Fachagentur Nachwachsende RohstoffeEin Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

Rhön/ Gülzow, 20. September 2022 - In der bayerischen Rhön, im Landkreis Rhön-Grabfeld, setzen Landwirte das Raiffeisen-Motto “Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen Viele” im Biogasbereich um: An vier Biogas-Betreibergesellschaften mit fünf Biogasanlagen sind insgesamt 150 Landwirte beteiligt. Dank gezielt ausgesuchter Standorte, gebündelter Kräfte und der Unterstützung durch den Dienstleister Agrokraft GmbH sind die Anlagen zukunftssicher und effizient aufgestellt.

Am 13. Oktober wird das Projekt „Gemeinschaftsbiogasanlagen“ auf dem Fachkolloquium “Bioökonomie in den Mittelgebirgen" des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL) in Fulda näher vorgestellt. Der DVL hatte den Initiator der Gemeinschaftsbiogasanlagen, die Agrokraft, 2021 im „Ideenwettbewerb Bioökonomie in Mittelgebirgen“ ausgezeichnet. 

Nähere Informationen finden Sie auf der Webseite des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege und auf Seite zur Veranstaltung.

Die Landwirtschaft ist in der Rhön klein strukturiert. Kein Betrieb könnte allein die benötigten Substratmengen für die Biogasanlagen bereitstellen, die jeweils eine Leistung von 600 kW haben. Sie erzeugen nicht nur Strom, sondern versorgen auch größere Wärmeabnehmer wie die Franken-Therme in Bad Königshofen oder in Großbardorf ein Nahwärmenetz, an dem rund 130 Haushalte angeschlossen sind. Zwanzig weitere kommen derzeit noch hinzu. 

Der Initiator der Gemeinschaftsanlagen, die Agrokraft GmbH aus Bad Neustadt an der Saale, hat ihre Wurzeln im Kreisbauernverband. Sie versteht sich als Unternehmen der Bauern, Projektentwickler und Dienstleister im ländlichen Raum. „Wie können wir die Biogaspotenziale bei uns im Landkreis am besten erschließen?“ fragte man sich 2005, suchte gezielt nach passenden Standorten mit ausreichender Wärmenachfrage oder Nähe zum Erdgasnetz, entwickelte die Konzepte und warb bei den Landwirten für die Idee. Zwischen 2006 und 2011 wurden die fünf baugleichen Anlagen dann errichtet. Heute übernimmt die Agrokraft als Dienstleister die technische und kaufmännische Betriebsführung und bündelt die Arbeiten für die vier Gesellschaften effizient. Betreiber der Biogasanlagen sind jedoch allein die Landwirte, die so ein Maximum an Wertschöpfung realisieren.

Eine der fünf Anlagen speist Methan ins Erdgasnetz ein, womit sie zehn Prozent des Erdgasverbrauchs im Landkreis decken kann. Die anderen Anlagen sind flexibilisiert, erzeugen also den Strom nicht rund um die Uhr, sondern nur in Zeiten hoher Stromnachfrage und niedriger Leistung von Wind und Sonne. Jeweils ein Gas- und ein Wärmespeicher ermöglichen es, auf Zuruf viel Strom zu produzieren und gleichzeitig kontinuierlich ein Nahwärmenetz zu versorgen. Mit diesen Konzepten sind die fünf Anlagen aus heutiger Sicht auch für die Zeit nach dem Auslaufen der 20 Jahre garantierten EEG-Vergütung gut gerüstet – alle planen einen Weiterbetrieb auch ohne EEG.

Beim Energiepflanzenanbau spielt Mais eine wichtige Rolle. In dem vieharmen Landkreis liegt der Maisanteil bei nur sechs Prozent (gegenüber einem Weizenanteil von 40 Prozent) und trägt so zur Bereicherung der Fruchtfolgen bei. Die Agrokraft geht aber noch einen Schritt weiter: Über das Projekt „BiogasBlühfelder“ akquirierte sie Fördermittel und motivierte die Betreiber zum Anbau von Wildpflanzenmischungen als Biogassubstrat. Heute wachsen im Umfeld der Anlagen auf rund 100 Hektar artenreiche Blühmischungen und erhöhen die Biodiversität weiter. Während ihr Ertrag normalerweise etwa halb so hoch wie der von Mais ausfällt, kamen sie als Dauerkultur im Dürrejahr 2022 auf rund 80 Prozent an den Mais heran.

Sind neue Anlagen geplant? „Das EEG lädt dazu momentan leider nicht ein. Eine Option wäre künftig womöglich der Bau von Anlagen außerhalb des EEG, die Gas direkt an Unternehmen verkaufen“, erklärt Mathias Klöffel, Geschäftsführer der Agrokraft. Ein solches Projekt prüft das Unternehmen derzeit in Ochsenfurt im Landkreis Würzburg zur Wärmeversorgung einer Klinik. Diese Aktivitäten jenseits der Landkreis-Grenzen sind jedoch die Ausnahme, ansonsten will man weiterhin auf regionale Projekte setzen. In Rhön-Grabfeld sieht Klöffel die Biogaspotenziale schon weitgehend ausgereizt. „Wir wollen nicht überall Biogasanlagen initiieren, sondern nur dort, wo sie wirklich sinnvoll sind.“ So wird sich die Agrokraft künftig wohl vermehrt den vielen anderen Feldern zuwenden, die sie ebenfalls beackert: Ortsenergiegenossenschaften, Nahwärmenetze, Bürgersolarkraftwerke oder hydrothermale Karbonisierung von Biomasse sind nur einige davon. „Das Geld des Dorfes dem Dorfe“: Bei vielen der Projekte steht dabei Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Gründer der Genossenschaftsbewegung in Deutschland mit den von ihm geprägten Grundsätzen Pate.

So funktionieren die Gemeinschaftsbiogasanlagen

Die Mindestgröße für die Beteiligung an einer Gemeinschafts-Biogasanlage liegt bei einem Hektar. Das auf dieser Fläche geerntete Substrat muss der Bauer für die Biogasanlage bereitstellen. Jeder Landwirt kann selbst entscheiden, was er anbaut und ob er auch Reststoffe wie Gülle und Mist anliefert. Pro Hektar zeichnet er einen Gesellschafteranteil und erhält den entsprechenden Anteil an den Einnahmen. Die Gesellschafter kommen in der Regel aus einer Gemeinde und angrenzenden Orten, das Einzugsgebiet pro Anlage umfasst maximal fünf Kilometer. Die Ernte erfolgt für alle Anlagen gemeinsam durch ein Lohnunternehmen, organisiert durch die Agrokraft, die dafür alle drei Jahre eine Ausschreibung durchführt. Auch die weiteren Prüfungen, Umweltgutachten und Bilanzen werden von der Agrokraft für alle Anlagen gebündelt beauftragt oder selbst erstellt, so dass der Gutachter zum Beispiel nur einmal für alle in den Landkreis anreist oder nicht jeder Landwirt spezielle Software anschaffen muss. Auch die Bodenversiegelung ist geringer, wenn nur wenige Sammel- anstelle von zahlreichen Einzelanlagen Zuwegungen errichten. Unterm Strich bieten Gemeinschaftsbiogasanlagen damit nicht unerhebliche Effizienz-, Kosten- und Umweltvorteile. „Im Landkreis Rhön-Grabfeld gibt es fünf Biogasanlagen von 150 Bauern. Im Landkreis Ansbach sind es 180 Biogasanlagen von 180 Bauern“, veranschaulicht Klöffel den Unterschied.

Der „Ideenwettbewerb Bioökonomie in Mittelgebirgen“ (FKZ 2220NR029X) wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.

Pressekontakt
Nicole Paul
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Tel.: 03843 6930 142
n.paul@fnr.de
www.fnr.de