Schlöben

1. Die Kommune

1.1 Strukturelle und sozioökonomische Ausprägungen

Die Gemeinde Schlöben liegt im thüringischen Saale-Holzland-Kreis. Mit einer Einwohnerzahl von 922 (Stand 2019) und einer Bevölkerungsdichte von 58 Einwohner*innen pro Quadratkilometer bei einer Gesamtfläche von 15,86 Quadratkilometer handelt es sich um eine recht kleine Ortschaft. Das Dorf hat sich jedoch zum Anziehungspunkt junger Familien entwickelt, weshalb die Einwohnerzahl kontinuierlich wächst. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen beträgt 18.992 Euro und liegt damit innerhalb des Bundeslandes im Durchschnitt . Die Gemeinde Schlöben untergliedert sich in die sechs Dörfer Gröben, Mennewitz, Rabis, Schlöben, Trockhausen und Zöttnitz.

1.2 Lokale politische Entscheidungsstrukturen

Der Bürgermeister Hans-Peter Perschke ist zugleich Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft „Bioenergiedorf Schlöben eG“. Die Grundidee des sogenannten „Bioenergiedorfs“ ist eine vollständige erneuerbare Wärmeversorgung der Gemeinde Schlöben durch Bioenergie. Politische Entscheidungen werden durch den Gemeinderat getroffen. Darüber hinaus fungiert die größere benachbarte Ortschaft Bad Klosterlausnitz, als „erfüllende Gemeinde“, was bedeutet, dass Schlöben anfallende Verwaltungsaufgaben bei Bedarf an sie delegieren kann .

Foto: Bioenergiedorf Schlöben1.3 Politische Rahmenbedingungen

Mit einem Anteil an Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 59,3 Prozent (Stand 2019) zählt Thüringen zu den Spitzenreitern Deutschlands . Ungefähr die Hälfte davon stammt aus Windenergieanlagen (27 Prozent), gefolgt von Bioenergie (18,7 Prozent) und Photovoltaik (11 Prozent) .

Der Koalitionsvertrag der Landesregierung, bestehend aus Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, setzt das Ziel einer „100-Prozent-Versorgung aus erneuerbaren Energien bis spätestens 2040 mit einem Mix aus Solar- und Windenergie, Biomasse und Wasserkraft“. Darüber hinaus wird darin die Rolle der Kommunen für die Energiewende betont und Unterstützung „bei Investitionen in den Klimaschutz und eine nachhaltige Klimaanpassung“ zugesichert. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wird besonderer Wert auf „lokale Wertschöpfung und Standortverträglichkeit“ gelegt.


2. Die Erneuerbare-Energien-Projekte

2.1 Beschreibung der Fallbeispiele

Das Bioenergiedorf Schlöben umfasst drei zentrale Komponenten:

a) Die Biogasanlage am Standort Mennewitz ist an die Milchviehzucht des Agrarunternehmens „Wöllmisse“ Schlöben eG gekoppelt und setzt sich aus einem Stahlbeton-Fermenter, einem Nachgärbehälter und einem Gärrestelager zusammen. Ursprünglich wurde das Biogas durch drei Zündstrahl-Blockheizkraftwerken verwertet; im Jahr 2019 wurden sie durch zwei reine Gasmotoren ersetzt. Dabei entstehende Wärme kann unmittelbar am Standort genutzt werden. Zudem transportiert eine 1,6 Kilometer lange Biogasleitung den Energieträger von Mennewitz nach Schlöben. Dort wird er in sogenannten „Satelliten“-Blockheizkraftwerken verarbeitet, welche so heißen, da sie das Biogas nicht direkt am Standort der Biogasanlage nutzen.

b) Eine Holzhackschnitzelheizung wurde im ehemaligen Kesselhaus in Schlöben errichtet, um die Grundwärmeversorgung der Kund*innen des Dorfes zu decken. Ein 550 Kilowatt Holzhackschnitzelkessel, zwei 15.000 Liter Pufferspeicher sowie ein Not- bzw. Spitzenlastkessel gehören zum Bestand. Das zur Verfeuerung benötigte Holz stammt aus einem Umkreis von maximal 15 Kilometer in der Region, unter anderem aus der Landschaftspflege der Gemeinde, des Agrarunternehmens Wöllmisse und aus den Forsten der Umgebung.

c) Ein örtliches Wärmenetz mit einer Länge von 6 Kilometern verbindet Schlöben und Zöttnitz und dient zur Beheizung der Wohnräume sowie zum Transport von Warmwasser. Obwohl das unterirdische Verlegen der Leitungen großen Aufwand erzeugte, konnten zumindest Synergien genutzt und somit zugleich auch Glasfaser-Kabel für einen schnellen Internetanschluss verlegt werden.

2.2 Arten der finanziellen Beteiligung

Foto: Bioenergiedorf SchlöbenDa das Bioenergiedorf Schlöben als Genossenschaft konzipiert wurde, können sich die Bürger*innen der Gemeinde mit Eigenkapital daran beteiligen und erhalten im Gegenzug Stimmrechte in der Mitgliederversammlung. Über die finanzielle Beteiligung hinaus erhalten sie zudem einen kostenfreien Anschluss an das Nahwärme- und Telekommunikationsnetz und beziehen Wärme zu einem konstanten und stabilen Preis von 6,6 Cent/Kilowattstunde. Sämtliche Hausübergabestationen, welche die Fernwärme an die Zentralheizungen der Gebäude übergeben, sind dabei ebenfalls Eigentum der Genossenschaft.

2.3 Synergieeffekte mit weiteren Projekten

Das Bioenergiedorf Schlöben weist positive Synergieeffekte hinsichtlich weiterer Projekte auf: So wurde der lokale Ausbau des Wärmenetzes mit dem Verlegen eines Glasfaser-Breitbandnetzes für schnellen Internetzugang (mindestens 50 Megabytes pro Sekunde) kombiniert, indem die beiden unterirdischen Leitungen gemeinsam verlegt wurden . Über die Genossenschaft werden die Bürger*innen direkt an diesem Ausbau beteiligt: Genossenschaftsmitglieder erhalten einen kostenfreien Anschluss an das gekoppelte Nahwärme- und Telekommunikationsnetz. Der Netzausbau wurde im Rahmen des Förderwettbewerbs „Modellprojekte für den Breitbandausbau“ zu 90 Prozent vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert. Die Infrastruktur wird derzeit von der Thüringer Netkom GmbH betrieben.

2.4 Portrait des Projektträgers

Das Bioenergiedorf bzw. die Genossenschaft Bioenergiedorf Schlöben eG wurde im Jahr 2009 gegründet. Sie hat das Ziel, eine zentrale Wärmeversorgung für die Gemeinde aus erneuerbaren Energien (Biomasse) zu schaffen . Bereits drei Jahre später, im Jahr 2012, waren große Teile des Projekts realisiert. Die ländliche Umgebung Schlöbens und die etablierte Landwirtschaft vor Ort bieten dabei optimale Voraussetzungen für die Nutzung von Bioenergie. Durch die Organisation des Bioenergiedorfs als Genossenschaft, werden die Bürger*innen vor Ort direkt in die Energieversorgung mit einbezogen.

Der Vorstand der Bioenergiedorf Schlöben eG besteht aus Herrn Hans-Peter Perschke (Bürgermeister von Schlöben) und Herrn Matthias Klippel (Geschäftsführer des Agrarunternehmens Wöllmisse eG). Darüber hinaus existiert ein Aufsichtsrat bestehend aus drei Personen, unter dem Vorsitz von Herrn Jürgen Winkelmann.

Das Agrarunternehmen Wöllmisse eG wurde im Jahr 1991 gegründet und widmet sich der landwirtschaftlichen Urproduktion (Marktfruchtbau, Futterproduktion, Rinderhaltung) . Seither hat sich das Tätigkeitsprofil des Unternehmens stetig erweitert: Mittlerweile verfügt es auch über eine Solarstrom- sowie eine Biogasanlage und produzierte zwischenzeitlich sogar Biokraftstoff aus Raps. Die Organisation ist als Genossenschaft konzipiert, dessen Mitglieder größtenteils aus den eigenen Mitarbeiter*innen sowie Verpächter*innen der landwirtschaftlichen Flächen bestehen. Das Unternehmen ist zudem selbst Genossenschaftsmitglied des Bioenergiedorfs Schlöben eG.

Den Steckbrief von Schlöben finden Sie hier auch im PDF-Format.