Energie-Kommune des Monats: Breuna

Juli 2017

Das nordhessische Wettesingen ist ein Ortsteil der Gemeinde Breuna. Mit der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 850 gehört es zu den ältesten Dörfern im Landkreis Kassel. Die etwa 1.150 Einwohner leben in einer idyllischen Umgebung mit vielen denkmalgeschützten Fachwerkhäusern. Die lange Geschichte des Dorfes war geprägt durch Grenzstreitigkeiten zwischen dem Hochstift Paderborn und den Landgrafen von Hessen. Beim Klimaschutz ziehen die Wettesinger gemeinsam mit ganz Breuna an einem Strang. „Als eine Anlage zur Lagerung von Brennstäben in der unserer Nähe geplant wurde, schlossen sich Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommune zusammen, um die Anlage zu verhindern“, erinnert sich Klaus-Dieter Henkelmann. „Der daraus entstandene Umweltgedanke ist seither fest in den Köpfen verankert.“ Die enge Gemeinschaft prägt die vielen Klimaschutzprojekte in der Kommune.

Die Planung für eine erneuerbare Strom- und Wärmeversorgung stärkte den Zusammenhalt
Das wohl umfassendste Projekt in Breuna ist die Energieversorgung in Wettesingen, welches als einziges Bioenergiedorf bundesweit eine hundertprozentige Versorgung aus Erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmebereich erreicht hat. Den ersten Impuls für die konkrete Umsetzung erhielt Bürgermeister Henkelmann auf einer Wahlveranstaltung im Jahr 2008: Eine bereits seit 2007 bestehende Biogasanlage mit angeschlossenem Blockheizkraftwerk (BHKW), die durch den privaten Betreiber Biogas Breuna GmbH realisiert wurde, eignete sich optimal, um in ein größeres Erneuerbaren Energien Projekt eingebunden zu werden. Die Rohstoffe der Anlage werden aus der Region bezogen, der Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist und die Abwärme der Anlage dient sowohl der Trocknung von Holz und Gärresten als auch der Beheizung. Um verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Einbindung der Anlage aufzeigen zu können, rief Bürgermeister Henkelmann nicht nur die zuständigen Akteure zusammen und besuchte Erneuerbare Energien Projekte in anderen Kommunen, sondern stellte vor allem die Finanzierung für eine Machbarkeitsstudie sicher. „Die Kommune hat die Bewegung zwar angestoßen, wir waren jedoch auf die Offenheit für Alternativen der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Diese zeigten großes Interesse und es bildeten sich Arbeitsgruppen, die von 2008 bis 2013 engagiert an den Planungen beteiligt waren“, betont Henkelmann. „Eine Realisierung des Nahwärmeprojektes war nur mithilfe der beeindruckenden ehrenamtlichen Arbeit möglich. Das Projekt stärkte den Zusammenhalt der Ortsgemeinschaft, weil alle dasselbe Ziel verfolgten“.

2010 wurde die Wettesinger Energiegenossenschaft gegründet, die den Anwohnern somit eine direkte Beteiligung am Projekt ermöglichte. Dieter Hösl, Vorstandsvorsitzender der Wettesinger Energiegenossenschaft eG, bestätigt den Eindruck des Bürgermeisters: „Das soziale Gefüge von Wettesingen hat sich durch das Projekt wieder gebildet. Darüber hinaus profitierten wir in den Diskussionen von dem Know How der verschiedenen Akteure. Der Aufwand für organisatorische Absprachen lohnte sich somit allemal“.

Zwei Drittel aller wettesinger Bürgerinnen und Bürger beziehen als Mitglieder der Genossenschaft Nahwärme
Nach Abschluss der Planungen stand die passende Lösung für die Wettesinger fest: Das Dorf setzt auf eine Strom- und Wärmeversorgung, die sich ausschließlich aus Erneuerbaren Energien zusammensetzt. Ein zweites Biogas-Blockheizkraftwerk mit 366 Kilowatt wurde 2011 von der Wettesinger Energiegenossenschaft in Betrieb genommen und speist seit 2014 in das neu errichtete 10 Kilometer lange Nahwärmenetz ein. Die Nutzung eines Nahwärmenetzes entkoppelt das Wärmeangebot zeitlich und räumlich von der Wärmenachfrage. Die alte Biogasanlage wurde auf 566 Kilowatt erweitert, um Gas mithilfe einer Mikrogasleitung zum 400 Meter entfernten BHKW der Genossenschaft transportieren zu können und um die Wärme direkt in das Netz einzuspeisen. Während die BHKWs, Biogasanlage und ein Biogaskessel die Grund- und Mittellast zur Verfügung stellen, dienen drei Pelletkessel in der Heizzentrale mit insgesamt 1640 Kilowatt als Spitzenlast. Die Pelletanlagen sind mit einer Kaskadenschaltung ausgestattet, die durch eine moderne Steuerungs- und Regeltechnik je nach Bedarf automatisch zu- und abgeschaltet werden. Ergänzt wird das Heizsystem durch zwei Pufferspeicher mit 36 und 120 Kubikmetern, die bei Bedarf zusätzliche Wärme in das Netz geben können. Für die Realisierung des Projektes wurde die Firma Viessmann als Generalunternehmer eingebunden, welche somit die Konzipierung und den Bau übernahm.

Mithilfe von BHKWs und Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) erzeugen die Wettesinger drei Mal so viel Strom als benötigt. Das Wärmenetz stellt Biogas-Wärme sowohl für Privathaushalte als auch für die Industrie und kommunale Gebäude zur Verfügung. Durch die Errichtung des Nahwärmenetzes werden nun jährlich mehr als 600.000 Liter Heizöl ersetzt, insgesamt belaufen sich die CO2-Einsparung auf 1.300 Tonnen im Jahr. „Die niedrigen Heizölpreise hemmten die Argumentation für einen Anschluss bei den Bürgerinnen und Bürgern. Oft wurde die Vollkostenrechnung vergessen. So entfallen beispielsweise die Kosten für Heizkesselwartung und Schornsteinfegergebühren. Hier war viel Aufklärungsarbeit gefragt“, erklärt Dieter Hösl. Der Anschluss an das Wärmenetz ermöglicht den Kunden Unabhängigkeit von Großkonzernen bei der Energieversorgung und somit volatilen Wärmepreisen, darüber hinaus trägt dieser zur Wertschöpfung vor Ort bei. Neben der erneuerbaren Nahwärmeversorgung profitieren die Wettesinger auch von einer stabilen Internetverbindung mithilfe eines Glasfasernetzes, welches parallel verlegt wurde. Letztendlich entschlossen sich 200 Haushalte für die Anfangsinvestition von 3500 Euro. Insgesamt kostete das Projekt acht Millionen Euro, die Genossenschaft konnte aufgrund einer Gesetzeslücke auf Förderprogramme des BAFAs und der KfW zurückgreifen.

Klimaschutzkonzept der Gemeinde Breuna setzt verstärkte Energieeinsparungen auf die Agenda
Um die verschiedenen Maßnahmen und Projekte besser koordinieren zu können, um so auch die Potenziale der Erneuerbaren Energien in Breuna gemeinsam heben zu können, hat die Gemeinde ein Klimaschutzkonzept entwickelt, welches 2013 veröffentlicht wurde. So wurden auch außerhalb von Wettesingen zahlreiche Projekte umgesetzt: „Als Kommune müssen wir ein Vorbild für unsere Bürgerinnen und Bürger sein. Somit gibt es in Breuna auf allen öffentlichen Gebäuden PV-Anlagen, während das Rathaus mit einer Pelletheizung ausgestattet ist“, sagt Bürgermeister Henkelmann. „Darüber hinaus gibt es paar kleine Projekte wie zum Beispiel eine Quartiersversorgung auf Basis einer Holzhackschnitzelanlage für Clubhaus, Kindergarten und ein paar private Häuser“.

Das Klimaschutzkonzept befasst sich aber nicht nur mit der Frage der Energieerzeugung, sondern auch mit dem Energieverbrauch. Im Rahmen des Konzeptes wurden sämtliche Gebäude bezüglich des Energieverbrauchs abgeschätzt, um zukünftig Verbesserungen vornehmen zu können. Mit dem Förderprogramm „Jung kauft alt“ bietet die Gemeinde eine Finanzierung für Effizienzberatungen von Häusern an, die älter als 50 Jahre sind. Auch bei der Umsetzung der energetischen Sanierungen gibt es entsprechend Zuschüsse, um Klimaschutzmaßnahmen voranzubringen und Bauruinen zu vermeiden.