"Wir wollen noch tiefer in die Materie eintauchen"

Anabel Richter und Estella Lützen, zwei Schülerinnen aus Berlin, haben mit ihrem Thema „Künstliche Huminstoffe – als ökologischer Dünger geeignet?“ den Sonderpreis „Nachwachsende Rohstoffe“ bei „Jugend forscht“ gewonnen. Im Interview sprechen sie über ihre Arbeit und ihre Leidenschaft für die Wissenschaft.

Erst einmal herzlichen Glückwunsch, dass Ihr den „Jugend forscht” Sonderpreis „Nachwachsende Rohstoffe“ gewonnen habt! Habt Ihr das erste Mal teilgenommen?

Anabel Richter: Also ich beispielsweise habe zum fünften Mal teilgenommen und Estella zum dritten Mal. Wir wussten, wir wollen nochmal teilnehmen und haben uns dann auch ein Thema rausgesucht.

Estella Lützen: Wir sind auch auf einer Schule, die das sehr fördert, und deswegen haben wir schon, als wir noch sehr jung waren, damit angefangen. Man hat zwar immer ein bisschen den Nervenkitzel, wenn man vor der Jury steht, aber eigentlich geht es dann schon. Man weiß ja, dass die Jury auch nur das Beste will, und es ist auch ein cooles Gefühl, wenn man präsentieren kann, was man alles gelernt und sich erarbeitet hat.

Euer Thema war „Künstliche Huminstoffe – als ökologischer Dünger geeignet?“
Was sind denn Huminstoffe?

Anabel: Huminstoffe befinden sich idealerweise in allen Böden und Gewässern, sie sind Teil des Humus und entstehen durch den Abbau von pflanzlichen Resten durch Mikroorganismen.

Könnt Ihr mal beschreiben, warum ihr Euch für dieses Thema entschieden habt? Berliner Stadtmenschen und Dünger, da besteht ja nicht unbedingt ein logischer Zusammenhang.

Estella: Wir haben ja schon öfter bei „Jugend forscht” mitgemacht und haben uns natürlich überlegt, was ein gutes Thema sein könnte. Anabel und ich, wir lieben es, Pflanzen anzuzüchten und Foto: Estella Lützen (l.) und Anabel Richter, Copyrigt: Estella Lützen und Anabel Richterinteressieren uns sehr für die Natur. Und dann kommt man natürlich irgendwann an den Punkt, wo man sich fragt, wie man das Pflanzenwachstum fördern kann. Deswegen haben wir dann angefangen, zu recherchieren, und haben verschiedene Fachartikel gefunden und gelesen. Und da war auf einmal die Rede von künstlichen Huminstoffen, wir kannten aber bisher nur die natürlichen. Und da kam uns die Idee: Vielleicht kann man die natürlichen künstlich herstellen, weil der Prozess dann schneller wäre.

Anabel: Wir haben dann im Herbst angefangen, zu unserem Thema zu forschen, vielleicht schon Experimente zu machen und auch zu prüfen, was genau nun die Fragestellung sein soll. Im Winter haben wir das Projekt angemeldet und dann hatten wir einen Monat Zeit, eine schriftliche Arbeit von 15 Seiten zum Thema, den Experimenten und der Herangehensweise abzugeben. Und später folgte der Wettbewerb, bei dem man in einem Vortrag der Jury das ganze Experiment und die gemachte Arbeit vorstellt.

Wie ging es Euch beim Vortrag, hattet Ihr schon vorher ein gutes Gefühl?

Estella: Ja, als wir daran geforscht haben, ist uns schon aufgefallen, wie wichtig das Thema ist und wie viel Potenzial es eigentlich hat. Und als wir weiter recherchierten und sahen, dass es wirklich funktionierte, wurde uns klar, dass sich momentan immer mehr Leute damit beschäftigten und es plötzlich ein ganz aktuelles Thema war. Ich glaube, die Tatsache, dass wir uns wirklich dafür interessiert haben und es immer aktueller wurde, hat dazu beigetragen, dass wir so weit gekommen sind. Immer, wenn wir es anderen Menschen erzählt haben, haben sie uns ermutigt.

Anabel: Ja und trotzdem waren wir auch ziemlich nervös. Es gab nämlich eine Konferenz, bei der die ganzen Termine mitgeteilt wurden: für den Regionalwettbewerb, den Landeswettbewerb und auch für den Bundeswettbewerb. Und wir hatten nur auf den Regionalwettbewerb geguckt und gar nicht erst auf die anderen. Wir wussten, wir haben sehr viel Arbeit und Zeit reingesteckt, aber dass wir so weit kommen, hat uns schon überrascht.

Estella: Man sieht ja auch die ganze Konkurrenz. Jeder hat ein einzigartiges Thema, bei dem man sich immer fragt, wie sind sie darauf gekommen.

Und wie habt Ihr versucht, Euch zu organisieren? Hat jede alles gemacht oder gab es Arbeitsteilung?

Estella: Ja, wir haben uns nicht wirklich jede auf eine Sache spezialisiert. Also manchmal kam es aus Versehen dazu. Wir wollten beide wirklich genau gleich viel über das Thema wissen. Wir wollten nicht, wenn ich beispielsweise die Opportunity hatte, mit anderen Leuten zu sprechen, die vielleicht uns finanzieren oder einfach unterstützen wollten, dass dann blöd aussieht, wenn ich vielleicht nicht alles über das Thema weiß. Aber natürlich kam es immer auch mal dazu, dass ich an einem Tag konnte und sie nicht oder umgekehrt und dann konnte ich zwischenzeitlich eben mehr recherchieren. Deswegen kam es natürlich automatisch dazu, dass ich zu bestimmten Aspekten mehr wusste und Anabel eben auch. Aber wir wollten immer gemeinsam dafür arbeiten, denn oft gab es Dinge, die sind nicht so gelaufen, und wenn man sich dann zu zweit daran macht, dann ist es viel schöner. Man kann sich gemeinsam einfach auch besser motivieren. Bei der Präsentation haben wir es aber natürlich so aufgeteilt, dass jede das darstellt, wo sie sich am besten auskennt. Anabel und ich, wir ergänzen uns einfach perfekt. Ich weiß immer die Sachen, die sie nicht weiß und sie die, die ich nicht weiß.

Seid Ihr in einer Klasse?

Estella: Ja, und wir sind einfach schon sehr, sehr lange befreundet.

Was passiert denn jetzt mit Euren Forschungsergebnissen?

Anabel: Also für unsere ganze Arbeit hatten wir eine Kooperation mit dem Max-Planck-Institut, denn wir mussten ja die künstlichen Huminstoffe irgendwie herstellen und dafür braucht man einen Reaktor, den man ja nicht zufällig in der Schule hat. Deswegen haben wir eine Kooperation mit ihnen geschlossen. Außerdem arbeiten sie momentan mit künstlichen Huminstoffen und erforschen auch die Langzeitfolgen. Also das Thema wird auf jeden Fall nicht komplett in den Schrank gelegt. Wir wollen auch nächstes Jahr mit demselben Thema weitermachen, weil wir gesehen haben, wie viel Potenzial es hat. Und als wir angefangen haben, wussten wir gar nicht, wie großflächig dieses Thema ist. Und jetzt wollen wir uns auf bestimmte Sachen fokussieren und dann tiefer in die Materie eintauchen.

Wie ist es Euch denn gelungen, mit dem Max-Planck-Institut eine Kooperation einzugehen?

Estella:
Wir hatten auch einen Artikel gefunden, wo sie erzählt haben, dass sie künstliche Huminstoffe hergestellt haben. Dadurch wussten wir, dass sie den notwendigen Reaktor haben, den wir nicht hatten. Wir haben insgesamt viele verschiedene Institute angeschrieben und kontaktiert. Doch nicht jeder hat geantwortet, das war ein bisschen traurig. Wir hatten außerdem eine Lehrerin, die damit Erfahrungen hatte, und uns geholfen hat. Allein hätten wir das, denke ich, nicht geschafft. Aktuell haben wir ja auch das Leibniz Institut angeschrieben und versuchen, mit denen auch noch eine Kooperation zu kriegen. In der Forschung muss man einfach immer versuchen, mit anderen Instituten zu arbeiten, weil man es als Schülerin einfach nicht schafft, diese ganzen nötigen Materialien zu beschaffen. Da ist es manchmal schon ein bisschen enttäuschend, wenn man merkt, dass man von den Instituten nicht angenommen wird. Aber man muss dranbleiben und vielleicht auch ein bisschen nerven.

Was wollt Ihr mit dem Preisgeld machen?

Anabel: Momentan sparen wir das noch. Aber wir hatten vor einiger Zeit die Idee, dass wir vielleicht zusammen, wenn wir so 18 sind, eine Reise ins Ausland machen oder so.

Estella: Wir machen nächstes Jahr auch mit und vielleicht kommen wir wieder weiter. Dann können wir mit dem Geld, was hinzukommt eine schöne Reise machen, um zu feiern, was wir geschafft haben. Allerdings darf man auch die Kosten nicht vergessen, die wir vorher hatten, um das Projekt umzusetzen.

Was hat Euch bei dem Wettbewerb am meisten Spaß gemacht?

Anabel: Ich finde es sehr schön, wenn man zusammen das Projekt vor der Jury präsentiert und merkt, dass so manche Leute auch in der Materie drin sind und Bescheid wissen, weil man dann darüber auch diskutieren kann. Aber ich finde es auch vor allem schön, wenn man die ganzen anderen bei „Jugend forscht” so sieht und mitkriegt, was andere Leute sich so erarbeitet haben. Beim Landeswettbewerb, als die Öffentlichkeit kommen konnte, sind so viele Leute gekommen. Wir mussten permanent unser Projekt vortragen. Das war ein sehr schönes Gefühl, weil man das, woran man monatelang gearbeitet hat, mit anderen Leuten teilen konnte und sie sich auch dafür interessiert haben. Manchmal kamen auch Leute an und hatten Ideen, wie wir das weiterführen könnten.

Estella: Ja, ich habe auch das Gefühl, dass wir durch unser Projekt andere Jugendliche begeistern konnten, so etwas zu machen, und das finde ich cool.

Was würdet Ihr anderen Schüler*innen raten, die überlegen, auch mal bei „Jugend forscht“ mitzumachen?

Anabel:
Also man muss im Vorhinein wissen, dass das Ganze sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und sehr stressig sein kann. Aber wenn man so etwas mit Freunden zusammen macht, kann es etwas sehr Cooles sein. Wir haben uns immer donnerstags getroffen, sind dann manchmal ins Institut gegangen und haben dann ein paar Experimente gemacht. Und wenn man ein Thema nimmt, das einen begeistert, dann kann das eine sehr schöne, intensive Zeit sein.

Estella: Und es öffnet auch nochmal Türen. Dadurch, dass man ja immer mit der Öffentlichkeit redet, kommen immer noch andere Leute auf einen zu, die vielleicht wichtig sind und dann geben sie einem immer Tipps oder merken sich, wer man ist. Man hat am Ende ganz viele andere Connections, die ganz cool sind.

Könnt Ihr mal ein Beispiel dafür nennen?

Estella: In Bremen habe ich mich mit einem Forscher länger als eine Stunde unterhalten. Wir haben dauernd über seinen Beruf geredet. Er hat mir viel über seine eigenen Erfahrungen aus der Forschung erzählt. Manche Schüler haben in Bremen auch Jobangebote bekommen.

Anabel: Ich beispielsweise habe den Leiter von NUVISAN getroffen und jetzt mache ich in den Sommerferien ein Praktikum bei denen. Das ist auch sehr cool, weil ich mich auch so für Chemie interessiere.

Vorhin habt Ihr erzählt, dass Euer Beispiel anderen helfen kann, auch mitzumachen. Habt Ihr Vorbilder?

Estella: Also ich war früher Fan von Marie Curie. Und ein bisschen auch meine Eltern. Wenn sie erzählen, was sie früher geschafft haben, will man sie natürlich auch ein bisschen stolz machen. Ich habe zwei große Brüder und ihre besten Freundinnen waren auch immer bei „Jugend forscht“ und sind manchmal ziemlich weit gekommen. Das waren auch oft meine Vorbilder.

Anabel:
Mich inspirierte ein Schüler bei uns an der Schule, der ist jetzt in der 12. Klasse oder vielleicht sogar schon mit seinem Abi fertig, und er war auch immer bei „Jugend forscht“ und in der „Jugend forscht“-AG der Schule hat man ihn oft gesehen. Und er hat auch fast immer erste Plätze belegt. Da dachte ich, irgendwie hätte ich auch gern ein „Jugend forscht“-Thema, mit dem man weiterkommt.

Estella: Ja und dieses Jahr gab es einen, der hat mithilfe von Künstlicher Intelligenz Alzheimer frühzeitig erkennbar gemacht. Ich glaube, vor seiner Auszeichnung kannte ich ihn gar nicht, aber er ist auf unserer Schule und das hat mich auch total inspiriert. Er ist quasi auch ein Vorbild, das sich eigentlich gerade erst entwickelt hat.

Könntet Ihr Euch vorstellen, als Wissenschaftlerinnen zu arbeiten?

Anabel: Also ich persönlich würde schon gern in die Wissenschaft gehen. Ich weiß noch nicht so genau, in welche Richtung, aber ich finde Gene sehr interessant, wenn man mit Genveränderungen Krankheiten heilen kann oder so etwas. Deswegen habe ich mich jetzt für die Ferien in einem dieser MINT-Camps angemeldet, wo man sich mit dem CRISPR-Verfahren beschäftigt. So etwas fände ich interessant oder Pharmazie. Hier hatten wir auch mal überlegt, das zusammen zu studieren. Aber ziemlich viele Leute sind schon zu uns gekommen und haben gesagt, dass das Studium sehr langweilig und anstrengend sei. Deswegen steht es noch ein bisschen in den Sternen, was genau wir später machen.

Estella: Ja, die Wissenschaft interessiert uns beide wirklich sehr. Für mich war auch Medizin immer ein Thema oder auch Biochemie. Wir ticken schon beide ziemlich gleich.

Pressekontakt:

Anika Schwalbe
Pressesprecherin

Tel.: 030 / 200 535 52
E-Mail: a.schwalbe@unendlich-viel-energie.de