Energie-Kommune des Monats: Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog

Juni 2020

IWO-Pressefoto_WuW-Region_FWLKWenige Orte in Deutschland sind so direkt von den Folgen des Klimawandels betroffen wie die auf Meereshöhe gelegene Gemeinde Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog (FWLK). Der nordfriesische Koog wurde dem Meer erst 1954 abgetrotzt und bietet seit 1957 knapp 200 Einwohner*innen eine Heimat. Schon früh wurden hier die Chancen der Energiewende für die Gemeinde erkannt. 1989 ging in FWLK der damals größte Windpark Europas ans Netz. Zwei Jahre später folgte der erste Bürger*innenwindpark Deutschlands und seitdem wurde die Energieproduktion der Gemeinde durch Repowering und der Installation von neuen Anlagen stetig ausgeweitet. Heute ist die Gemeinde Standort für 30 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 70 Megawatt. Seit 2017 ist sie außerdem Wind-und-Wärme-Modellregion. Damit festigt die Gemeinde ihre Rolle als Innovator in der Region und deutschlandweit.

Über Zusammenarbeit zur Akzeptanz
Das seit über 30 Jahren konstante Engagement der Bürger*innen in der Energie- und Wärmewende erklärt Bürgermeister Christian Nissen so: „Die Faszination Ressourcen schonend zu wirtschaften liegt vielen Lübke-Koogerinnen und Lübke-Koogern, die als Landwirte immer erneuerbare Rohstoffe produziert haben, in den Genen. Wir versuchen nicht in Wahlperioden, sondern in Generationen zu denken.“ Damit verdeutlicht Bürgermeister Nissen, wie wichtig die Zusammenarbeit der Einwohner*innen für den Erfolg der Gemeinde bei ihrer Transformation war. Bis heute verfügt FLWK über kein niedergeschriebenes Klimaschutzkonzept, dafür halten 95 Prozent der Bevölkerung Anteile am genossenschaftlichen Windpark. Das Erfolgsrezept der Gemeinde ist der schnelle und konsequente Einbezug der Bürger*innen bei der Durchführung neuer Projekte. „Das sind die Stärken einer kleinen Gemeinde: kurze und schnelle Entscheidungswege bei hoher Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger“, so der Bürgermeister. Daher verwundert es nicht, dass gerade der Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog im Jahr 2017 als bundesweit einzige Wind-und-Wärme-Modellregion ausgewählt wurde, mit dem Ziel, diese beiden Sektoren intelligent zu verknüpfen.

Die Wind-und-Wärme-Modellregion
IWO-Pressefoto_Eroeffnung_WuW-Region_FWLKDie Stromexportgemeinde versorgt schon heute circa 100.000 Haushalte mit regenerativem Windstrom. Gemeinsam mit den Partnern ArgeNetz, dem Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO) und dem Bürger*innenwindpark will sich die Gemeindeverwaltung auch, über den Bereich der regenerativen Stromerzeugung hinaus, in der Wärmewende engagieren. Die Wind-und-Wärme-Modellregion soll hier Synergien zwischen Strom- und Wärmeversorgung nutzbar machen und als Vorbild für weitere Gemeinden dienen. Im Projekt wird erprobt, inwieweit Überkapazitäten bei der Erzeugung von Windstrom für die lokale Wärmeversorgung genutzt werden können. Dank Power-to-heat-Technologien und virtuellen Kraftwerken ist man hier mittlerweile einen großen Schritt weiter, was die Kopplung von Windstrom und Heiztechnik angeht. Nach der Konzeptphase wurde 2018 mit der Umsetzung des Projekts begonnen. Hier soll bis Ende 2020 eine Auswertung vorgelegt werden, welche die Machbarkeit und das Potenzial der Modellregion für die Nutzung von abgeregeltem Strom bewertet.

Zum Vergleich: 2014 wurden „nur“ 1,2 Milliarden Kilowattstunden Windstrom abgeregelt und damit nicht in die Leitungen eingespeist. Der Anstieg der Produktionskapazitäten und der gleichzeitig unzureichende Ausbau der Netzkapazitäten führten dazu, dass in den letzten Jahren immer mehr Strom abgeregelt werden musste, um einer Überlastung der Netze vorzubeugen. Bis 2017 hat sich so die Menge des abgeregelten Stroms auf über 5,5 Milliarden Kilowattstunden mehr als vervierfacht. In Schleswig-Holstein allein machte die Menge des abgeregelten Stroms mit 2,86 Mrd. Kilowattstunden mehr als die Hälfte des bundesweit abgeregelten Stroms aus.

IWO-Pressefoto_Objektbericht_Nissen_HausAls im selben Jahr mit der Planung der Modellregion begonnen wurde, konnten 13 der 80 Haushalte der Gemeinde durch verschiedene Informationsveranstaltungen für das Projekt gewonnen werden. Hierfür wurde in den Pilothaushalten bis April 2019 eine Öl-Hybridheizung installiert, die von der Verbrennung von Öl auf eine Elektroheizung umstellt, sobald der lokal produzierte Windstrom nicht mehr in das Stromnetz eingespeist werden kann. Das System läuft schon jetzt vollautomatisch und wird vom virtuellen Kraftwerk der ArgeNetz in Husum gesteuert. Dort wird sichergestellt, dass gezielt und ausschließlich abgeregelter Strom zur Gewinnung von Wärme genutzt wird. Aktuell befindet sich das Projekt noch in der Testphase, erste Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass es möglich ist, zwischen 30 und 40 Prozent der Heizenergie aus anderweitig abgeregeltem Windstrom zu gewinnen.
Obwohl der Abschlussbericht des Projektes noch nicht fertiggestellt ist, spricht der Bürgermeister der Gemeinde davon, dass erste Auswertungen sehr vielversprechend seien. „Beim Projekt ging es darum, die Möglichkeit der Nutzung von zuvor abgeregeltem Windstroms zu Heizzwecken in größerem Umfang zu prüfen. Der Beweis dafür ist erbracht“, so Bürgermeister Nissen.

Handlungsbedarf sieht der Bürgermeister vor allem bei der Politik, denn obwohl das System technisch funktioniert, ist dessen Wirtschaftlichkeit noch nicht sichergestellt. Aktuell werden die Projektteilnehmer*innen mit 22 Cent pro Kilowattstunde durch die Gemeinde bezuschusst. Das bedeutet für die Gemeinde, dass, sollten sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, die Nutzung von Öl als Hauptwärmequelle weiterhin günstiger bleibt. Konkret heißt das, Windenergieanlagen würden weiterhin abgeregelt, obwohl sie sinnvoll Strom produzieren könnten. Das Einsparpotenzial der fossilen Brennstoffe kann so mittelfristig nicht genutzt werden. „Hier ist deutlicher Handlungsbedarf vorhanden, um eine Gleichrangigkeit der Energieträger herzustellen. Wir hoffen da auf die Politik“, kommentiert Bürgermeister Nissen.

Öl ist nicht gleich Öl
Da sich gerade in dünn besiedelten Gebieten, wie in FWLK, eine zentrale Wärmeversorgung aufgrund der großen Abstände zwischen den einzelnen Abnehmer*innen schwer umsetzten lässt, und der abgeregelte Strom nur bis zu 40 Prozent der Wärmeenergie eines Haushaltes bereitstellen kann, bleiben die Lübke-Kooger*innen mittelfristig zumindest teilweise auf Öl als Energieträger angewiesen. Um dennoch möglichst klimaschonend Wärme produzieren zu können, hat das IWO im Rahmen der Modellregion einen erneuerbaren Energieträger aus Reststoffen entwickelt, der dem regulären Heizöl im Verhältnis eins zu eins beigemischt wird. Damit kann der Verbrauch von Heizöl erneut um die Hälfte reduziert werden. Das Konzept soll so zunächst als Vorbild für Schleswig-Holstein dienen, denn hier gibt es nicht nur viel Wind, sondern auch noch rund 200.000 Ölheizungen.

Das Potenzial ist enorm, die Machbarkeit weitestgehend bestätigt. „Daher müsse man sich die Frage stellen: Können wir es uns auf Dauer leisten, leistungsfähige Windkraftanlagen einen Großteil der Zeit ungenutzt stehen zu lassen, wenn es eine Alternative gibt?“, resümiert der Bürgermeister der Modellregion. Dass die Gemeinde sich damit nicht zufrieden gibt, scheint klar. Hier werden schon die nächsten Projekte geplant, die helfen sollen, den produzierten Windstrom auch effektiv zu nutzen. Die kleine Gemeinde bleibt weiter Innovator. So ist aktuell ein Konzept zur Förderung der Elektromobilität in Planung und auch die Erstellung einer Wasserstoffstrategie ist angedacht.

Fotos: IWO / WuW

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