Energie-Kommune des Monats: Bollewick

August 2016

Die Gemeinde Bollewick liegt idyllisch in der Mecklenburgischen Seenplatte, wenige Kilometer südwestlich der Müritz. Der Name bedeutet mit seinen Bestandteilen „bolle“ für rund und „wick“ für Platz so viel wie Runddorf. Das Gemeindegebiet zwischen Müritz und oberer Elde ist durch Felder, kleine Wälder und Seen gekennzeichnet. Der 750 Jahre alte Ort beheimatet 640 Bewohner und die größte Feldsteinscheune Deutschlands. In Mecklenburg-Vorpommern haben über 80 Gemeinden einen Gemeinderatsbeschluss gefasst, mit dem Ziel, (Bio)EnergieDorf zu werden. Bollewick hat die Kriterien bereits erfüllt und zentrale Prozesse und Investitionen durchgeführt.

Nahwärme dank Abwärme zweier Biogasanlage
Schon 2008 fassten die Gemeindevertreter und Bürger von Bollewick den Entschluss, die hiesige Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Gemeinsam wurde die Idee geboren und dann zusammen mit zwei örtlichen Landwirten und weiteren Vordenkern in der eigens dafür gegründeten ARGE, der Arbeitsgemeinschaft Bioenergie Bollewick, weiterentwickelt, geplant und schließlich umgesetzt. Seit 2012 versorgt nun ein 3.500 Meter langes Nahwärmenetz 75 Prozent der Häuser des Ortes sowie die Feldsteinscheune und kommunale Gebäude mit klimafreundlicher Wärme. Sie stammt aus zwei Biogasanlagen, deren Abwärme (2,1 Millionen Kilowattstunden jährlich) durch das Nahwärmenetz an die Wärmekunden verteilt wird.  Im Sommer, also wenn der Wärmebedarf geringer ist, trocknet die Abwärme Gärreste. Die Verteilung der Nahwärme wird mithilfe einer modernen und effizienten Wärmezentrale mit elektronisch geregelten Pumpen und 120 Kilowatt Speicher gesteuert. Im Jahr 2016 kommen drei weitere Hausanschlüsse hinzu, sodass Ende 2016 rund 60 Hausanschlüsse realisiert sein werden.

„Für uns war das Nahwärmenetz auf Basis von Bioenergie ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit, der gleichzeitig die Wertschöpfung in der Region erhöht", sagt Bertold Meyer, Bürgermeister der Gemeinde. „Wichtig war und ist uns ein ganzheitlicher Ansatz, der einerseits Einspar-, Erzeugungs- und Abnahmepotenziale vor Ort offenlegt und andererseits die lokale Bevölkerung an dem ökonomischen Nutzen der Projekte teilhaben lässt “, so Meyer.

Seit 2014 gibt es auch im Ortsteil Kambs ein Nahwärmenetz, das die Abwärme einer Biogasanlage nutzt und so kommunale Gebäude und einen Teil der Wohngebäude klimafreundlich mit Wärme und Warmwasser versorgt.

DorfKERN – Bollewicks Netzwerk für die Energiewende
In Kooperation mit der Gemeinde und der ARGE haben lokale und regionale Unternehmen später die Plattform DorfKERN ins Leben gerufen, um die Verbindung  zwischen Energiewende, Landschaftswandel und ländlichen Entwicklungsstrategien anschaulich, verständlich und nutzbar zu machen. Die Initiative dient  als regionale Kontaktstelle und soll künftig Koordinator für kommunale Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte sein. Für die Initiierung des Netzwerkes DorfKERN  wurde Bollewick 2011 vom Bundesumweltministerium im Rahmen des Wettbewerbs „Kommunaler Klimaschutz 2011“ mit dem Klimaschutzpreis ausgezeichnet.

„In der Energiewende liegt eine große Chance für den ländlichen Raum, mit der Umstellung der Energieversorgung auf lokale, klimafreundliche Ressourcen auch die regionale Wertschöpfung zu erhöhen“, betont Meyer. „Die wichtigste Aufgabe besteht darin, möglichst viel der vor Ort durch regenerative Quellen erzeugten Energie auch vor Ort zu verbrauchen. Solange noch ein Tropfen Öl vor Ort für die Energieerzeugung verwendet wird, haben wir noch immer etwas zu tun.“

Idee: Winderträge für regionale Mobilität nutzen
Mit dem Ansatz, die lokale Bevölkerung an dem ökonomischen Nutzen der Projekte teilhaben zu lassen, arbeiten Meyer und engagierte Bürger aus Bollewick auch an ihrem nächsten Projekt. Am Rand der Gemarkung der Gemeinde steht der Windpark Bütow/Zepkow mit 32 Windkraftanlagen, die bereits 1999 sowie 2001 errichtet wurden. Der Betreiber plant, den Park im Jahr 2016 um acht zusätzliche Windräder zu erweitern. Um mehr Akzeptanz für das Vorhaben vor Ort zu erhalten, plant der Betreiber die zehn Gemeinden rund um den Park, u.a. auch Bollewick, finanziell zu unterstützen. Meyer und seine Kollegen aus den anderen Gemeinden beraten daher, wie die finanzielle Unterstützung genutzt werden könnte. Ihre Idee: Das Geld aus dem Windpark soll die öffentliche Mobilität stärken. Denn besonders die Strecke zwischen  Röbel und Wittstock ist schlecht erschlossen und die immer älter werdende Bevölkerung sieht sich einem ausgedünnten Nahverkehrskonzept gegenüber. Um an der Idee eines flexiblen, bedarfsorientierten E-Mobilitätskonzeptes zu arbeiten, tauschen sie sich in einem länderübergreifenden Netzwerk aus, an dem auch Kollegen aus dem Nachbarland Brandenburg sowie Vertreter der Landkreise, der Verkehrsbetriebe sowie Wissenschaftler mit am Tisch sitzen.

Power-to-heat-Potenzialanalyse
Der ganzheitliche Ansatz der Nutzung heimischer Ressourcen steht auch hinter der Potenzialanalyse, die ein Ingenieurbüro derzeit im Auftrag der Gemeinde durchführt. Es wird untersucht, ob und wie Strom aus Windenergieanlagen in Zeiten geringer Nachfrage für Power-to-heat-Anlagen genutzt werden kann. Ende 2016 werden die Ergebnisse erwartet. „In Bollewick haben wir bereits einiges auf dem Weg zur Energiewende erreicht und versuchen, es nicht beim Stand der Dinge zu belassen, sondern auch weiterhin Ideen zu entwickeln und umzusetzen“, so Meyer.

Feldsteinscheune mit Photovoltaik-Anlage
Ein Symbol für diese Einstellung ist beispielsweise auch die Feldsteinkirche. Das Wahrzeichen der Gemeinde ist über 130 Jahre alt. Wo einst Hunderte von Kühen standen und Bauern in kleinen Wohnungen hausten, finden sich heute Läden und Werkstätten und auf dem Dach eine Solaranlage mit fast 1.000 Quadratmetern Kollektorfläche und einer Leistung von 99 Kilowatt peak. Bilanziell könnten mit dem Strom der Bollewicker Solar- und Biogasanlagen über 2.800 Haushalte versorgt werden.