Kooperation | Klimaschutz greifbar machen: Die Klima-Taler App im Praxiseinsatz

Wie können Kommunen Bürger*innen für Klimaschutz im Alltag gewinnen – und sichtbar machen, was jede*r Einzelne bewirkt? Darum geht es in unserem Interview mit Markus Schulz, einer der Gründer von Klima-Taler.com, und David Reich, Energiemanager in Meiningen. Sie berichten, wie die App funktioniert, welche Erfahrungen Meiningen beim Start gemacht hat und warum inzwischen über 100.000 Menschen aktiv teilnehmen.


Foto: Markus Schulz Foto: David Reich

Hinweis für Kommunen: Mit dem Promo-Code Klima-Taler AEE10% können Kommunen die App zu Sonderkonditionen einführen. Dieses Interview ist in Kooperation mit Klima-Taler entstanden. Wenn Sie diesen Promo-Code nutzen, unterstützen Sie unsere Arbeit.



Klimaschutz ist im Alltag oft abstrakt. Wie wird er für Bürger*innen durch die Klima-Taler-App konkret? 


Markus Schulz: Bürger*innen können damit ihr eigenes „Klimageld“ verdienen. Fünf Kilogramm eingespartes CO₂ ergeben automatisch einen Klima-Taler. Das macht Spaß: Wenn ich höre, dass mir eine Zugfahrt fünf Taler bringt und ich mit zehn Talern kostenlos ins Schwimmbad komme, habe ich sofort einen direkten Bezug. Genau darum geht es – Wissen allein reicht nicht, die Menschen brauchen konkrete Anreize zum Handeln. 

Wie ist die Idee zur App entstanden? 

Markus Schulz: Unser Team kommt aus der Umweltkommunikation. Ich selbst habe über zwölf Jahre in Frankfurt Bürger*innen zu Themen wie Mülltrennung oder Gewässerschutz informiert. Dabei haben wir gemerkt: Appelle allein bringen die Leute nicht ins Handeln. Es braucht zusätzliche Motivation – und so entstand die Idee des Klimatalers. 

Herr Reich, warum hat sich Meiningen für die App entschieden? 

David Reich: Als ich als Klimaschutzmanager in Meiningen angefangen habe, gab es viele Konzepte – aber nur auf dem Papier. Für Bürger war kaum etwas sichtbar. Da habe ich nach Wegen gesucht, wie wir Klimaschutz erlebbar machen können, und bin auf den Klima-Taler gestoßen. Nachdem wir Datenschutzfragen geklärt hatten, hat der Stadtrat schnell entschieden: Mit der App können wir die Bürger aktiv einbeziehen und ihnen die Möglichkeit geben, ihren CO₂-Fußabdruck sichtbar zu reduzieren. 

Wie viele Kommunen nutzen die App derzeit, Herr Schulz? 

Markus Schulz: Aktuell sind es rund 50 Kommunen. Die Nutzerzahlen haben sich seit 2023 fast jedes Jahr verdreifacht. Bis Ende 2025 wollen wir über 60 Kommunen erreichen, darunter erstmals auch fünf Landkreise und den Regionalverband Braunschweig, der die App für alle seine Mitgliedskommunen anbietet. 

Wie funktioniert die App? 

Markus Schulz: Die App ist kostenlos, selbstverständlich DSGVO-konform und kann anonym ohne Nennung einer E-Mail oder eines Namens genutzt werden. Sie hat drei Bereiche:

  1. Mobilität – eine KI erfasst automatisch, wie sich Menschen bewegen, und rechnet CO₂-Einsparungen in Klima-Taler um.
  2. Energie & Wasser – Haushalte bekommen Budgets, Einsparungen werden belohnt, bei Mehrverbrauch gibt’s Tipps.
  3. Nachhaltiger Konsum – mit praktischen Alltagstipps.

Herr Reich, wie haben Sie die App in Meiningen eingeführt und die Menschen dafür begeistert? 

Copyright: Klima-Taler

David Reich: Uns war von Anfang an wichtig, die App nicht nur über Gamification, sondern auch mit regionalen Angeboten attraktiv zu machen. Dafür haben wir zunächst gezielt Unternehmen angesprochen – von unseren Stadtwerken über die Bibliothek bis zur Meiningen GmbH – und diese als erste Partner gewonnen. Schritt für Schritt haben wir so unsere eigenen Mitarbeitenden eingebunden. 

Nach etwa drei Monaten sind wir zum Stadtfest mit Plakaten und Flyern in die Öffentlichkeit gegangen. Ein Highlight war der Herzog-Georg-Lauf: Jeder Teilnehmende hatte Infos zur App im Starterbeutel. Ab da lief die Bewerbung über Social Media, Plakate, Filme und gezielte Aktionen, zum Beispiel rund um Schulen. Gerade Kinder haben das Thema weitergetragen und so auch Familien erreicht. 

Parallel hat sich die Zahl der Unternehmen gesteigert, weil viele schnell gemerkt haben: Sie können sich ohne Kosten präsentieren und eine breite Zielgruppe erreichen. Heute wächst die App vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda – sowohl auf Nutzer- als auch auf Partnerseite. 


Wie unterstützt die App Kommunen über die Nutzung hinaus? 

Markus Schulz: Im Prinzip stellen wir den Kommunen mit der App eine digitale Infrastruktur zur Verfügung: die App selbst, ein Händlerportal, anpassbare Inhalte und ein Netzwerk. So kann etwa ein Theater Karten für schwach besuchte Vorstellungen einstellen oder eine Kommune ihre eigenen Themen platzieren – im Kyffhäuser Kreis aktuell Workshops zur Geothermie. 

Dazu gibt es Kommunikationsmaterialien und -hilfen sowie Netzwerktreffen, bei denen sich die Kommunen austauschen können. Auch die Klimataler sind übrigens interkommunal einlösbar.


David Reich: Mein Rat an andere Kommunen: Kommen Sie vom Überlegen ins Tun. Die Klima-Taler-App ist ein Anreiz, CO2-Emissionen im Blick zu behalten, transparent zu machen und auch ein Hilfsmittel, um Entscheidungen in der Stadtentwicklung zu treffen. 

Wie viele Menschen nutzen die Klimataler-App derzeit in Meiningen? 

David Reich: Wir haben rund 25.000 Einwohner, davon sind aktuell etwa 1.800 registriert – also rund 7,5 bis 8 Prozent. Unsere Nutzer sammeln direkt für die Stadt Meiningen und machen ihre CO₂-Einsparungen sichtbar. Damit liegen wir genau im anvisierten Bereich von fünf bis zehn Prozent. Natürlich wäre es schön, langfristig auch 20 Prozent zu erreichen, aber das hängt stark davon ab, wie wir die örtlichen Angebote weiter ausbauen. 

Was sagen die Teilnahmezahlen über die Nutzung der App aus? 


Markus Schulz: Wir liegen aktuell bei rund 115.000 Teilnehmenden insgesamt – und das sind aktive Nutzer*innen. Die App wird nicht nur installiert, sondern auch tatsächlich genutzt. Das ist im Bereich Klimaschutz schon bemerkenswert, weil es echte Beteiligung zeigt. 

Besonders ist auch: Alles ist messbar. Wir erfassen automatisch CO₂-Einsparungen, gefahrene Kilometer mit Elektro- oder Verbrenner-Pkw, gesammelte Klimataler oder absolvierte Aktivitäten. Die Nutzer*innen müssen nichts eingeben, die Daten laufen im Hintergrund. 

Diese Informationen stellen wir den Kommunen über Dashboards zur Verfügung. So können sie die Ergebnisse sogar auf ihrer Website einbinden und sichtbar machen, wie viel in Sachen Energie- und Mobilitätswende vor Ort passiert. Eine Stadt kann zum Beispiel nachvollziehen, wie viele kurze Autofahrten unter zwei Kilometern gemacht werden – und ob sich das verändert, wenn etwa Radwege verbessert oder ÖPNV-Haltestellen angepasst werden. Solche Einblicke machen Klimaschutz greifbar und konkret. 

Sie haben die App 2023 in Meiningen eingeführt. Lassen sich schon messbare Effekte erkennen? 

David Reich: Natürlich wissen wir nicht genau, wie sich die Menschen vor der App bewegt haben – ob sie zum Beispiel vorher schon viel zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs waren. Aber klar ist: Die App macht sichtbar, was passiert. Und das hat bei uns einiges in Gang gesetzt. 

Ich spreche gern von vier Gewinnern: 

  1. Die Bürger*innen, die für ihr klimafreundliches Verhalten belohnt werden. 
  2. Die Händler, die neue Kundschaft gewinnen oder ihr Bestandsgeschäft ausbauen. 
  3. Das Klima, weil CO₂ eingespart wird. 
  4. Die Stadt selbst und das ist für uns der eigentliche Game Changer. Denn wir erhalten Bewegungsdaten, die uns in der Stadtentwicklung völlig neue Möglichkeiten geben. 

Wir sehen zum Beispiel, ob die Menschen mit dem Bus ins Industriegebiet fahren und konnten dabei feststellen, dass die Schichtzeiten dort nicht zum Fahrplan passen. So lassen sich ÖPNV-Angebote anpassen. Wir erkennen, welche Radwege stark genutzt werden und wo Investitionen wirklich sinnvoll sind. Und wir können besser einschätzen, wo etwa neue Ladesäulen, Ampelanlagen oder Aufenthaltsräume gebraucht werden. 

Kurz gesagt: Mit den Daten erreichen wir eine realitätsnahe Grundlage für die Stadtplanung – deutlich belastbarer als Umfragen oder Bauchgefühle. Deshalb sage ich gerne: “Mit dem Klima-Taler wird die Stadtentwicklung neu gedacht.” 

Markus Schulz: In Gladbeck hat eine Umfrage unter den Nutzern der App gezeigt: Wir erreichen nicht nur junge Leute, sondern auch viele Ältere und Autobesitzer. 72 Prozent der Teilnehmenden haben tatsächlich neue Mobilitätsarten ausprobiert. Bemerkenswert ist – weder in Meiningen noch in Gladbeck wird zur Teilnahmemotivation ein E-Bike verlost. Es geht nicht um große Gewinne, sondern um kleine Gesten der Wertschätzung: ein freier Eintritt ins Schwimmbad, ein günstiger Büchereiausweis, ein Getränk beim Fest. Gerade in einer klassischen Autostadt wie Gladbeck ist das ein starkes Signal.  

Weitere Infos zum Thema finden hier:

Ergebnisse der Umfrage in Gladbach, S. 75ff.

Aktivitäts- und Einsparungsdaten der Stadt Meiningen als Beispiel