich in den Ergebnissen der Europawahl: Die Grünen räumen ab, SPD und Union verlieren und alle reden vom Klimaschutz – außer die AfD.

Am vergangenen Sonntag wurde in den meisten EU-Staaten das neue Parlament gewählt – in Deutschland sogar mit einer guten Wahlbeteiligung von 61,4 Prozent (2014 waren es nur 48,1 Prozent). Bei der Wahlumfrage von Infratest dimap gaben 48 Prozent der Befragten an, dass ihnen die Themen Klima- und Umweltschutz bei ihrer Wahlentscheidung wichtig seien. Laut dem Umfrageinstitut sind das 28 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Europawahl. Das Thema war also weit oben auf der Agenda, wovon Die Grünen am meisten profitiert haben – das ist Tenor in der deutschen Berichterstattung und den Analysen zur Wahl.

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So fasst etwa der SWR zusammen: „Klimaschutz hebt Grüne auf den zweiten Platz – CDU und SPD verlieren.“ Auch Linke und FDP können beim Thema Klima- und Umweltschutz nicht punkten, schreibt Barbara Galaktionow in ihrer Live-Berichterstattung für die Süddeutsche Zeitung. Tatsächlich haben laut Infratest dimap nur 14 Prozent der Befragten angegeben, dass sie der CDU in diesen Themenfeldern kompetente Lösungen zutrauen, nur fünf Prozent aller Befragten sahen diese Kompetenz bei der SPD. Deshalb schlussfolgert die Tagesschau, dass es vor allem aufgrund der Umwelt- und Klimaschutzthematik eine Wähler*innenwanderung gegeben hat: „Umweltschutz ist heute durchaus kein rein grünes Thema mehr. Auch bei den Anhängern der Union rangiert es weit oben auf der Prioritätenliste“, schreibt dazu Holger Schwesinger auf tagesschau.de. Dass der Europawahlkampf auch in anderen Ländern stark vom Klimaschutz geprägt war, zeigt sich im guten Abschneiden grüner Parteien in Frankreich, Irland, Dänemark, Finnland und Österreich.

Die Große Koalition in Berlin gerät mit dem Ergebnis hingegen unter Druck: Bundesumweltministerin Svenja Schulze gab das viel diskutierte Klimaschutzgesetz aus ihrem Haus direkt am Tag nach der Wahl in die Ressortabstimmung. Sie wolle nicht länger auf „die Befindlichkeiten in der Union Rücksicht nehmen“, schrieb sie dazu auf Twitter. Weiter lässt Schulze über den WhatsApp-Kanal des Bundesumweltministeriums verlauten: „Die Bürgerinnen und Bürger haben klar zum Ausdruck gebracht, dass ihnen der Klimawandel Sorgen macht.“ Mit dem Ergebnis der Europawahl wurde also offensichtlich auch die Große Koalition in Berlin abgestraft, denn die Wahl galt laut Die Welt auch als Stimmungstest für die Bundespolitik. Denn sie sei die erste bundesweite Abstimmung seit Vereidigung der GroKo im März 2018 gewesen und gleichzeitig die erste seit dem Wechsel an den Spitzen aller drei Koalitionsparteien. Auch Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), sieht einen klaren Handlungsauftrag für SPD und Union: „Die Menschen erwarten, dass zügig die Weichen für den Kohleausstieg und den Ausbau der Erneuerbaren Energien gemäß dem Koalitionsvertrag und den Pariser Klimazielen gestellt werden.“ Auf die Große Koalition bezogen ist diese Lesart naheliegend, ein Gradmesser für die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist das Ergebnis der Europawahl aber eher nicht. Denn entgegen dem Deutschlandtrend hat die AfD, die leugnet, dass der Klimawandel menschengemacht ist, in allen drei Bundesländern gepunktet. Die FAZ spricht in ihrer Analyse über die Wahlergebnisse in Thüringen beispielsweise von einem „Alarmsignal für die Landtagswahl“.

Mit Blick auf Klimaschutzgesetze und Erneuerbare Energien wird auf europäischer Ebene jetzt entscheidend sein, wer das Rennen um die Präsidentschaft der EU-Kommission macht. Mit den 2018 beschlossenen Maßnahmen des EU-Gesetzespakets „Saubere Energie für alle Europäer“, das Vorgaben zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz umfasst, soll der CO2-Ausstoß bis 2030 um rund 45 Prozent und bis 2050 um etwa 60 Prozent sinken. Damit diese Ziele konsequent weiterverfolgt werden, darf das Europäische Parlament aber nur Rechtsvorschriften der Europäischen Kommission akzeptieren, die diesen kohlenstoffneutralen Vorgaben auch entsprechen. Deshalb schreibt die taz, dass alle Kandidat*innen, die für die Kommissionspräsidentschaft zur Wahl stünden, die Grünen im Parlament bräuchten, um eine Mehrheit zu bekommen. Sie schlussfolgert: „Die Abstimmung über das mächtigste Amt in Brüssel: Sie ist gleich die nächste Klimawahl.“

Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.

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