Lokale Ressourcen und lokale Wertschöpfung

Windmuehle_Grossefehn_72dpiDer dezentrale Charakter der Erneuerbaren Energien eröffnet Kommunen neue Handlungsmöglichkeiten zur ökonomischen Entwicklung. Vor allem der ländliche Raum ist Nutznießer des dezentralen Ausbaus, denn hier stehen genügend Flächen zur Verfügung, etwa für den Anbau von Energiepflanzen oder der Nutzung von Holz als wichtiger Energieträger. Die ländlichen Strukturen bieten vielerorts auch die Möglichkeit, Nahwärmenetze gemeinschaftlich zu verlegen, die meist eine optimale Ergänzung für den effizienten Betrieb einer Biogasanlage darstellen. Die Investitionen, welche im ländlichen Raum getätigt werden, sorgen für positive wirtschaftliche Effekte und stärken regionale Wirtschaftskreisläufe. Kommunale Wertschöpfung ist eine wichtige Triebfeder für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und zeigt, wie erfolgreich die Energiewende gestaltet werden kann.

Die Gemeinde Hürup liegt, auf plattdeutsch gesagt, „boben op“ – also „oben auf“, ganz weit im Norden der Republik, im Kreis Schleswig-Flensburg, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt Flensburg. Hier wohnen rund 1.200 Menschen. Viele der Einwohner vereint ein Leitsatz: Während Klimaschutz ein globales Ziel ist, muss die Umsetzung doch auf lokaler Ebene erfolgen. Daher gilt es den Hürupern, in kleinen Schritten die Energiewende selbst in die Hand zu nehmen. Denn sie wollen, dass das eigene Dorf auch noch 2050 „boben op“ in Schleswig-Holstein zu finden ist.

Energiewendestammtisch als Ideenschmiede

Ideenschmiede für die lokale Energiewende ist der Energiestammtisch, der seit rund fünf Jahren immer am letzten Donnerstag eines Monats zusammenkommt. Dabei finden sich 10 bis 20 Bürger zusammen und überlegen, welche Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden können, um bis zum Jahr 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Dieses Ziel ergibt sich aus dem Klimapakt der Region Flensburg, dem sich auch die sieben Gemeinden des Amtes Hürup angeschlossen haben. Zu den bisherigen Erfolgsgeschichten auf diesem Pfad gehören die Errichtung eines Bürgersolarparks, einer Initiative zum Carsharing und eine Einkaufsgemeinschaft für Ökostrom. Die Einkaufsgemeinschaft gibt es seit sechs Jahren. Sie hat einen Stromanbieter gefunden, der ihr einen eigenen Stromtarif anbietet, der den hiesigen Vorstellungen von konzernunabhängiger, klimafreundlicher, regionaler Erzeugung entspricht. Mittlerweile wurden schon über 170 Verträge geschlossen für den Bezug von Ökostrom, der sich aus 80 Prozent Windstrom und 20 Prozent deutscher Wasserkraft zusammensetzt.
Um die am Stammtisch besprochenen Ideen auch konkret umsetzen zu können, wurde 2015 der Verein „Boben Op Klimaund Energiewende e.V.“ gegründet. Er fungiert als Dachorganisation für konkrete Projekte und soll die gemeinsamen Anstrengungen für die Region stärker bündeln. Der Verein wiederum hat die Gründung der Energiegenossenschaft „Boben Op – Nahwärme und Kommunikation eG“ angestoßen, die Anfang 2016 vollzogen wurde. Die Genossenschaft übernahm im ersten Schritt im Neubaugebiet Norderlück die Nahwärmeversorgung. Langfristiges Ziel der Gemeinde ist es, eine Infrastruktur für die Nahwärmeversorgung in möglichst vielen Gebieten aufzubauen.

Mit dem Nahwärmenetz auf Basis Erneuerbarer Energien die Wertschöpfung vor Ort halten

Für Hürup wurde ein Energiekonzept erstellt, das eine Kombination aller derzeit zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energiequellen und die Nutzung der jeweils effizientesten zum gegebenen Zeitpunkt für die zukünftige (Nah-)Wärmeversorgung anstrebt. Ziel ist ein interkommunales Nahwärmeversorgungsnetz auf Basis verschiedener regenerativer Quellen wie Solarthermie und Biomasse in Kombination mit saisonalen Erd-Wärmespeichern. Auch an eine Biogas-Tankstelle wird gedacht. „Langfristig wollen wir fossile Energien vollständig ersetzen“, erklärt Christian Janout von der Gemeindevertretung die Vision der Hüruper. Das ambitionierte Konzept bzw. die Umsetzung der Maßnahmen wird durch das Amt, die Universität Flensburg und durch das ausgeprägte Engagement der Bewohner unterstützt.

Die ersten Pläne dazu gab es bereits 2012. Durch das bürgerschaftliche Engagement hat sich der Fortschritt schnell eingestellt. Am Energiestammtisch wurden alle Bedenken diskutiert und Pläne geschmiedet. Es gab Vorträge und Exkursionen, um allen Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über das Vorhaben zu informieren. „Gut ist, dass wir im Dorf Menschen haben, die immer wieder etwas anpacken und umsetzen“, sagt Bürgermeister Jan-Nils Klindt, „An diesen vielen Mutmachern orientieren sich die Bürger.“ Da es bereits Erfahrung mit der genossenschaftlich organisierten Wasserversorgung gab, war die Bevölkerung der neuen Wärmeversorgung gegenüber aufgeschlossen. Schon 2014 wurde dann die erste Leitung eines Wärmenetzes im Zuge einer anstehenden Kanal- und Straßensanierung verlegt, um Synergieeffekte bei den Tiefbauarbeiten zu nutzen und Kosten zu vermeiden. Das Amtsgebäude und die Paul- Jensen-Sporthalle haben jeweils bereits ein Biomethan-Blockheizkraftwerk (BHKW) erhalten, welche nun im Zuge des Wärmenetzbaus verbunden werden sollen, um deren Betrieb zu optimieren.

Im April 2016 begann die Erschließung des Neubaugebietes Norderlück in Hürup, das auch an das Nahwärmenetz angeschlossen wird. Dieses versorgt 14 Haushalte in Einfamilien- und Doppelhäusern. Im Zuge der Straßen- und Kanalisationsarbeiten wurden die Rohre für das Wärmenetz verlegt. Für die Versorgung des Neubaugebietes sowie weiterer Bestandgebäude entlang einer etwa einen Kilometer langen Trasse sorgen Pelletkessel, Biomethan-BHKWs oder eine Hackschnitzelheizanlage mit einer kombinierten Leistung von 400 bis 500 Kilowatt. Ein Ziel ist die Nutzung vorhandener Holzabfälle aus der hiesigen Landschaftspflege, welche so direkt vor Ort verwendet werden können. Das Gesamtkonzept umfasst darüber hinaus zwei Dach-Solarthermieanlagen mit einer Fläche von je 100 bis 150 Quadratmetern, die durch einen Wärmespeicher mit rund 100 Kubikmetern ergänzt werden. „Wir wollen das nutzen, was sinnvoll ist“, sagt Christian Janout von der Gemeindevertretung. „Es gibt hier genug Energie, um uns selbst versorgen zu können.“ Drei Millionen Euro geben die Bürger der Gemeinde jährlich für Energie und Treibstoffe aus, aber nun wolle man anfangen, diese Gelder größtenteils in der Region zu behalten. „Auf diese Weise stärken wir unser Dorf“, erklärt Bürgermeister Klindt.

Die Inhalte dieses Artikels stammen aus der Broschüre Energie vom Land hält warm der Agentur für Erneuerbare Energien.