Ulm

Februar 2020

Quelle_SWU_8827Tu, was du kannst – das ist das Motto der Ulmer Klimakampagne. Die Stadt ermutigt ihre Bürger*innen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz sowie den Klimaschutz selbst anzupacken. Unterstützt werden sie dabei durch zahlreiche Förderprogramme, die in Ulm schon eine lange Tradition haben: 1991 ging die erste Förderrichtlinie an den Start. Heute werden besonders der Bau von Passiv- oder Netto-Nullenergiehäusern, der Heizölkesseltausch sowie die gebäudeintegrierte Photovoltaik in den Fokus gerückt. Aufgrund des großen Engagements wurde Ulm bereits im Jahr 2012 von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) zur Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Was ist seitdem passiert, wie ging es mit den engagierten Plänen der Stadt weiter?

Besonders bei der Solarenergie ist Ulm nach wie vor ein Vorzeigebeispiel: 2018 wurden 237 Megawattstunden (MWh) Strom durch neun städtische Photovoltaikanlagen erzeugt. Auch zur Wärmeerzeugung wird die Sonne genutzt. Auf insgesamt 415 m² betreibt die Stadt elf Solarthermie-Anlagen. „Die Solarenergie spielt in Ulm schon seit vielen Jahren eine sehr große Rolle. Dennoch sind noch Potenziale in der Stadt vorhanden, die ausgeschöpft werden sollen. Der solare Eigenverbrauch und Mieterstromkonzepte werden zukünftig beim Neubau und der Gebäudesanierung noch wichtiger“, sagt Andrea Lippert, Mitarbeiterin der Abteilung „Strategische Planung“ der Ulmer Stadtverwaltung. Seit 2014 können sich die Anwohner*innen zudem mithilfe des Solarpotentialkatasters über die idealen Standorte für Sonnenenergie informieren.

Fortschritte Ulms sind auch im Ausbau der fossilfreien Mobilität festzustellen. Die Stadt kann mit 54 öffentlichen Ladesäulen der Stadtwerke Ulm (SWU) eine hohe Anzahl von Elektro-Ladesäulen aufweisen. Besonders wichtig sind Lippert die Erschließung von wichtigen Knotenpunkten, wie Parkplätzte von Supermärkten oder Ladenketten. „Auch im Neubau bzw. im Ausbau von mehrgeschossigen Häusern sollen Möglichkeiten für die Integration von Ladeinfrastruktur bedacht werden.“

Ulmer Stadtwerke stellen Grundversorgung auf grünen Strom um
Bereits zur Auszeichnung zur Energie-Kommune im Jahr 2012 haben die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) das ambitionierte Ziel geäußert, bis 2020 alle Haushaltskund*innen mit erneuerbarem Strom versorgen zu wollen. Am 1. Januar 2020 wurde dieser Meilenstein erreicht. Alle 35.000 Kund*innen, die Strom aus der Grundversorgung beziehen, werden seitdem mit grünem Strom aus alpiner Wasserkraft versorgt. Gerechnet auf den Jahresbedarf aller Kund*innen der Grundversorgung entspricht das einer CO2-Einsparung von 32.000 Tonnen. Bis zum Jahr 2025 möchten die Stadtwerke die dezentrale Energieerzeugung weiter ausbauen. Derzeit beziehen Kund*innen des SWU NaturStroms den Strom aus dem regionalen Donau-Wasserkraftwerk Böfinger Halde.

Doch Versorgung ist heutzutage nicht mehr isoliert auf den einzelnen Energieträger zu betrachten. „Bei SWU konzentrieren wir uns mehr und mehr auf ganzheitliche Lösungen, umzusetzen vorzugsweise in Neubaugebieten. Dort lassen sich die verschiedenen Sektoren am besten koppeln. BHKW-gestützte Wärme mit Solarthermie zum Beispiel, dazu noch PV-Anlagen, deren Strom in Ladesäulen für E-Autos fließt“, beschreibt Bernd Jünke das Konzept. Energetische Quartierslösungen entwickeln zusammen mit den Städten, darin liegt Zukunft für Stadtwerke.

Die Fernwärme wird als wichtiges Element angesehen, die Wärme in Ulm klimafreundlicher zu gestalten. Viele städtische Gebäude sowie Privathaushalte sind bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen. Andrea Lippert aus der Stadtverwaltung äußert die Bestrebung, das Netz weiter auszubauen und Menschen zum Tausch ihrer Heizölkessel zu bewegen. „Der Austausch von Heizölkesseln zur Versorgung durch Fernwärme kann bei dem stetig höheren Anteil von Erneuerbaren in der Fernwärme für private Haushalte viel CO2 einsparen“, ergänzt sie. Die Netze gehören neben den Stadtwerken Ulm auch der Fernwärme Ulm GmbH (FUG), die sich ebenfalls für die Umstellung auf Erneuerbare einsetzt. Alte Kohlekessel werden zunehmend durch moderne Erneuerbare-Technologien abgelöst: So setzt die FUG auf Biomasse als regenerativen Brennstoff, deren Anteil heute bereits bei über 60 Prozent an der Versorgung durch die FUG liegt.

„Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes sollen kommunale Wärmepläne für Stadtkreise und große Kreisstädte in Baden-Württemberg verpflichtend, aber auch gefördert werden.“, sagt Lippert: „Diese Wärmepläne zeigen Handlungsmöglichkeiten auf, wie die Wärmeversorgung der gesamten Stadt auf Grundlage von erneuerbaren Energien im Neubau und im Bestand effizient ausgerichtet werden kann. Außerdem unterstützen sie die systematische strategische Planung und Umsetzung der Wärmewende.“

Bewohntes Projekthaus für die Datenerhebung
Ulm_Quelle_Stadt_Ulm__Abeteilung_Vermessung_72dpiDas „Plusenergie Projekthaus Ulm für nachhaltige Energienutzung“ ist ein bewohntes Einfamilienhaus und dient seit 2014 zur Datenerhebung des thermischen und elektrischen Energieverbrauchs. Photovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von 13 Kilowatt peak (kWp) sind für die Stromerzeugung installiert und laden zudem einen Batteriespeicher mit einer Leistung von vier Kilowattstunden (kWh). Eine Luft-Wärmepumpe im Haus stellt den Solarstrom auch zur Raum- und Warmwasserbeheizung zur Verfügung. Zusätzlich kann ein Pelletofen zum Heizen betrieben werden. Mithilfe einer automatischen Steuerung erfolgt die Wärmebereitstellung oberhalb einer bestimmten Temperatur nur über die emissionsfreie Luft-Wärmepumpe. Überschüsse, die nicht lokal benötigt werden, werden über den Hausanschluss in das öffentliche Netz eingespeist.

Innovative Messtechnik wurde von den Stadtwerken Ulm und der Technische Universität München zur Verfügung gestellt. Die Technische Hochschule Ulm und die Robert-Bosch-Schule nahmen 2014 die Technologie in Betrieb, die reale Daten der Energieerzeugung und -nutzung im Effizienzhaus langfristig generiert. In der Begleitforschung werden Daten zur Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Wiederverwertbarkeit der Energieerzeugungsanlagen untersucht und veröffentlicht, damit sie als Grundlage für künftige Erneuerbare-Energien-Projekte nutzbar sind.

Im Projekt NETCHEK-PV (Netzverträgliches Heizen und Kühlen mit PV-Strom) wurden die Auswirkungen der Solarstromnutzung zur Wärme- u. Kältegewinnung untersucht. Festgestellt wurde, dass die Kombination aus Luft-Wärmepumpe und PV-Anlage über die nächsten Jahre etwa 19.000 Euro gegenüber einer modernen Ölheizung einsparen wird. Außerdem kann der Eigenverbrauch des Solarstroms durch die direkte oder automatische Regelung stark gesteigert werden. Diese Projekte sind Bestandteil der unw-Projektförderung. Der Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e.V. (unw) wurde vom Kuratorium der Solarstiftung Ulm/Neu-Ulm als Projektträger beauftragt, um das Stiftungskapital -im Zuge der Umwandlung zu einer Verbrauchsstiftung- zur Förderung von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien und Energieeffizienz einzusetzen. In der Zeit von 2014 bis 2019 wurde auf diesem Wege 15 Projekte gefördert.

„Tu was Du kannst“ hat sich die Stadt also immer auch selbst zu Herzen genommen – was der Blick in die Aktivitäten in Ulm auch acht Jahre nach der Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats zeigt. Für die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben und Projekte hofft die Ulmer Stadtverwaltung auf die Bewilligung der Förderung einer*s Klimaschutzmanager*in.

Die Stadt Ulm ist im Jahr 2019 als eine der ersten Kommunen der Allianz für Entwicklung und Klima des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beigetreten. Ziel der Allianz ist die Vermeidung, Reduktion und Kompensation von CO2, um zum Klimaschutz beizutragen. Die Verwaltung entwickelt aktuell ein Konzept für eine „Klimaneutrale Stadtverwaltung“. Zusätzlich wird im Rahmen des Projektes „Zukunftsstadt Ulm 2030“ angestrebt, Nachhaltigkeit in Kooperation mit Bürger*innen unter Nutzung ressourceneffizienter digitaler Techniken in der Stadtentwicklung zu etablieren. Für die Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele werden sich in den kommenden Jahren weiterhin zahlreiche Ulmer*innen engagieren.

Fotos: SWU; Stadt Ulm/ Abteilung für Vermessung