Energie-Kommune des Monats: Cölbe

100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2040 lautet der einstimmige Beschluss aller Parteien in der Cölber Gemeindevertretung. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die hessische 6.600-Einwohner-Gemeinde Cölbe auf Zusammenarbeit mit anderen Akteuren. So wurde im Jahr 2010 gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern von Cölbe und den benachbarten Gemeinden Lahntal, Münchhausen und der Stadt Wetter als sogenannter Nordkreiskommunen ein integriertes Klimaschutzkonzept erarbeitet, eines der ersten bundesweiten interkommunalen Klimaschutzkonzepte. Seit 2010 sind die Gemeinden dabei, das Klimaschutzkonzept des Nordkreises unter der Bezeichnung KlimaX umzusetzen. Die Maßnahmen reichen von Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen bis hin zur Durchführung von Informationsveranstaltungen zur Sensibilisierung der Menschen vor Ort für die kommunale Energiewende. „Die Bürgerinnen und Bürger sind bei dem gesamten Vorhaben unabdingbar“, weiß Cölbes Bürgermeister Volker Carle. „Wir wollen sie an der Energiewende beteiligen und die kommunale Wertschöpfung voranbringen.“

Nahwärmenetz im Ortsteil Schönstadt
Die Initiative für die Umstellung der Wärmeversorgung des Ortsteils Schönstadt ging von einem örtlichen Unternehmen und der damaligen Ortsvorsteherin aus. Dort sind über 100 Mitarbeiter beschäftigt, um Holz für Bau und Fachhandel zu bearbeiten. 2010 hatte sich Geschäftsführer Helmut Schmidt für die Errichtung eines Biomasse-Heizkraftwerkes entschieden, das die im Betrieb anfallende Baumrinde verwendet. Mittels Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt die Anlage ein Megawatt Strom und fünf Megawatt Wärme. Die erzeugte Wärme konnte Schmidt allein nicht verwenden, sodass 2010 das Hofgut Fleckenbühl mit etwa 130 Bewohnern über eine Nahwärmeleitung angeschlossen wurde. Auch mit dieser Erweiterung der Wärmeverwendung war die bereitgestellte Wärme noch immer nicht vollständig ausgenutzt. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, die Holzwärme im Dorf zu verwenden. Die im Rahmen einer Machbarkeitsstudie durchgeführte Fragebogenaktion unter den 1.600 Bewohnern des Ortsteils zeigt, dass das Interesse der Bürger an dieser erneuerbaren Wärme sehr hoch ist. Die Machbarkeitsstudie kam insgesamt zu dem Ergebnis, dass ein Nahwärmenetz in Schönstadt ökologisch und ökonomisch sinnvoll wäre, wenn mindestens 205 Haushalte mitmachen.

Drei Viertel aller Schönstädter Haushalte beziehen als Mitglieder der   Genossenschaft Nahwärme
Ein großer Erfolgsfaktor war die frühe Kommunikation in die Bürgerschaft. Diese wurde seit der Entstehung der Idee aktiv durch Umfragen, Beratungen und öffentliche Veranstaltungen in den Entwicklungsprozess einbezogen. Im Frühjahr 2011 gründete sich die Nahwärmegenossenschaft, in die binnen weniger Monate knapp drei Viertel aller Schönstädter Haushalte eintraten. Der Vorteil an der Gesellschaftsform der Genossenschaft lag für die Schönstädter darin, dass sie die Nahwärme nicht nur nutzen, sondern als Mitglieder der Genossenschaft das Nahwärmenetz selbst verwalten und in einem demokratischen Prozess ausgestalten können. Der Eigenanteil betrug für jeden einmalig 5.000 Euro (zehn Genossenschaftsanteile je 500 Euro), wobei darin auch die Bereitstellung der Wärmeübergabestation in den Häusern enthalten war. Der Hauptteil der Investitionskosten für Energiezentrale und Leitungen von fünf Millionen Euro wurde über Kredit- und Fördergelder abgedeckt. Der Wärmepreis liegt bei 9,76 Cent/kWh.

Seit Oktober 2012 und nach nur sieben Monaten Bauzeit erhalten nun 290 Gebäude über das insgesamt 13 Kilometer lange Leitungsnetz Wärme aus Holz, das klimafreundlich in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage erzeugt wurde. Im Vergleich zu Öl oder Gas hat die Holzwärme einen verlässlichen Preis, eine positive ökologische Bilanz und bedeutet eine erhebliche Wertschöpfung vor Ort. Durch die Errichtung des Netzes werden nun jährlich 600.000 Liter Heizöl und 150.000 Kilowattstunden Nachtspeicherstrom ersetzt. Dazu Bürgermeister Volker Carle stolz: „Das Nahwärmenetz ist unser Leuchtturm. Darüber hinaus haben wir aber auch noch viele weitere Projekte zum Klimaschutz entwickelt“.

Vielfältige Klimaschutzmaßnahmen
In Cölbe wurden schon einige Projekte aus dem Klimaschutzkonzept angestoßen, um die lokale Energiewende einzuleiten: Das Projekt Nahwärme im Ortsteil Schönstadt, die Einrichtung eines Solarkatasters sowie der Betrieb mehrerer Solaranlagen. Weiterhin plant Cölbe zurzeit in Kooperation mit der Nachbarstadt Amöneburg einen interkommunalen Windpark.  Dank der vielfältigen Bemühungen der Nordkreiskommunen wurde die Gegend zwischen 2011 und 2014 sogar als Modellregion „EnergyRegion“ der EU ausgewählt. Oberstes Ziel des Projektes war  eine Strategie zur nachhaltigen Entwicklung erneuerbarer Energiequellen und ihrer Umsetzung.

Solaranlagen
Seit September 2012 arbeitet eine Photovoltaik-Freiflächenanlage auf einer aufgefüllten Kiesgrube bei Bernsdorf von der Solaracker Cölbe GmbH & Co. KG (Gemeinde Cölbe, Kommanditisten und die Firma Solardach Invest) einwandfrei. Die Anlage hat eine maximale Leistung von 3,3 Megawatt-peak und wurde für einen durchschnittlichen jährlichen Energieertrag von 3,1 Millionen Kilowattstunden Strom projektiert. Diese Strommenge entspricht dem elektrischen Energiebedarf von rund 50 Prozent der Haushalte in der Gemeinde Cölbe. Insgesamt wurden 13.490 Solarmodule installiert, das Investitionsvolumen betrug 4,9 Millionen Euro.  Die Finanzierung erfolgte über Kredite und über direkte Beteiligungen der Cölber Bürgerinnen und Bürger an der Betreiberfirma. Die Gemeinde Cölbe besitzt einen Anteil von 50 Prozent am Unternehmen.

Zwischen 2008 und 2013 wurden außerdem vier Bürgersolaranlagen errichtet - auf dem Kindergarten Löwenzahn, der Gemeindehalle, dem Bürgerhaus und dem Feuerwehrgerätehaus in Schönstadt.

Über das interkommunale Klimaschutzkonzept hinaus haben die Kommunen sich weitreichende Ziele gesetzt und visieren wie der Landkreis Marburg-Biedenkopf das 100%-Ziel für Erneuerbare Energien an. In Münchhausen hat sich eine Bürgerenergiegenossenschaft gegründet und einen großen Solarpark in Oberasphe mitfinanziert. Darüber hinaus gibt es u.a. eines der energieeffizientesten Feuerwehrgerätehäuser und LED-Straßenbeleuchtung in Lahntal. Mustergültige Beispiele für die interkommunale Zusammenarbeit sind eine Biogasanlage in Lahntal-Sterzhausen, die ein BHKW in der Wollenbergschule und ein Nahwärmenetz in Wetter speist, welches von den Stadtwerken Wetter betrieben wird.