Bioenergiedorf am Ziel

Bollewick hat bereits zentrale Projekte umgesetzt: Ein Bioenergiedorf deckt seinen Energiebedarf (Strom und Wärme) mindestens zu 50 Prozent aus regional erzeugter Bioenergie. Die Bürger werden in die Entscheidungsprozesse eingebunden und tragen den Gedanken des Bioenergiedorfs aktiv mit. Die Bioenergieanlagen befinden sich mindestens teilweise im Eigentum der Wärmekunden oder der Landwirte vor Ort, die nachhaltig bereitgestellte Biomasse stammt aus der unmittelbaren Umgebung. Dadurch steigt die Wertschöpfung vor Ort. Maßnahmen der Energieeffizienz und Energieeinsparung werden regelmäßig geprüft und umgesetzt.

Energie_vom_Land_hält_warm_Bollewick_Ole_Steindorf_Sabath_72dpi In Mecklenburg-Vorpommern haben über 80 Gemeinden einen Gemeinderatsbeschluss gefasst, mit dem Ziel, Bioenergiedorf zu werden. Bollewick hat die Kriterien bereits erfüllt und zentrale Prozesse sowie Investitionen durchgeführt. Die Gemeinde Bollewick liegt idyllisch in der Mecklenburgischen Seenplatte, wenige Kilometer südwestlich der Müritz. Der Name bedeutet mit seinen Bestandteilen „bolle“ für rund und „wick“ für Platz so viel wie Runddorf. Das Gemeindegebiet zwischen Müritz und oberer Elde ist durch Felder, kleine Wälder und Seen gekennzeichnet. Der 750 Jahre alte Ort beheimatet 640 Bewohner und die größte Feldsteinscheune Deutschlands.

Nahwärme dank Abwärme zweier Biogasanlage

Schon 2008 fassten die Gemeindevertreter und Bürger von Bollewick den Entschluss, die hiesige Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Gemeinsam wurde die Idee geboren und dann zusammen mit zwei örtlichen Landwirten und weiteren Vordenkern in der eigens dafür gegründeten ARGE, der Arbeitsgemeinschaft Bioenergie Bollewick, weiterentwikkelt, geplant und schließlich umgesetzt. Seit 2012 versorgt nun ein 3.500 Meter langes Nahwärmenetz 75 Prozent der Häuser des Ortes sowie die Feldsteinscheune und kommunale Gebäude mit klimafreundlicher Wärme. Sie stammt aus zwei Biogasanlagen, deren Abwärme (2,1 Millionen Kilowattstunden jährlich) durch das Nahwärmenetz an die Wärmekunden verteilt wird. Im Sommer, also wenn der Wärmebedarf geringer ist, trocknet die Abwärme Gärreste. Die Verteilung der Nahwärme wird mithilfe einer modernen und effizienten Wärmezentrale mit elektronisch geregelten Pumpen und 120 Kilowatt Speicher gesteuert. Im Jahr 2016 kamen drei weitere Hausanschlüsse hinzu, so dass Ende 2016 rund 60 Hausanschlüsse realisiert sein wurden. „Für uns war das Nahwärmenetz auf Basis von Bioenergie ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit, der gleichzeitig die Wertschöpfung in der Region erhöht", sagt Bertold Meyer, Bürgermeister der Gemeinde. „Wichtig war und ist uns ein ganzheitlicher Ansatz, der einerseits Einspar-, Erzeugungs- und Abnahmepotenziale vor Ort offenlegt und andererseits die lokale Bevölkerung an dem ökonomischen Nutzen der Projekte teilhaben lässt “, so Meyer.

DorfKERN – Bollewicks Netzwerk für die Energiewende

In Kooperation mit der Gemeinde und der ARGE haben lokale und regionale Unternehmen später die Plattform DorfKERN ins Leben gerufen, um die Verbindung zwischen Energiewende, Landschaftswandel und ländlichen Entwicklungsstrategien anschaulich, verständlich und nutzbar zu machen. Die Initiative dient als regionale Kontaktstelle und soll künftig Koordinator für kommunale Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte sein. Für die Initiierung des Netzwerkes DorfKERN wurde Bollewick 2011 vom Bundesumweltministerium im Rahmen des Wettbewerbs „Kommunaler Klimaschutz 2011“ mit dem Klimaschutzpreis ausgezeichnet. „In der Energiewende liegt eine große Chance für den ländlichen Raum, mit der Umstellung der Energieversorgung auf lokale, klimafreundliche Ressourcen auch die regionale Wertschöpfung zu erhöhen“, betont Meyer. „Die wichtigste Aufgabe besteht darin, möglichst viel der vor Ort durch regenerative Quellen erzeugte Energie auch vor Ort zu verbrauchen. Solange noch ein Tropfen Öl vor Ort für die Energieerzeugung verwendet wird, haben wir noch immer etwas zu tun.“

Power-to-Heat-Potenzialanalyse

Der ganzheitliche Ansatz der Nutzung heimischer Ressourcen steht auch hinter der Potenzialanalyse, die ein Ingenieurbüro im Auftrag der Gemeinde durchführte. Es wurde untersucht, ob und wie Strom aus Windenergieanlagen in Zeiten geringer Nachfrage für Power-to-Heat-Anlagen genutzt werden kann. „In Bollewick haben wir bereits einiges auf dem Weg zur Energiewende erreicht und versuchen, es nicht beim Stand der Dinge zu belassen, sondern auch weiterhin Ideen zu entwickeln und umzusetzen“, so Meyer.
Ein Symbol für diese Einstellung ist beispielsweise auch die Feldsteinkirche. Das Wahrzeichen der Gemeinde ist über 130 Jahre alt. Wo einst Hunderte von Kühen standen und Bauern in kleinen Wohnungen hausten, finden sich heute Läden und Werkstätten und auf dem Dach eine Solaranlage mit fast 1.000 Quadratmetern Kollektorfläche und einer Leistung von 99 Kilowatt peak. Bilanziell könnten mit dem Strom der Bollewicker Solar- und Biogasanlagen über 2.800 Haushalte versorgt werden.

Die Inhalte dieses Artikels stammen aus der Broschüre Energie vom Land hält warm der Agentur für Erneuerbare Energien.

Bildquelle
Ole Steindorf-Sabath