Energie-Kommune des Monats: Mannheim

Juli 2021

Auch als „Quadratestadt“ bekannt, da das Stadtgebiet zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Planstadt konzipiert wurde und die Einteilung der Innenstadt in Häuserblocks bis heute erhalten geblieben ist, liegt die Stadt Mannheim am Zusammenfluss von Rhein und Neckar. Mit etwa 310.000 Einwohner*innen darf sich Mannheim die drittgrößte Stadt Baden-Württembergs nennen.

Für die Dekarbonisierung der Energieversorgung spielt besonders der Wärmesektor eine große Rolle, da auf ihn etwa die Hälfe des Energieverbrauches fällt. Als Industriestadt mit dem größten Steinkohlekraftwerk Deutschlands, ist die Dekarbonisierung der Fernwärme ein Schlüsselfaktor zum Gelingen der Klimaneutralität Mannheims. In der Energierahmenstudie Mannheim, welche das Energieversorgungsunternehmen MVV Energie in Abstimmung mit der Stadt beim Wuppertal Institut in Auftrag gegeben hat, wird vor dem Hintergrund des Pariser Klimaschutzabkommens untersucht, wie die Fernwärmenachfrage in Mannheim bis 2050 vollständig mit grüner Fernwärme gedeckt werden kann. Mit dem Leitbild „Mannheim 2030“ und dem Dringlichkeitsplan soll Klimaneutralität schon früher erreicht werden. Aktuell wird der Klimaschutz-Aktionsplan 2030 erarbeitet, in dem Emissionsreduktionsziele für einzelne Sektoren festgelegt werden. In den Prozess miteinbezogen werden neben der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft auch Initiativen, Verbände sowie die Bürger*innen. Die Veröffentlichung des Aktionsplanes ist für Frühjahr 2022 angestrebt.

Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz zu dem Vorhaben: „Die Erstellung des Klimaschutz-Aktionsplans 2030 ist eines der wichtigsten Vorhaben der Stadt Mannheim, um das strategische Ziel der Klimaneutralität aus dem Leitbild ‚Mannheim 2030‘ umsetzen. Die Städte sind Treiber einer ambitionierteren Klimapolitik – als besonders Betroffene aber auch als die Orte, an denen die Transformation organisiert werden muss.“

Foto: Unsplash/ Recorder Ma

Ausreichend grünes Potenzial, um die Fernwärme-Nachfrage nachhaltig zu decken

Der Anschluss der Mannheimer Innenstadt an das Fernwärmenetz erfolgte bereits im Jahr 1959. Heute sind 60 Prozent der städtischen Haushalte an das Netz angeschlossen. Das macht die Bedeutung der Fernwärme für Mannheim deutlich: Im Bundesdurchschnitt liegt der Anschluss an die Fernwärme nur bei knapp 14 Prozent. Das Fernwärmenetz, betrieben von MVV Energie, ist mit rund 600 Kilometern eines der größten Fernwärmenetze Europas und versorgt 165.000 Haushalte in Mannheim und der anliegenden Region. Die Wärmeabgabe beträgt pro Jahr 2,2 - 2,9 Terawattstunden (TWh). Um die Dekarbonisierung der Mannheimer Fernwärme voranzutreiben, wurden in der Energierahmenstudie die wichtigsten erneuerbaren Energieträger festgestellt: Zukünftig soll die Tiefengeothermie eine entscheidende Rolle für die klimafreundliche Fernwärme spielen. Auch auf thermische Abfallbehandlung, Biomasse, Flusswärmepumpen und industrielle Abwärme soll laut der Energierahmenstudie gesetzt werden.

Die Erschließung der geothermischen Potenziale in der Region wird durch die Standortvorteile als große Chance gesehen. Die Potenziale der Energieerzeugung durch Geothermie werden derzeitig durch MVV Energie in Kooperation mit der EnBW südlich der Stadt geprüft. Geschätzt wird eine mögliche Leistung zwischen 20 und 100 Megawatt (MW).

Einen wesentlichen Anteil an der angestrebten Treibhausgasminderung wird die Stilllegung des Großkraftwerks Mannheim (GKM) haben, die auf der Grundlage des geltenden gesetzlichen Rahmens für 2033 zu erwarten ist. Zudem ist seit 2020 eine Anbindung der Thermischen Abfallverwertungsanlage (MHKW Mannheim) an das Fernwärmenetz geschaffen. Im MHKW Mannheim werden pro Jahr etwa 700.000 Tonnen Abfälle thermisch behandelt. Zunächst musste eine 410 Meter lange Anbindeleitung unter dem Altrhein verlegt werden, jetzt können so bis zu 600 MWh/a Fernwärme in das Netz eingespeist werden.

Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender der MVV Energie AG: „Dem GKM haben Mannheim und die Region viel zu verdanken; das ist nicht vergessen. Nun geht es jedoch darum, den Weg zur Klimaneutralität aktiv zu gestalten. Wir stehen hier in Mannheim vor nichts weniger als der Zukunftsaufgabe, die Fernwärme zum zweiten Mal neu zu erfinden. Und dafür setzen wir auf alle grünen Optionen“.

Der MVV-Chef hebt gleichzeitig die Bedeutung Mannheims als deutschlandweite Modellstadt für Klimaneutralität hervor: „Wir haben in Mannheim sehr gute Voraussetzungen, die Stadt zu einer „Energiewendestadt par excellence“ zu machen. Und wir als MVV verfügen über die Zukunftstechnologien und das Know-how, um hier das Energiesystem der Zukunft zu bauen. Wir gehen den „Mannheimer Weg“ – von Paris über Brüssel und Berlin in die Quadratestadt an Rhein und Neckar.“

Dekarbonisierung auch bis zum Jahr 2030 möglich?

Das Bündnis Mannheim Kohlefrei setzt sich für eine klimaneutrale Energieversorgung der Stadt bis spätestens zum Jahr 2030 ein. In einer Studie des Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik Kassel im Auftrag von BUND Heidelberg und dem Umweltforum Mannheim wurden diese Potenziale bestätigt. Das Szenario orientiert sich am aufgezeigten Pfad der Energierahmenstudie bis 2030. Der errechnete Gesamtwärmeverbrauch liegt für das Jahr mit 2,336 TWh Wärme knapp unter dem Szenario der Energierahmenstudie. Auch die Anteile der Energieträger sind in der Studie unterschiedlich: Das Szenario von Mannheim Kohlefrei setzt auf einen größeren Anteil der Tiefengeothermie sowie der thermischen Abfallbehandlung. Zudem wird mit dem Szenario das Ende der Steinkohleverstromung im Großkraftwerk bis zum Jahr 2027 angestrebt.

Foto: Unsplash / Mnyar SamirDer Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Stadt erfordert die Mitarbeit aller Akteur*innen. Deswegen setzen sich für die Ausarbeitung des Klimaschutz-Aktionsplan 2030, der bis zum Frühjahr 2022 vorliegen soll, alle an einen Tisch: Gebildet wurden Projektgruppen wie der Lenkungskreis, ein Bürgerrat „Klimaschutz 2030“ und themenspezifische Strategiegruppen.

Die Teilnehmer*innen strukturieren Zielsetzungen und Handlungsfelder, bringen Ideen ein und wandeln diese in konkrete Maßnahmen um. Der Bürgerrat setzt sich aus 24 zufällig ausgewählten Mannheimer*innen zusammen. Sie können Bedürfnisse wie auch Erwartungen in den Prozess einbringen und Themen in die Strategiegruppen heben. Auch für engagierte Jugendliche sind mit dem Jugendgipfel und Schüler*innenkonferenzen Beteiligungsmöglichkeiten vorgesehen.

„Wir setzen den mit dem Leitbild begonnenen Veränderungsprozess fort und beschleunigen mit dem Klimaschutz-Aktionsplan 2030 noch einmal das Tempo zur Klimaneutralität auf ein Ziel deutlich unter 2050. Dabei setzen wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Projekte der Transformation der Industrie und der Dekarbonisierung der Fernwärme unter Berücksichtigung des Ziels eines gerechten Übergangs. Als Stadt der Bürgerbeteiligung gehen wir diese Herausforderung der Energie-, Wärme- und Mobilitätswende als Gemeinschaftsaufgabe an, weil nur so dieser tiefgreifende Wandel gelingen kann“, so Oberbürgermeister Kurz zur Erarbeitung des Klimaschutz-Aktionsplans 2030.

Maßnahmen über die Fernwärme hinaus

Für die Mannheimer Wärmewende spielt auch die energetische Sanierung eine wichtige Rolle, um den Wärmebedarf zu senken. Bereits seit 20 Jahren legt die Stadt ein lokales Förderprogramm zur energetischen Sanierung auf, welches sich großer Beliebtheit erfreut: So ist der Fördermitteltopf für die Sanierung im Jahr 2021 bereits erschöpft. Ergänzend gibt es auch ein Förderprogramm für Solarenergie, den Solarbonus sowie einem Begrünungsprogramm für Dächer, Fassaden und Entsiegelung. Der Solarbonus für private Haushalte wird von MVV gefördert. Der Klimaschutzfonds Stadt Mannheim für eigene und öffentliche Liegenschaften – Solarausbau und Begrünung – wird im Zeitraum 2020 bis 2023 mit 2,5 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Alle Programme werden über die Klimaschutzagentur Mannheim betreut.

Weitere Maßnahmen, die in Klimaschutzszenarien für das Erreichen der Klimaneutralität ausschlaggebend sind, umfassen eine Photovoltaik-Offensive auf Dach- und Freiflächen wie auch die Umsetzung der Verkehrswende – insbesondere die Stärkung des ÖPNV, des Radverkehres und der Elektro-Mobilität.

Mannheim hat sich große Ziele gesetzt und zeigt, wie diese durch die Beteiligung der gesamten Stadtgemeinschaft noch verschärft, konkretisiert und umgesetzt werden können. Damit setzt die Stadt ein klares Zeichen, dass Handlungen zugunsten des Klimaschutzes eine Aufgabe von heute sind und das Engagement aller benötigt.

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