"Mit Blick auf die Klimaschutzziele wird der Beitrag der Biokraftstoffe auch künftig unverzichtbar sein"

Wir sprechen mit Karin Naumann vom Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ) über ihr aktuelles Projekt zur Gewinnung von Biomethan als Kraftstoff, über die Umsetzung der REDII-Richtlinie in die deutsche Gesetzgebung und die Rolle der Biokraftstoffe neben der E-Mobilität im Verkehr.

Frau Naumann, Sie leiten am DBFZ das Projekt „Pilotanlage Synthetisiertes Biogas“. Hintergrund des Projekts ist die Gewinnung von Biomethan als Kraftstoff. Was sind die Ziele dieses Projekts und wie lang läuft es?

Das Vorhaben, welches ich gemeinsam mit Kati Görsch leite, dient dem Ziel, bisher nicht genutzte biogene Abfall- und Reststoffe für die Kraftstoffproduktion einzusetzen unter der Einbindung von grünem Wasserstoff. Vor diesem Hintergrund ist der Aufbau und Betrieb einer Pilotanlage im Technikumsmaßstab am DBFZ in Leipzig eine Säule des vom BMVI finanzierten Vorhabens. Die weitere Säule umfasst die Entwicklung von Verwertungskonzepten für die Praxis. Hierfür werden neben der technischen Weiterentwicklung und der ökonomisch-ökologischen Optimierung vor allem auch markt- und standortspezifische Analysen durchgeführt. Die erste Phase des Vorhabens läuft zunächst bis 2022, an die sich nach erfolgreicher Inbetriebnahme der Pilotanlage ein mehrjähriger Versuchsbetrieb anschließt.

Die Pilotanlage soll monatlich 25 bis 80 Normkubikmeter erneuerbares Methan herstellen. Was genau kann man sich mit dem Ziel der Nutzung als Kraftstoff darunter vorstellen?

Auch unsere Pilotanlage dient in erster Linie dem Erkenntnisgewinn beispielsweise zum Zusammenspiel von Komponenten und Apparaten oder dem Einfluss von Prozessparametern auf dessen Stabilität und Ausbeute und hat daher eine Kapazität, die sinnvoll händelbar ist und für Forschung und Entwicklung eine ausreichende sowie kostentechnisch darstellbare Flexibilität mit sich bringt. Wir planen, das produzierte Biomethan in komprimierter Form als Bio-CNG im DBFZ-Fuhrpark zu nutzen – bestenfalls realisieren wir alle 14 Tage eine Tankfüllung. Nach den erfolgreichen Betriebskampagnen steht die Anlage als Technologieplattform für Forschung und Entwicklung gleichermaßen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung und ist so gestaltet, dass flexibel unterschiedliche Technikmodule eingesetzt werden können.

Ist Biomethan eine echte Alternative zu Benzin, Diesel und nichtsynthetischen Biokraftstoffen?

Die politischen Zielsetzungen in Deutschland und Europa bei der Nutzung erneuerbarer Energien im Verkehrssektor fokussieren neben der Nutzung von Strom und dessen Folgeprodukten auch deutlich auf den Einsatz sogenannter fortschrittlicher Biokraftstoffe. Diese definieren sich gemäß der für ihre Produktion verwendeten Rohstoffe, welche nicht für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion geeignet sein dürfen. Der überwiegende Teil dieser Abfall- und Reststoffe eignet sich wiederum für die Produktion von Biomethan und das zu derzeit und absehbar wettbewerbsfähigen Randbedingungen. Dies bestätigen die zunehmenden Aktivitäten unterschiedlicher Akteure im Feld Biomethan für den Verkehr mit besonderem Fokus auf Bio-LNG für den Schwerlastverkehr.

Wichtig für Biokraftstoffe ist immer auch die im Dezember 2018 verabschiedete RED II, die Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der Europäischen Union für 2021 bis 2030. Diese sollte bis Ende Juni in deutsches Recht umgesetzt werden. 13 Agrar-, Energie- und Forstverbände kritisieren jedoch, dass es noch nicht umgesetzt wurde. Wie beurteilen Sie die Kritik? Welche Folgen kann diese noch nicht gemachte Umsetzung haben?

Neben einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren der EU ist vor allem die resultierende Unsicherheit für den Markt ein Effekt dieser Verzögerungen. Für fortschrittliche Biokraftstoffe ist die Ausgestaltung der deutschen Quote zur Treibhausgasvermeidung im Verkehr der entscheidende Aspekt zur Entwicklung dieses neuen Marktes und entsprechender Erlöse – im Wesentlichen sind das die §§ 37 a-g BimSchG sowie flankierende Verordnungen. Ohne diese Planungssicherheit werden gegebenenfalls auch Investitionen verzögert und damit Zeit verschenkt auf dem Weg zu mehr Klimaschutz im Bereich Mobilität und Transport.

Würden nur die Mindestanforderungen der RED II erfüllt, entspräche das einer THG-Quote von 5,3 Prozent. Ist dies mit Blick auch auf den aktuellen IPCC-Bericht noch ausreichend?

Die vom Bundestag im Mai beschlossene Weiterentwicklung der Quote zur Treibhausgasvermeidung mit 25 Prozent im Jahr 2030 ist da bereits ambitionierter und kann nach unseren Berechnungen je nach Szenario die Ziele der aktuellen RED II bis zu 3fach übererfüllen. Dennoch reicht die Nutzung alternativer Antriebe und erneuerbarer Kraftstoffe allein bei weitem nicht aus, um die für das Klimaziel erforderliche Emissionsreduktion zu erreichen. Im Übrigen zielt der am 14.07.2021 von der Europäischen Kommission veröffentlichte Vorschlag zur neuerlichen Anpassung der RED II auf eine THG-Vermeidung im Verkehrssektor von 13% im Jahr 2030 ab und enthält keine Mehrfachanrechnungen mehr. Die weiterentwickelte THG-Quote in Deutschland könnte dieses Ziel bereits erfüllen, wenn auch gegebenenfalls knapp.

Falls nein, welche Quote könnten die deutschen Hersteller von Biokraftstoffen erfüllen?

Derzeit werden in Deutschland vor allem Biodiesel auf Basis von Pflanzenölen und Altspeisefetten sowie Bioethanol auf Basis von Getreide produziert. Der Beitrag dieser Rohstoffe zur Erfüllung der THG-Quote wird jedoch durch regulatorische Obergrenzen limitiert. Die Produktion und Nutzung von fortschrittlichem Biomethan als Kraftstoff spielt hingegen noch eine untergeordnete Rolle - beinhaltet jedoch kurz- bis mittelfristig großes Entwicklungspotenzial. Auch technologisch hat Deutschland hier einen gewissen Vorsprung aufgrund der langjährigen Förderung über das EEG. Die durch deutsche Hersteller erreichbare Quote richtet sich daher einerseits nach dem Zubau an Kapazitäten für flüssige und v.a. gasförmige fortschrittliche Kraftstoffe. Andererseits wird jedoch vor allem die im Verkehr absetzbare Gaskraftstoffmenge - CNG und LNG - die Marktmöglichkeiten für Biomethan als Kraftstoff bestimmen. Ungeachtet dessen bedarf es enormer Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung, um perspektivisch weitere erneuerbare Kraftstoffe in den erforderlichen Mengen verfügbar zu haben.

Viele Autohersteller haben sich in den vergangenen drei Jahren sehr viel stärker als zuvor auf den Aufbau elektrischer Automodelle konzentriert. Wie sehen Sie die Zukunftschancen von Biokraftstoffen?

Die Konzentration auf elektrische Antriebe ist vor allem im Pkw-Bereich nicht zuletzt aus Klimaschutzgesichtspunkten ein vorgezeichneter Weg, wenn auch mit Blick auf eine ökologisch nachhaltige Bereitstellung und Nutzung noch einige Herausforderungen zu lösen sind. Der Austausch des Pkw-Bestandes mit derzeit etwa 48,5 Mio. Fahrzeugen kann jedoch nur sukzessive erfolgen, sodass hier auch nach 2035 noch erhebliche Mengen an Flüssigkraftstoff benötigt werden. Zudem sind Kraftstoffe mittel- bis langfristig weiterhin in den Verkehrsbereichen erforderlich, in denen eine Elektrifizierung nicht beziehungsweise nur eingeschränkt möglich ist – unter anderem im Schwerlastverkehr sowie im Luft- und Schiffsverkehr. Derzeit wird Klimaschutz im Verkehr nahezu ausschließlich durch Biokraftstoffe geleistet. Mit Blick auf die Klimaschutzziele wird ihr Beitrag auch künftig unverzichtbar sein.

Darf ich Ihnen zum Schluss noch zwei persönliche Fragen stellen? Corona ist vor allem für junge Menschen, die zur Schule gehen oder gerade ihren Abschluss gemacht haben, ein harter Einschnitt. Die Bezeichnung als verlorene Generation hilft diesen noch weniger. Was würden Sie ihnen beruflich raten, wie haben Sie sich während Ihrer Ausbildung motiviert?

Ausbildung oder Studium sind aus meiner Erfahrung vor allem ein wichtiger Abschnitt für die Persönlichkeitsentwicklung. Die Pandemie bedingten Maßnahmen schränken die Möglichkeiten dieser Entwicklung zur Selbständigkeit sicher in vielen Punkten ein. Das Interesse am Neuen und vor allem die  Möglichkeiten, die sich mit und nach einem erfolgreichen Abschluss ergeben, haben mich seinerzeit motiviert.

Wer hat Sie in der Vergangenheit inspiriert bzw. wer inspiriert Sie noch heute?

Hier kann ich nur schwer eine Person explizit herausheben. Ich habe das Glück, mich in einem sehr inspirierenden und motivierenden Arbeitsumfeld zu bewegen. Besonders meine Kolleg*innen am DBFZ aber auch die vielfältigen persönlichen Kontakte zu anderen Einrichtungen und Instituten sowie im privaten Umfeld ermöglichen immer wieder neue Impulse, Perspektivwechsel und Denkanstöße. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Pressekontakt

Anika Schwalbe
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
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