Büsingen

Februar 2017

In der kleinen Gemeinde Büsingen am Hochrhein in Baden-Württemberg wurde 2013 bundesweit erstmalig das Konzept des Bioenergiedorfs um eine große solarthermische Kollektoranlage erweitert: Die Kombination von Solar- und Bioenergie wird genutzt, um Wärme für die 1.300 Einwohner-Kommune zu erzeugen. Das sechs Kilometer lange Nahwärmenetz verbindet 107 Gebäude, sodass die ursprünglichen Ölheizungen stillgelegt werden konnten. Alle öffentlichen Gebäude wie Rathaus, Schule und Kindergarten sind große Anschlussnehmer des Netzes. Durch den Betrieb der Bio-Solar-Kombianlage gelingt es dem Bioenergiedorf Büsingen rund 450.000 Liter Heizöl und 1.200 Tonnen Kohlendioxid (CO2) jährlich einzusparen.

Kommunale Initiative ermöglichte Nahwärmenetz
Grundlage für das Projekt war die Bereitschaft der Gemeinde die eigene Energieversorgung klimafreundlich auszurichten. „Wir wollten für die Zukunft gewappnet sein, indem wir die Nutzung fossiler Ressourcen vermeiden“, betont Bürgermeister Markus Möll. Da Büsingen als deutsche Exklave dem Zoll- und Wirtschaftsrecht der Schweiz untergeordnet ist und die Gemeinde somit keine EEG-Förderung beziehen kann, kam die Nutzung von Photovoltaikanlagen zur kommunalen Stromversorgung bisher noch nicht in Betracht. Die Entscheidung fiel folglich zugunsten von Investitionen im Wärmesektor. Die Gemeinde kontaktierte die solarcomplex AG, eine Art regeneratives Stadtwerk von Bürgern für Bürger aus der Bodensee-Region, mit dem Wunsch einer Nahwärmeversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien. Gemeinsam wurden verschiedene Versorgungsmöglichkeiten geprüft: Die Option, die Versorgung über ein stromgeführtes Biogas-Blockheizkraftwerk mit Abwärmenutzung zu organisieren, kam aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Eine innovative Lösung fand sich aber, als man gemeinsam in Dänemark ein Vorbild fand: Im benachbarten Königreich konnten bereits trotz geringer Sonneneinstrahlung auch große Solarthermieprojekte wirtschaftlich realisiert werden. „Süddeutschland bietet mit mehr Sonne noch größeres Potenzial. Wir haben bei unseren Berechnungen schnell festgestellt, dass die Kombination aus Solar- und Bioenergie die passende Lösung für Büsingen ist“, so Florian Armbruster, Vorstand der solarcomplex AG.

Effiziente Kombination von Solar- und Bioenergie
Das Nahwärmenetz in Büsingen ist seit 2012 in Betrieb, die Solarthermieanlagen wurden 2013 angeschlossen. Ein 1.090 Quadratmeter großes Solarthermie-Kollektorfeld erzeugt 12 Prozent der Wärme, vorwiegend für den Bedarf im Sommer. Der größte Teil der Vakuumröhrenkollektoren befindet sich auf zwei Freiflächen. Als innovative Lösung wurden zusätzlich auch auf der Fassade der Heizzentrale weitere Kollektoren installiert. Die restlichen 88 Prozent Wärme stellt ein Hackschnitzelheizwerk mit einer Leistung von 1.350 Kilowatt zur Verfügung. Zwei Speicher mit der Kapazität von je 50 Kubikmetern Warmwasser unterstützen die Versorgung. So ist es möglich, dass im Sommer die Solarthermieanlage das Heizen mit Holz entlastet. Eine Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 22 Kilowatt stellt teilweise den Betriebsstrom zur Versorgung der Heizzentrale zur Verfügung.

Die Verbindung der beiden regenerativen Wärmetechnologien bietet sich zur Vermeidung von fossilen Lösungen an: Die Solarthermie als technisch einfache Lösung kann den Biomassekessel entlasten: Sie vermeidet unwirtschaftliche Teillastbetriebszustände und schafft Zeit für Wartungen an der Holzhackschnitzelheizung. Die Einbindung der Solaranlage umgeht die Verbrennung von Biomasse im Sommer: Der Holzbedarf der Gemeinde Büsingen wird pro Jahr um viele Kubikmeter Holz gesenkt und ermöglicht so Einsparungen bei den Betriebskosten. „Auch rückblickend ist die Kombination aus Bio- und Solarthermie die beste Lösung für unsere Gemeinde“, bestätigt Bürgermeister Möll.

„Derzeit gibt es keine technischen Probleme mit dem Netz. Im Sommer reicht die Solarthermie für die Warmwasserbereitstellung aus, während im Winter mit den Holzheizhackschnitzelkesseln zugeheizt wird. Der Ölkessel dient nur der Reserve und wird zwei bis drei Mal für Wartungsarbeiten oder als Ausfallreserve eingesetzt“, erläutert Florian Armbruster. Da die Solarthermieanlagen ausschließlich Wasser als Träger verwenden, werden Kosten bei dem Bezug von Frostschutzmitteln eingespart. Zudem kann das Wasser direkt in dem Nahwärmenetz und im Heizungskreislauf der angeschlossenen Häuser verwendet werden. „Unser Monitoring hat ergeben, dass sich die Verwendung von Wasser anstelle von Frostschutz absolut rechnet. Zudem besteht bei Wasser keine Gefahr, wenn die Kollektoren platzen und die Flüssigkeit ausläuft“, ergänzt Florian Armbruster.

Viel Akzeptanz dank früher Einbindung der Bürger
Die frühzeitige Einbindung der Bürger war grundlegend wichtig, um eine hohe Beteiligung und Anzahl von Hausanschlüssen zu garantieren. Eine erste öffentliche Veranstaltung mit dem Bürgermeister diente der Vorstellung der Projektidee. Im Nachgang wurde das Interesse an einen Anschluss bei den Bürgern abgefragt, sodass der Wärmepreis errechnet werden konnte. „Anfangs reagierten die Bürger skeptisch, aus Angst vor der Abhängigkeit durch einen Anschluss an das Nahwärmenetz. Durch Bürgerworkshops und weitere Veranstaltungsformate konnten alle Zweifel beseitigt werden und auch heute ist die Stimmung weiterhin positiv und optimistisch“, erläutert Bürgermeister Möll. Insbesondere das Argument der Kaufkraftbindung vor Ort durch das Nahwärmnetz überzeugte die Bürger in Büsingen, da die Energiekosten in die regionale Kreislaufwirtschaft fließen. Die Übernahme der Kosten für Wärmeübergabestationen und Hausanschlüsse garantierte zudem einen wesentlich höheren Anschlussgrad.

Auch für andere Kommunen bietet sich Büsingen mit der hier praktizierten Verknüpfung von den beiden regenerativen Wärmetechnologien Solarthermie und Bioenergie als gutes Vorbild an. Die Übertragbarkeit der Strategie in Büsingen zeigt sich bereits bei weiteren Projekten, die derzeit in der Region geplant werden: Das Nahwärmenetz in Randegg, welches derzeit nur über Holzhackschnitzel versorgt wird, wird nun um eine Solarthermieanlage mit einer Fläche von 2.000 Quadratmetern ergänzt.

Förderprogramme ermöglichen Investitionen
Die Kosten für das Nahwärmnetz in Büsingen, bezogen auf Heizzentrale, Kollektorfeld und Wärmenetz, inklusive Wärmeübergabestationen und Hausanschlüssen, beliefen sich auf 4,2 Millionen Euro. Profitieren konnte die Kommune von 100.000 Euro Förderung durch das Land Baden-Württemberg aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und einem zusätzlich KfW-Darlehen Teilschulderlass (rund 750.000 Euro) nach dem Programm „Erneuerbare Energie Premium“. Der restliche Anteil wurde aus dem Aktienkapital der an solarcomplex AG beteiligten Bürger finanziert. Die Investitionskosten für das Tandem von Bio- und Solarenergie sind gegenüber dem Heizen mit nur einem System erst einmal höher. Jedoch lassen sich bei den Brennstoffkosten hohe Einsparungen erzielen. Zudem waren durch den Mengeneinkauf die technischen Komponenten und die Montage der Solaranlage günstiger. Bürgermeister Möll ist sich sicher: "Die Investitionen in ein Nahwärmenetz auf Basis von Erneuerbaren Energien müssen immer langfristig betrachtet werden. Auch bei derzeit niedrigen Gaspreisen zeigt die Vollkostenrechnung, dass die Erneuerbaren nicht teurer sind. Gleichzeitig profitiert die Gemeinde ökologisch enorm von den positiven Effekten dieses Projektes".