Energie-Kommune des Monats: Herne

August 2020

EKdM_Herne_Foto-Stadt Herne 2_lang

Als Großstadt im Herzen des Ruhrgebiets wurde in Herne seit den 1850er-Jahren Steinkohle abgebaut. Erst durch den Bergbau konnte die Stadt, die heute mehr als 156.000 Einwohner*innen zählt, zur Großstadt werden. Mit dem Wachstum stiegen jedoch auch die Folgen dieses extraktiven Wirtschaftsmodells. Zwar wurden die größten Schäden des Steinkohleabbaus in den 1990er-Jahren im Rahmen des Landesmodellprogramms „Ökologische Stadt der Zukunft“ beseitigt, dies verursachte jedoch einen finanziellen Aufwand in Millionen Höhe. Seitdem sieht man in Herne vor allem die Chancen des Klimaschutzes. „Die verschiedenen Aktivitäten, die in Herne im Sinne des Klimaschutzes angegangen werden, sind für die Stadt eine große Chance. Sinkende Energiekosten können Ausgaben minimieren und gleichzeitig die Lebensqualität in der Stadt verbessern“, erklärt Jana Ermlich, die Klimaschutzmanagerin der Stadt.

Erneuerbare Energien in der Metropolregion
Da Wind- und Wasserkraft aufgrund der hohen Siedlungsdichte in der Metropolregion Rhein-Ruhr zur Erzeugung von nachhaltigem Strom nicht zur Verfügung stehen, setzt Herne hier vor allem auf Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen). Hier steckt sich die Stadtverwaltung hohe Ziele: Im Klimaschutzkonzept von 2013, das im letzten Jahr erneuert wurde, wurde beschlossen, dass der Energieverbrauch bis zum Ende des Jahrzehntes um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden soll. Beim Ausstoß von Treibhausgasen geht die Stadt noch weiter, hier können bis 2030 51 Prozent der Treibhausgasemissionen verglichen mit dem Ausstoß von 1990 eingespart werden.
Das größte Vermeidungspotenzial sieht die Stadt durch die Installation von PV-Anlagen, so sollen Einsparungen von 73.000 Tonnen jährlich möglich sein. Damit dieses Ziel erreicht wird, unterstützt die Stadt deren Ausbau als Pilotkommune. Im Pilotprojekt wird die Installation von PV-Dachanlagen von zehn Haushalten mit 1.000 Euro (700 Euro städtische Mittel, 300 Euro Regionalverband Ruhr) pro Haushalt unterstützt. Gleichzeitig begleitet die Stadt dieses Angebot mit Workshops, Best-Practice-Beispielen und spricht Quartiere mit besonders hohem Solarpotenzial direkt an.
„Mit vielfältigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen soll ein großer Kreis von Herner*innen zum Thema informiert und der private Ausbau im Stadtgebiet gefördert werden“, fasst die Klimaschutzmanagerin zusammen. Mithilfe dieser Maßnahmen soll der positive Trend der Endenergiebilanz der Stadt fortgesetzt werden. Diese ist zwischen 2013 und 2018 um fast 17 Prozent von 3.215.720 Megawattstunden (MWh) auf 2.674.658 MWh gesunken.

Die Stadt als Vorbild
Herne fördert nicht nur Privathaushalte, sondern übernimmt auch Verantwortung. „Stadt als Vorbild“ ist einer der fünf Leitsätze des Klimaschutzkonzeptes von 2019. Dort geht Herne durch strategische Stadtsanierungen, optimiertes Energiemanagement und einer bürger*innennahen Kommunikation als gutes Beispiel voran. Besonders erfolgreich ist das Teilprojekt „Energiesparen macht Schule“ der Energieeffizienzkampagne „mission E“ der Stadt. Dort werden seit 2012 hauptsächlich durch nicht-investive Maßnahmen Einsparungen im Bereich Wärme und Strom realisiert. Das Energiesparprojekt begleitet  in Herne zahlreiche Kinder in allen Kindertagesstätten und an 28 Schulstandorten bis zur weiterführenden Schule.  Es werden Inhalte zu Themen wie Energiesparen durch Nutzerverhalten und zur Ressourcenschonung vermittelt. Gleichzeitig leistet das Projekt einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und zum Klimaschutz. Zwischen 2012 und 2018 konnte so die Emission von 3.710 Tonnen CO2 vermieden werden. Durch Optimierungen der Verbräuche wurden außerdem 1,4 Millionen Euro eingespart, diese werden teilweise als Prämien an Projektteilnehmer weitergegeben. Bis 2018 wurden so 520.000 Euro ausgeschüttet, zusätzlich wurde der städtische Haushalt um 880.000 Euro entlastet. „Auch die Stadt hat die Wichtigkeit von Projekten wie „Energiesparen macht Schule“ erkannt und führt es seit dem Auslaufen der Förderung 2015 durch das Bundesumweltministerium aus eigenen Mitteln weiter.“, erklärt Jana Ermlich. Ähnliche Projekte sind bereits in Planung.

Klimafreundlich Wohnen in Herne
Klimaschutzsiedlung (1)Energetische Sanierungen werden in Herne durch klimaneutrales Bauen und neue Quartiere sowie Wohnkonzepte ergänzt. Hier stechen besonders drei Projekte hervor: Im Rahmen des Projekts „Klimaviertel“ der lokalen Stadtwerke in Herne-Sodingen, wurden 2019 sieben hocheffiziente Einfamilienhäuser fertiggestellt. Jedes davon wurde bereits bezogen und ist mit jeweils unterschiedlichen Technologien ausgestattet. So unterscheiden sich Dämmstandards, Photovoltaikmodule, Speichertechnologien oder die Art der Wärmepumpen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut UMSICHT soll festgestellt werden, welche Technologien am effizientesten zusammenarbeiten. Dieses „Versuchslabor“ soll den Stadtwerken Herne später als Blaupause für eine großflächige Umsetzung dienen. Eins steht jedoch fest – effizient sind alle Häuser. In den Sommermonaten sind die Einfamilienhäuser teilweise bereits autark was Strom und Wärme betrifft. Im Jahresmittel können sie so einen Autarkiegrad von bis zu 75 Prozent erreichen.
Ein weiteres innovatives Bauprojekt ist das „we-house“. Schon während der Sanierung des ehemaligen Bunkers, steht eine ökologische Bauweise im Mittelpunkt. Nach Fertigstellung des 2019 begonnen Projektes, sollen auf 625 Quadratmetern PV-Anlagen das Haus mit nachhaltigem Strom versorgen. Strom, der auch zum Laden der hauseigenen Elektroautos und zur Wärmeproduktion genutzt wird. Der Oberbürgermeister der Stadt, Dr. Frank Dudda, steht hinter dem Projekt: „Es ist ein herausragendes Konzept, das gut in unser Konzept der grünen Infrastruktur passt“.
In Deutschland bisher einmalig, wird im – vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten –Sanierungs- und Bauprojekt „Shamrockpark“, der nahezu die Größe eines Stadtteils besitzt, ein innovatives Energieversorgungssystem eingesetzt. Dieses kombiniert ein warmes und ein kaltes Rohrleitersystem: ein so genanntes Ectogrid. Das von E.ON entwickelte und von der Kooperation aus Avacon Natur, den Stadtwerken Herne und dem Gebäudeeigentümer FAKT AG realisierte System funktioniert wie eine thermische Batterie, in die Wärme sowie Kälte eingespeist und entnommen werden können. Wärme- und Kälteleiter sind miteinander verbunden, sodass beispielsweise der Rücklauf der Wärmepumpe zur Kühlung des kalten Leiters verwendet wird. Als Reallabor der Energiewende soll das Projekt helfen, die Kohlendioxid-Bilanz in Städten langfristig zu senken. Zusätzlich zum Ectogrid sollen auf zwei Parkhäusern PV-Anlagen installiert werden, die nachhaltigen Strom bereitstellen, der wiederum in Wärme beziehungsweise Kälte umgewandelt werden oder zum Laden von Elektroautos verwendet werden kann.

Alle diese Maßnahmen folgen dem interdisziplinären Ansatz der Stadt, die ein gutes Leben in Herne mit dem Thema Klimaschutz verknüpft. „Im Mittelpunkt steht die Lebensqualität der Bürger vor Ort und Maßnahmen, die vorrangig dem Klimaschutz dienen, können dabei helfen“, erklärt die Klimaschutzmanagerin der Stadt. Ob durch neuartige Bauprojekte, Sanierung von Schulen oder der Finanzierung von Solaranlagen, die ehemalige Bergbaustadt übernimmt Verantwortung beim Klimaschutz und in der Energiewende.

Fotos: Stadt Herne, Fachbereich Vermessung und Kataster; Stadtwerke Herne