Energie-Kommune des Monats: Flensburg

April 2013

In Flensburg werden nicht nur Verkehrssünder-Punkte, sondern seit Januar 2013 auch Energie gespeichert. In einem Elektrodenheizkessel im Kraftwerk der Stadtwerke Flensburg wird mit Hilfe einer Spule Wasser auf fast 100 Grad Celsius erhitzt und in einem Wasserspeicher mit einem Fassungsvermögen von 29 Millionen Liter gesammelt. Das Speichern von Strom ist gerade im windreichen Schleswig-Holstein wichtig, da hier viele Windparks zu Spitzenzeiten mehr Strom liefern, als vor Ort verbraucht wird. Da das große Angebot zu solchen Zeitpunkten den Strompreis an der Börse senkt, kann die Nutzung von elektrischer Energie zur Wärmeerzeugung wirtschaftlich sinnvoll sein. Die Steigerung des Strombedarfs durch die Wärmenachfrage hat also zwei Nebeneffekte: Das Stromnetz wird entlastet, denn es muss nicht mehr so viel Windstrom abtransportiert werden. Gleichzeitig wird der Strom regional gespeichert. Und auch für die notwendige Nachfrage nach heißem Wasser ist in Flensburg gesorgt. Die 91.000 Flensburger Bürgerinnen und Bürger sind zu 98 Prozent an das Fernwärmenetz angeschlossen. 

Erfolgsfaktor Fernwärme

Ein flächendeckendes Fernwärmenetz ist in Deutschland eine Ausnahme, ganz im Gegenteil zum Nachbarland Dänemark, in dem etwa 60 Prozent der Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind. In Deutschland sind dies nur knapp 14 Prozent. „Die direkte Nachbarschaft zu Dänemark ist für Flensburg und Schleswig-Holstein auch beim Thema Energieversorgung wichtig“, so Oberbürgermeister Simon Faber. „Wir haben uns bei der Fernwärmeversorgung ebenso inspirieren lassen, wie beim Ausbau der Windenergie.“ Das der Austausch nicht nur strategischer Natur ist, sondern auch in der Praxis passiert, zeigt das Flensburger Fernwärmenetz, das neben Flensburg auch die dänische Nachbarstadt Padborg versorgt – seit 1983. Für Oberbürgermeister Faber ist klar: „Die europäische Zusammenarbeit im Energiebereich kann gerade in den Grenzgebieten nah an der Praxis und aus der Praxis passieren.“

Das Fernwärmenetz in Flensburg sorgt in den Wintermonaten für warme Haushalte und im Sommer für warmes Brauchwasser zum Waschen und Duschen. Dank des neuen Elektrodenheizkessels können die Stadtwerken an warmen Tagen den sonst benötigte Kohlekessel auf ein Minimum herunterfahren. Rein theoretisch wäre an sehr warmen Tagen sogar eine komplette Abschaltung möglich. Mit einer Leistung von 30.000 Kilowatt werden bis zu 29.000 Kubikmeter heißes Wasser gespeichert. So schafft der Elektrodenheizkessel nicht nur eine flexibel einsetzbare Nachfrage, sondern ersetzt auch die konventionelle Energiebereitstellung und spart CO2-Emissionen. „Städte bündeln den Energieverbrauch und bieten daher gute Bedingungen für eine Versorgung über ein Fernwärmenetz“, erörtert Maik Render, Geschäftsführer der Stadtwerke Flensburg. „Eine zentrale Aufgabe der Städte bei der Energiewende ist es, dem wechselnden Angebot von Wind- und Sonnenstrom einen flexiblen Verbrauch und damit eine intelligente Infrastruktur zur Seite zu stellen.“

Gemeinsam für die Energiewende

Seit 2011 arbeitet der Flensburger Klimapakt an einem gemeinsamen Ziel: bis 2050 soll Flensburg CO2-neutral sein. Die Universität Flensburg, auf deren Gelände auch ein Windrad steht, leistet gemeinsam mit Unternehmen und der Stadt, einen Beitrag zur Information und zum Dialog. In Workshops werden gemeinsam Probleme aufgezeigt und mögliche Lösungen erarbeitet. Die Wirtschaft setzt sich genau wie die Menschen Ziele, um den Energieverbrauch zu senken. Als Orientierung dient ein integriertes Klimaschutzkonzept.

In Flensburg wird jedoch nicht nur Energie verbraucht, sondern auch erzeugt. Dies geschieht derzeit in der Hauptsache über ein Heizkraftwerk, das neben der Versorgung des Fernwärmenetzes auch Strom erzeugt. Um die eigenen Möglichkeiten darzulegen, zeigt das Klimaschutzkonzept die Potenziale zur Nutzung der Erneuerbaren auf. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Photovoltaik, die mit bis zu 120 Gigawattstunden im Jahr nicht nur etwa 30 Prozent des Flensburger Strombedarfs decken kann, sondern auch eine gute Ergänzung zur Energieversorgung eines Heizkraftwerkes bieten könnte. Im Sommer, wenn die Nachfrage nach Wärme sinkt und daher auch die Strombereitstellung aus dem Heizkraftwerk, fließt der meiste Solarstrom. Neben der Photovoltaik liefert die Umstellung des Heizkraftwerkes auf Biomasse oder Biogas weitere Potenziale. Für Bioenergie und Windenergie gilt jedoch gleichermaßen: Für einen wirksamen Ausbau fehlen die Flächen. „Bei der Energieversorgung ist Flensburg auf das Umland angewiesen“, erläutert Oberbürgermeister Faber. „Deshalb arbeiten wir beim Masterplan 100 % Klimaschutz mit unseren Nachbarn zusammen und haben auch, dank der Stadtwerke Flensburg, das notwendige Knowhow.“

Wind aus der Region und auf hoher See

Die Stadtwerke Flensburg haben sich bereits sehr früh mit dem Thema Erneuerbare Energien beschäftigt. 1992 waren die Stadtwerke Gründungsmitglied eines kommunalen Windparks mit Bürgerbeteiligung, der seit 1994 regenerativen Strom erzeugt. Das neueste Projekt ist die Beteiligung an einem Offshore-Windpark in der Nähe von Borkum, der mit einer installierten Leistung von knapp 200 Megawatt etwa 1.000 Gigawatt Windstrom liefern soll. Gerade diese Mengen, die viel mehr als den gesamten Energiebedarf von Flensburg  ausmachen, zeigen, dass die Speicherung der Windenergie in Schleswig-Holstein ein wichtiger Baustein einer verlässlichen Energieversorgung auf Basis der Erneuerbaren ist.