Energie-Kommune des Monats: Hansestadt Hamburg

Mai 2023

Hamburg ist Deutschlands größter Seehafen, Logistikknotenpunkt und größter Industriestandort – deshalb steht die Hansestadt mit ihren 1,85 Mio. Einwohner*innen vor ganz eigenen Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende. Dabei bietet die Nähe zum windreichen Schleswig-Holstein Chancen, Windstrom von der Küste in der Stadt zu verbrauchen. Dafür investiert die Stadt gemeinsam mit Stakeholdern aus Wärme-, Verkehrs- und Stromsektor in die intelligente Vernetzung der Bereiche und bereitet Strom- und Wärmenetze auf die neue Rahmenbedingung vor, die ein nachhaltiges Energiesystem mit sich bringt. In einem 2022 von der Hansestadt veröffentlichten Eckpunktpapier zur Fortschreibung des Klimaplans strebt die Stadt bis 2045 entsprechend dem deutschen Klimagesetz eine Reduktion der CO2-Emissionen um 98 Prozent im Vergleich zu 1990 an. Dabei zeigen die bisherigen Maßnahmen aus dem ersten Klimaplan bereits Wirkung. Zwischen 1990 und 2020 konnten die Emissionen in Hamburg bereits um 36 Prozent reduziert werden. Durch weitere Modellprojekte und Investitionen in die Hamburger Wärmewende soll bis 2030 ein Rückgang der Emissionen um 70 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden. Dabei spielen die stadteigenen Hamburger Energiewerke eine wichtige Rolle.

Hamburger Energieberg Georgswerder auf der ehemaligen Mülldeponie (Foto: Hamburger Energiewerke GmbH).

Zweite Fortschreibung des Hamburger Klimaplans kommt noch 2023

Nachdem die Eckpunkte der zweiten Fortschreibung des Hamburger Klimaplans im Dezember 2022 gesetzt wurden, werden diese im Laufe des Jahres in den Sektoren Private Haushalte, Gewerbe Handel Dienstleistungen Industrie und Verkehr sowie sektorübergreifenden Maßnahmen weiter konkretisiert. 

Die Fortschreibung des Plans schließt damit an den vorherigen Klimaplan an. Der letzte Zwischenbericht vom November 2022 zum Umsetzungsstand des Plans kommt zu einer positiven Einschätzung bezüglich der Umsetzung und Zielerreichung der Maßnahmen des Klimaplans von 2019. So habe Hamburg bis 2020 gegenüber 2012 über zwei Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestoßen und damit die eigenen Klimaziele erreicht. Diese Einsparungen konnten durch die Umsetzung von fast 90 Prozent der im Klimaplan vorgesehenen Maßnahmen erreicht werden. Den größten Beitrag Emissionsreduktion leisteten dabei die Transformationspfade Wirtschaft sowie Wärmewende (inklusive Gebäudeeffizienzmaßnahmen) mit jeweils 34 bzw. 26 Prozent.

Einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele leisteten und leisten auch die im städtischen Eigentum befindlichen Hamburger Energiewerke (HEnW). Bereits heute produzieren die HEnW klimaneutralen Strom in eigenen Windparks und Freiflächen-Photovoltaikanlagen in und um Hamburg. Trotz einer für Großstädte typischen geringen Flächenverfügbarkeit investieren die Hamburger Energiewerke – um den steigenden Strombedarf zu decken - weiter in den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bis 2030 sollen 80 Prozent des HEnW-Stroms aus eigener klimaneutraler Erzeugung kommen. Projekte wie auf dem ehemaligen Deponiehügel in Georgswerder einer Binneninsel der Unterelbe im Süden der Stadt zeigen, wie eine gelungene Umnutzung von Flächen aussehen kann. Nach der Stilllegung der Deponie im Jahr 1979 wurde der Hügel aufwendig saniert und zum Energieberg Georgswerder umgestaltet. Mittels Windenergie- sowie Photovoltaikanlagen wird heute auf dem Berg erneuerbarer Strom für circa 4.000 Hamburger Haushalte bereitgestellt. Darüber hinaus stammt bereits der Strom der Vertriebsmarke Hamburg Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen, wie das Ökostrom-Gütesiegel „Grüner Strom.“ dem Energieversorger bestätigt. Vom verbrauchten Ökostrom investieren die HEnW für jede Kilowattstunde einen Festbetrag in Energiewende-Projekte und den  Ausbau  erneuerbarer Energien.

Die Hamburger Energiewerke versorgen aktuell über das 860 Kilometer lange und damit zweitgrößte Fernwärmenetz Deutschlands zirka 250.000 Haushalte in der Hansestadt mit Stadtwärme zum Heizen und zur Warmwasserbereitung. Darüber hinaus werden zahlreiche Industrie- und Gewerbekunden sowie Krankenhäuser und andere städtische Einrichtungen mit Stadtwärme beliefert.

Die Hamburger Stadtwärmeerzeugung ändert sich in den kommenden Jahren grundlegend. Das Kohlekraftwerk in Wedel wird bis 2025 durch den Energiepark Hafen ersetzt, spätestens 2030 geht dann das letzte verbliebene Kohlekraftwerk in Tiefstack vom Netz. Für die künftige Wärmeversorgung nutzen die Hamburger Energiewerke größtenteils vorhandene klimaneutrale Wärmequellen. Im Energiepark Hafen liegt der Fokus auf Abwärme aus energieintensiven Industriebetrieben, einer Müllverwertungsanlage und aus Klärwerksprozessen. Der Anteil klimaneutraler Wärme wird dort bei mehr als 55 Prozent liegen. Um die klimafreundliche Wärme südlich der Elbe in den Norden zu den Verbrauchern zu bringen, startete letztes Jahr der Bau eines neuen, 1.160 Meter langen Elbtunnels für die erforderliche Fernwärmeleitung. Er ist eine wichtige Voraussetzung, damit  der geplante Energiepark „Hafen an der Dradenau“ das Kohlekraftwerk in Hamburg Wedel 2025 ablösen und durch überwiegend klimaneutrale Wärme ersetzen kann. Neben Abwärme aus der Industrie und der Müllverbrennung sind am Standort des Heizkraftwerks Tiefstack Power-to-Heat, ein Aquifer-Wärmespeicher sowie zwei große Flusswasserwärmepumpen Bestandteile des Versorgungskonzepts. Mit Fertigstellung dieses Energieparks Tiefstack sinken die CO2-Emissionen der zentralen Hamburger Stadtwärmeversorgung gegenüber heute insgesamt um 70 bis 80 Prozent. Mit der Ablösung der beiden Kohlekraftwerke liefern die Hamburger Energiewerke den größten Einzelbeitrag, damit Hamburg seine Klimaziele erreicht. 

Sektorenkopplung in Hamburg als wichtiger Baustein für den Hochlauf neuer Technologien und die nachhaltige Versorgung der Stadt

Damit der geplante Transformationspfad erfolgreich verfolgt werden kann, muss die Hansestadt sektorenübergreifend planen und heute wichtige Richtungsentscheidungen treffen, damit die Stadt den zukünftigen Herausforderungen gewachsen ist, die neue Energienetze sowie regenerative Energieerzeugung mit sich bringen. Insbesondere bei der Bereitstellung nachhaltiger Wärme sowie der Elektrisierung des Verkehrs gibt es nicht die eine Lösung. Um den Hochlauf neuer Technologien wie Wärmepumpen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie der Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft zu stemmen, müssen Synergien zwischen den Sektoren gehoben und über Hebelmaßnahmen neue Effizienzen geschaffen werden. „Die Entscheidung für oder gegen ein Wärmenetz und die dort eingesetzten Wärmeerzeuger hat wiederum Auswirkungen auf die Gesamtanforderungen an Strom- oder Gasnetze“, erklärt Dr-Ing. Steffen Bechtel, Projektleiter für Sektorenkopplung und Wasserstoffwirtschaft der Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur GmbH. Bechtel führt weiter aus: „Für Wasserstoff als wichtigen Energieträger muss eine solche Infrastruktur neu geschaffen bzw. aus der Erdgasinfrastruktur umgewidmet werden.“ Neben der Erreichung der Klimaneutralität müssen weitere Aspekte wie Kosteneffizienz sowie die Bereitstellung ausreichender Speicherkapazitäten, Power-to-X-Technologien sowie einem verbesserten Lastmanagement zur Flexibilisierung des Energiesystems mitgedacht werden. Hamburg kann hier bereits auf Erfahrungen zurückgreifen, die in vorangegangen Modellprojekten gesammelt wurden.

Projekt „Norddeutsche Energiewende 4.0“ unterstreicht technische Machbarkeit der Modellprojekte

Als Teil der Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energiewende“ des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft wurde zwischen 2016 und 2020 das Projekt „Norddeutsche Energiewende 4.0“ (NEW 4.0) umgesetzt. „Schleswig-Holstein als Bundesland mit sehr hoher Erzeugung fluktuierender Windenergie und Hamburg als Bundesland mit hohem Energiebedarf bildeten dabei eine sehr gute Modellregion“, erklärt Dr.-Ing. Bechtel. Die im angrenzenden Bundesland produzierte Energie wurde in verschiedenen Projekten mittels intelligenter Vernetzung mit der hohen Nachfrage an Erneuerbaren Energien in der Hansestadt zusammengeführt. Unter anderem wurde eine Power-to-Heat Anlage der Wärme Hamburg GmbH (heute Teil der Hamburger Energiewerke GmbH) umgesetzt, Maßnahmen des Lastmanagements in den Produktionsanlagen der Trimet Aluminium SE und der Arcelor Mittal Hamburg GmbH sowie die Entwicklung einer auf Blockchain-IT-Produkten basierenden Energieplattform für Systemdienstleitungen der Hamburg Energie- und der Ponton GmbH hin auf ihre technische Machbarkeit geprüft. Diese wurde in allen Projekten nachgewiesen.

Im Anschlussprojekt „Norddeutsches Reallabor“ wird gerade im Teilprojekt „Integrierte Netzplanung“ (iNeP) eine Planung erarbeitet, wie die dezentrale erzeugte Energie effizient vom Erzeuger zum Verbraucher gelangen kann, sowie welche Anforderungen an Speicherkapazitäten und ein flexibles Strom- sowie Wärmemanagement gestellt werden müssen. Die Projektierer, die Hamburger Energienetzbetreiber, arbeiten gerade an einer Methodik, die zur Grundlage der Erstellung von Roadmaps zur Transformation der bestehenden Infrastrukturen dient. In Zukunft wird diese Methodik zur Planung für Ausbauempfehlungen für Netze und Speicher herangezogen werden und Punkte aufzeigen, wie Netze intelligent miteinander verknüpft werden können. Das erhöht zum einen die Planungssicherheit in der Zukunft, senkt gleichzeitig die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Energiewende und fördert so die Akzeptanz in der Bürger*innenschaft. Dabei lässt es die Hansestadt aber nicht bewenden, vielmehr sind in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Projekte geplant, welche die Sektoren der Stadt intelligent miteinander koppeln.

Hamburg plant weitere Investitionen in Millionenhöhe zur Kopplung der Sektoren

Mit seinem Engagement baut die Stadt an der Elbe ihre Vorreiterrolle bei der Dekarbonisierung der Industrie weiter aus. So befindet sich die Umstellung des Hamburger Stahlwerks von Arcelor Mittal zur Produktion von grünem Stahl mittels Wasserstoffs gerade in der Planung. Zuletzt wurde im Februar 2023 die Einzelnotifizierung durch die EU-KOM erteilt, damit eine Förderung des Vorhabens durch die Bundesregierung in Höhe von bis zu 55 Millionen erfolgen kann. Laut Planung soll im Werk von Arcelor Mittal die erste wasserstoffbasierte Direct-Reduced-Iron-Anlage entstehen. Aktuell wird für die Reduktion von Eisenerz noch Erdgas verwendet. Durch dessen vollständige Substitution mit grünem Wasserstoff plant der Stahlproduzent ab 2030 im Hamburger Werk nur noch kohlenstoffneutralen Stahl zu produzieren.

Im Bereich der Wärmewende arbeiten die Hamburger Energiewerke darüber hinaus daran, Geothermie in Hamburg-Wilhelmsburg für die Wärmeversorgung möglich zu machen. Nachdem in einer ersten Bohrung in 1.300 Metern Tiefe ein aussichtsreiches Thermalwasservorkommen gefunden wurde, wird das geothermische Reservoir gerade auf seine mögliche Leistung hin getestet und ausgewertet, um eine finale Entscheidung treffen zu können. Als Teil des Reallabors IW3 – Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanziell gefördert. Das Projekt wird wissenschaftlich durch das Verbundvorhaben mesoTherm begleitet, mit dem Ziel, Rückschlüsse über das geothermische Potenzial im Norddeutschen Becken gewinnen zu können.


Weitere Informationen zum Projekt Forum Synergiewende finden Sie hier: https://www.unendlich-viel-energie.de/projekte/forum-synergiewende/projekt-forum-synergiewende