Über Zulassungsverfahren in Deutschlandgeschwindigkeit

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) ist zuständig für sichere Deiche, sauberes Wasser und die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Mit seinem Fachwissen in Fragen des Küsten-, Wasser-, Natur- und Strahlenschutzes und den täglich erhobenen Daten aus tausenden von Messungen und Untersuchungen liefert der Landesbetrieb Entscheidungsgrundlagen für die Weichenstellungen der Zukunft. Im Interview spricht NLWKN-Direktorin Anne Rickmeyer über Zulassungsverfahren wasserwirtschaftlicher Vorhaben.

Frau Rickmeyer, wenn man sich Ihren Lebenslauf ansieht, könnte man meinen, es gab nie Zweifel daran, dass Sie im Umweltbereich arbeiten wollen. Stimmt das?

Anne Rickmeyer: Nicht wirklich. Als Kind wollte ich eigentlich gerne Tierärztin werden. Während eines Schulpraktikums beim Tierarzt stellte ich allerdings fest, dass ich kein Blut sehen kann. Da musste ich mich umorientieren. Meine Leistungskurse am Gymnasium waren Mathematik und Physik. Nach dem Abitur habe ich daher genau eine Woche lang Mathematik studiert. Das war mir aber zu theoretisch, mir fehlte der Praxisbezug. Ich wechselte dann zum Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Umwelttechnik. Zudem hatte ich parallel einen sogenannten HiWi-Job am Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfallwirtschaft. Da war die Richtung dann irgendwann klar.

Hatten oder haben Sie ein weibliches Vorbild oder spielte das für Sie in Ihrer Ausbildung keine Rolle?

Anne Rickmeyer (Foto: NLWKN)Ehrlich gesagt hatte ich kein konkretes Vorbild. Im Laufe meines Berufslebens und auch in meinem privaten Umfeld - unter anderem bei den Soroptimistinnen - habe ich aber zahlreiche selbstbewusste Frauen kennengelernt, die in Führungspositionen arbeiten oder erfolgreich eigene Betriebe führen. Das hat mich sicherlich ein Stück weit geprägt.

Nach einem Ausflug ins Niedersächsische Umweltministerium wurden Sie 2016 Direktorin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), warum?

Den NLWKN kannte und schätzte ich in meinen verschiedenen Funktionen bereits seit längerer Zeit. Der Landesbetrieb arbeitet mit hochqualifizierter Fachexpertise an diversen Zukunftsaufgaben, die sehr aktuell und vor allem von hoher Bedeutung sind wie beispielsweise der Küsten-, Natur-, Gewässer-, Klima- und der Strahlenschutz. Zudem verfüge ich persönlich über einen ausgeprägten Willen zur Weiterentwicklung des NLWKN, um diesen noch zukunftsfähiger zu machen. Und nicht zu vergessen: Ich bin auch von zahlreichen Seiten gefragt worden, ob ich mir diese Position nicht vorstellen könnte.

Wie viele Genehmigungen werden im Jahr vom NLWKN durchschnittlich erteilt? Sind es mehr geworden?

In den vergangenen fünf Jahren wurden vom NLWKN im Durchschnitt im Jahr 110 Zulassungen erteilt. Eine Tendenz nach oben ist insofern nicht erkennbar, als dass zwar mit der Energiewende neue Verfahren hinzugekommen sind, aus Kapazitätsgründen aber gleichzeitig andere Verfahren zurückgestellt werden mussten.

Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine und der daraus auch resultierenden Gaskrise trat am 1. Juni 2022 das LNG-Beschleunigungsgesetz in Kraft. Damit sollen die bisher langjährigen Genehmigungsprozesse auf die Mindestanforderungen der Europäischen Union heruntergesetzt werden. Half Ihnen das bereits bei Ihrer Arbeit?

Ohne die verfahrensbeschleunigenden Regelungen des LNGG (Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases = LNG-Beschleunigungsgesetz) hätten die Zulassungsverfahren von LBEG (Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie), Gewerbeaufsichtsamt und NLWKN nicht in „Deutschlandgeschwindigkeit“ abgeschlossen werden können. Das FSRU WHV 1 (Floating Storage and Regasification Unit Wilhelmshaven 1) hätte nicht am Ende des Jahres 2022 in Betrieb gehen können. Die Regelungen finden auch in den Zulassungsverfahren zum AVG (Anleger für verflüssigte Gase) Stade (teilweise) sowie zum FSRU WHV 2 Anwendung. Allerdings haben wir den ersten vorzeitigen Maßnahmebeginn für den Bau des FSRU WHV 1 bereits am 1. Mai und damit einen Monat vor Inkrafttreten des LNG-Beschleunigungsgesetztes erteilt. Dieser betraf aber nur einen Teil der erforderlichen Zulassungsverfahren.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) genehmigte unter anderem die Einleitung von Abwasser ins Meer beim LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Haben Sie damals viel Gegenwind verspürt?

Ja.

Wie könnte durch eine Institution wie die Ihre zur Lösung des Konflikts auf der Insel Rügen beigetragen werden?

Als Verwaltungsbehörde kann der NLWKN zur Lösung politischer Konflikte in anderen Bundesländern meines Erachtens nichts unmittelbar beitragen. Die Landesumweltbehörden sind allerdings untereinander gut vernetzt und wir tauschen uns länderübergreifend aus. Daher können die Erfahrungen aus der erfolgreichen Durchführung der Zulassungsverfahren für das Vorhaben FSRU WHV 1 den Verwaltungsbehörden des anderen Bundeslandes zur Orientierung im Verfahren und bei eventuell anstehenden Entscheidungen dienen.

Fragt man die Branche, was ihrer Meinung nach zu den großen Herausforderungen im Ausbau der Erneuerbaren Energien gehört, sind langwierige Genehmigungsverfahren immer unter den Top 10. Sie sind auf der anderen Seite – was würden Sie den Antragsteller*innen raten?

Entscheidend für die Verfahrensdauer wasserwirtschaftlicher Vorhaben sind aus meiner Sicht insbesondere die hohen fachlichen Anforderungen, die gesetzlich an die Vorhaben gestellt werden.

In den Antragsunterlagen muss der Vorhabenträger darlegen, dass sein Vorhaben den Anforderungen zahlreicher Fachgesetze entspricht. Dies stellt hohe fachliche Anforderungen an die Projektplanung durch den Vorhabenträger sowie seine Gutachter. Die Komplexität der Vorhabenplanung und der Erstellung der Antragsunterlagen setzt – auch bei intensiver Beratung durch die Zulassungsbehörden – viel Kompetenz und Erfahrung voraus und wird vom Aufwand her häufig unterschätzt.

Was glauben Sie, wie wird sich die Offshore-Windenergie entwickeln? Wie könnten sich hier Beschleunigungsverfahren auf Ihre Institution und den Ausbau auswirken?

Zur Frage der Entwicklung der Offshore-Windenergie kann ich keine Aussagen treffen. Für die Leitungsverlegung ist als Planfeststellungsbehörde die NLStBV (Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr) zuständig. Der NLWKN bringt als Träger öffentlicher Belange die wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Belange in das Planfeststellungsverfahren ein. Sofern die Zahl der Offshore-Windkraft-Vorhaben steigt und zusätzliche Anforderungen an eine Verfahrensbeschleunigung gestellt werden, dürfte dies einen zusätzlichen Personalbedarf zur Folge haben.