Rendsburg

Mai 2019

EKdM_Rendsburg_Eisspeicher_Sebastian Krug_2Gletscherschwund, schmelzende Eisblöcke und Eisbären sind zu Symbolbildern für die menschengemachte Erderwärmung geworden. Sie zieren Zeitungen, Publikationen und sind in den sozialen Netzwerken beliebt, um die Klimakatastrophe zu bebildern. Umso interessanter, dass gerade die Eisschmelze ein technisches Verfahren inspiriert, das zu einer klimabewussten Wärmeversorgung führt: der Eis-Energiespeicher. Mit dieser hocheffizienten Technik können Gebäude im Winter geheizt und im Sommer gekühlt werden. Die Stadtwerke Rendsburg haben einen solchen Speicher zur Wärmenutzung im Januar 2019 in Betrieb genommen – und reduziert den CO2-Ausstoß der angeschlossenen Gebäude erheblich.

Der neue Eisspeicher versorgt das Rendsburger Kreishaus und den „Uhrenblock“ mit Heizenergie und reduziert im Jahr 170 Tonnen CO2. Das entspricht etwa 27 Autofahrten um die Erde, wie die Stadt Rendsburg in ihrem Video zum Eis-Energiespeicher erklärt. „Mit dem neuen Speicher könnten wir etwa 200 Haushalte mit Wärme versorgen“, sagt Dr. Sebastian Krug, Klimaschutzmanager des Kreises Rendsburg-Eckernförde. Er hat das Projekt initiiert, vorangetrieben und betreut. Neben dem Kreis haben sich die Stadt Rendsburg, die Stadtwerke Rendsburg und der Uhrenblock beteiligt – in der ehemaligen Kaserne befinden sich heute Wohnungen, Büros, Praxen und ein Restaurant, die alle durch den Eis-Energiespeicher versorgt werden.

Aus Eis mach Wärme: aber wie?
EKdM_Rendsburg_Energiezaun_Sebastian KrugAus Eis Wärme zu machen klingt erstmal wie ein Widerspruch, funktioniert aber dank einer Wärmepumpe, die mit Öko-Strom angetrieben wird. Dem Wasser wird so viel Wärme entzogen, dass es im Speicher gefriert, ein großer Eisblock entsteht und er Kristallisationswärme abgibt. Wechselt Wasser seinen Aggregatzustand zu Eis, wird so viel Energie freigesetzt, wie ein Liter Wasser braucht, um von 0 auf 80 Grad Celsius zu erhitzen. Im Speicher selbst befinden sich Transportleitungen, die diese Wärmeenergie auffangen und in hocheffiziente Wärmepumpen transportieren, die sich in den Gebäuden befinden. Für den Transport sind etwa 25 Kilometer Rohr im Eisspeicher verbaut. Wer nicht weiß, dass der Speicher existiert, wird ihn kaum bemerken. Der 14 mal vier Meter große Zylinder aus Beton mit einer 30 Zentimeter dicken Wand liegt nämlich unter der Erde. Sichtbar ist nur der Energiezaun, der sich darüber befindet. Er dient als Solar-Luftabsorber und versorgt den Eisspeicher mit Wärmeenergie aus Luft und Sonne. Mit durchschnittlich 400 Kilowatt Leistung arbeitet er im Winter und im Sommer – so wie ein Akku, in dem Strom gespeichert wird. Im Sommer kühlt der Eisspeicher die Gebäude, indem das Wasser in den Heizungsrohren durch den Speicher geleitet und gekühlt wird.

Die Stadt Rendsburg und der Kreis sind aktiv und innovativ, wenn es darum geht, das Klima zu schützen und die Energiewende vor Ort voran zu bringen. „Dem Klimawandel zu begegnen ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit“, sagt Dr. Rolf-Oliver Schwemer, Landrat im Kreis Rendsburg-Eckernförde. „Dazu müssen wir alle unseren Beitrag leisten.“ Für den Landrat ist das mehr als nur ein Lippenbekenntnis. Er möchte Vorreiter für andere Kommunen sein und mit weiteren guten Beispielen den Klimaschutz in der Region voranbringen.

Reden ist Silber, machen ist Gold!
EKdM_Rendsburg_Leitungen_Sebastian KrugDer Bau des Eisspeichers mit der dazugehörigen Technik wurde durch das Land Schleswig-Holstein mit 200.000 Euro unterstützt. Die Förderung war zum Zeitpunkt der Beantragung durch Sebastian Krug aber noch kein Selbstläufer, denn es gab damals noch keine Förderrichtlinie. Das erfolgreiche Engagement des Klimaschutzmanagers zeigt sich nicht nur im Resultat der neuen Wärmeversorgung, sondern auch in der Tatsache, dass jetzt eine Förderrichtlinie auch für kalte Systeme auf Landesebene an den Start gehen wird – sie könnte schon in diesem Sommer veröffentlicht werden, sodass weitere Kommunen dem Rendsburger Beispiel folgen können.

Weil gute Praxisbeispiele, Vernetzung und Kontakte zu anderen Projekten so wichtig sind, gibt es seit Kurzem die digitale Bürgerplattform MokWi. Die Plattform ist ein Gemeinschaftsprojekt von Krug und den anderen Klimaschutzmanager*innen in der Region Kiel. Sie selbst sagen, dass sie angetreten seien, um etwas zu verändern – gemeinsam, nachhaltig und regional. Auf der Website der Plattform schreiben sie: „Wer die Zukunft aktiv mitgestalten möchte, die Region mit eigenen Projekten nachhaltig entwickeln will oder nach Mitstreiter*innen für ein eigenes Projekt sucht, ist bei MokWi genau richtig.“ Mit der neuen Plattform bekommen also Menschen, Initiativen und Unternehmen die Chance, sich für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen und damit eine Anlaufstelle für gute Ideen und Projekte. Auf der Plattform hat Krug auch über das Projekt des Eis-Energiespeichers berichtet, die Entwicklung dokumentiert und Bilder geteilt – immer mit dem Ziel, Nachahmer*innen in der Region zu finden. Krug macht seinen Job als Klimaschutzmanager des Kreises seit 2013 und weiß, wie wichtig Gemeinschaftsprojekte sind. „Wir sollten unsere Kräfte stärker bündeln und alle Netzwerke und geballtes Wissen nutzen, um noch mehr nachhaltige Projekte umzusetzen. Mit dem Eis-Energiespeicher haben wir wieder gezeigt, wie stark die Region in Sachen Klimaschutz und Energiewende ist.“

Fotos: Sebastian Krug