Energie-Kommune des Monats: Lüchow-Dannenberg

März 2013

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg im östlichen Teil Niedersachsens ist schon seit Jahrzehnten ein Brennpunkt der deutschen Energiepolitik. Der ländliche Kreis mit etwa 50.000 Einwohnern auf einer Fläche von 1.221 Quadratkilometern ist durch das Atommüll-Zwischenlager in Gorleben sowie die Pläne für ein mögliches Endlager deutschlandweit bekannt. Dass der Landkreis aber nicht nur Projekte verhindert, sondern die Energiewende bereits geschafft hat, ist dann schon weniger bekannt. Doch bereits am „Tag der Erneuerbaren Energien“ 2011 verkündete der Landrat von Lüchow-Dannenberg, Jürgen Schulz, dass der Landkreis eines seiner Ziele, nämlich eine Stromversorgung aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien, erreicht hatte. Einen Monat zuvor war es nach einem verheerenden Erdbeben zu einer nuklearen Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi gekommen. „Gerade durch die Auseinandersetzung mit der Kernenergie hat sich bei uns im Landkreis ein Bewusstsein für die Bereitstellung von Energie entwickelt“, erläutert Landrat Jürgen Schulz den Einsatz der Menschen für die Energiewende. „Wir wissen, dass der Strom nicht einfach so aus der Steckdose kommt. Deshalb ist es uns wichtig, Alternativen zu den konventionellen Energien aufzuzeigen und im Landkreis umzusetzen.“

Wichtige Etappen zum Ziel

Bereits 1997 beschloss der Kreistag Lüchow-Dannenberg, die Region bis 2015 aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien zu versorgen. Dazu gehören neben der Versorgung im Bereich Strom auch Wärme und Verkehr. Der Anteil an Erneuerbaren am Stromverbrauch lag damals bei knapp einem Prozent. Im Jahr 2000 wurde von engagierten Bürgerinnen und Bürgern die WendenEnergie e.V. gegründet, ein Förderverein für Erneuerbare Energien und Energiesparen im Wendland. Schon vier Jahre zuvor ging die erste Windenergieanlage der Wendland Wind GmbH & Co. KG ans Netz. Insgesamt sind bereits vier Windenergieanlagen mit Beteiligung von insgesamt 250 Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt. 2002 bestätigte die Potenzialstudie ALTENER den politischen Beschluss zur regionalen Energiewende und machte wissenschaftlich plausibel deutlich, dass eine 100-prozentige Versorgung des Landkreises mit Erneuerbaren Energien aus der Region möglich ist. Auch im Bereich Mobilität hat der Landkreis erste Hürden genommen. Im Jahr 2006 eröffnete die erste Biogastankstelle Deutschlands in Jameln, die von der örtlichen Raiffeisen Waren Genossenschaft eG betrieben wird. 2013 wird es insgesamt drei Biogastankstellen im Landkreis geben.



„Um Prozesse zu verfestigen und Projekte aufeinander abzustimmen, ist es sinnvoll, unabhängige Einrichtungen zu etablieren“, erklärt Landrat Jürgen Schulz. „Dadurch können unterschiedliche Interessen berücksichtigt und zusammengebracht werden.“ 2007 wurde daher die Europäische Energiemanagementagentur emma e.V. für Wendland, Elbetal und Prignitz gegründet, die unter anderem den Energieeffizienz-Club, ein Netzwerk für Unternehmen, begleitet. Das neuste Projekt beschäftigt sich mit einem Businessplan fürs Handwerkernetz. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben, das sich mit der energieeffizienten Sanierung von Häusern befasst. 2008 entstand die Akademie für erneuerbare Energien, welche berufsbegleitend einen Masterstudiengang „Erneuerbare Energien“ im Landkreis anbietet. Eine Kooperation mit der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit einem bisher einmaligen Curriculum.

Nachhaltig wachsen

Seit 2009 ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg Teil der Bioenergie-Region Wendland-Elbetal, zu der auch fünf Gemeinden aus dem Landkreis Lüneburg gehören. Daher besteht ein Schwerpunkt in Lüchow-Dannenberg aus der Erschließung der Bioenergie-Potenziale. Aufgabe der Bioenergie-Region ist es, Wissen zu vermitteln, das vielfältige Know-how der Akteure und deren langjährige Erfahrung mit Bioenergie innerhalb der Region zu nutzen und es zusätzlich nach außen zu tragen. Daneben werden auch viele Projekte angestoßen und interessante Forschungsthemen in der Praxis erprobt. Solche Teilprojekte befassen sich mit dem effizienteren Einsatz von Wärme und der Aufbereitung von Gärresten aus der Biogasproduktion, mit dem Fahren mit Biogas sowie dem Dialog zwischen Bioenergie und Naturschutz. Dabei bildet das Blühstreifenprojekt eine gute Möglichkeit, Bioenergie und Schutz der Artenvielfalt in Einklang zu bringen.



Blühstreifen sind wichtige Bereiche in der Agrarwirtschaft für den Erhalt von Artenvielfalt. Es wurden Landwirte dazu bewegt, die Blühstreifen zu erhalten oder anzulegen, um dem Aussterben der Artenvielfalt entgegenzuwirken. In der Bioenergie-Region wurde eine eigene Saatgutmischung unter Mitwirkung von hiesigen Vogelkundlern entwickelt, besonders reich blühend und weniger dicht und hoch aufwachsend, um den Licht liebenden Tieren der Feldflur einen guten Lebensraum zu bieten. Nachdem in 2012 bereits 1,7 Tonnen des speziellen Saatguts für Blühstreifen geordert wurden, konnte der Verkauf nun auf weitere Vertriebspartner ausgeweitet werden. Die Bestellmenge für die Saison 2013 beläuft sich auf das Dreifache des Vorjahres und liegt bei etwa 5 Tonnen, ausreichend für annähernd 300 Hektar Blühstreifen.



Außerdem wurden von der Bioenergie- Region Handlungsempfehlungen zum optimalen Anlegen von Blühstreifen herausgegeben.

In naher Zukunft

Die politischen Leitlinien wurden im September 2010 erneuert, als der Kreistag das kommunale Klimaschutzkonzept verabschiedete. Damit gibt es nun eine umfassende Bestandsanalyse, die besonders auf die Verantwortlichkeiten und die Vorbildfunktion der kommunalen Verwaltungen aufmerksam macht und Hilfestellungen für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz formuliert. Zu Beginn des Jahres 2010 gründete der Wasserverband Dannenberg-Hitzacker kAöR die EVE Energieversorgung Elbtalaue GmbH, die im Januar 2013 das Stromnetz der Samtgemeinde Elbtalaue in kommunale Hand zurückführte. Das kommunale Unternehmen setzt sich maßgeblich für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der notwendigen Infrastruktur ein.



Obwohl der Landkreis Lüchow-Dannenberg bereits mehr Strom produziert als verbraucht wird, wird auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich vorangetrieben. „Für eine dünn besiedelte Region wie Lüchow-Dannenberg macht es keinen Sinn bei 100 Prozent aufzuhören“, sagt Landrat Jürgen Schulz. „Ohne die regenerativen Anlagen in unserer Region, gehen die Lichter in den Städten aus. So sorgen die Erneuerbaren für eine kommunale Wertschöpfung in unserer Region und wir für den notwendigen Strom.“ Im Landkreis steht daher eine neue Raumplanung an, die neue Vorranggebiete für Windenergie ausschreiben soll. Damit die Wertschöpfung auch in großen Teilen in der Region bleibt, motiviert der Bauernverband Nordostniedersachsen die Landwirte derzeit, sich im Vorfeld abzusprechen und vielleicht sogar selber zu Betreibern zu werden. Die Bürgeranlagen der Wendland Wind GmbH & Co. KG können dafür als Vorbild dienen. Neben der Windkraft bestehen die nächsten Herausforderungen in der Wärmeversorgung und einer gleichmäßigen regionalen Stromversorgung. „Wir sind noch nicht am Ziel angekommen“, meint Landrat Jürgen Schulz.