Wächtersbach

November 2009

Die hessische Stadt Wächtersbach (12.400 Einwohner) hat mit der Einweihung eines Biomasseheizkraftwerkes und eines Fernwärmenetzes Anfang Oktober 2009 einen großen Schritt hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung vollzogen. Bereits heute beziehen neben den kommunalen Gebäuden (Rathaus, Feuerwehr, Bauhof, ...), dem Freibad, der Gesamt- schule des Landkreises, sowie diversen mittelständischen Unternehmen, auch 400 Haushalte ihre Wärme aus dem Fernwärmenetz. Langfristig sollen über 70% der Haushalte mit Wärme aus Holzhackschnitzeln versorgt werden. Jörg Lotz, der Geschäftsführer der Bioenergie Wächtersbach GmbH, macht sich diesbezüglich keine Sorgen: „Die Wächtersbacher haben verstanden, dass sie mit dem Anschluss an das lokale Fernwärmenetz nicht nur einen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz leisten, sondern auch langfristig Geld sparen. Darüber hinaus spart man sich einen Heizungsraum sowie den Schornsteinfeger und man hat keinen Stress mit dem Kauf von Öl oder Gas.“

Gemeinde und Unternehmen arbeiten Hand in Hand

Ekdm_Waechtersbach_Lotz_AGAngestoßen wurde das Projekt durch die Erneuerung der Heizungsanlage im Rathaus und in der örtlichen Feuerwache. Das Ingenieurbüro Lotz legte daraufhin einen Plan vor, der darauf abzielte, weitere Haushalte an ein kleines Fernwärmenetz anzuschließen. Der Vorschlag der Lotz AG stieß beim damaligen Bürgermeister Rainer Krätschmer auf offene Ohren: „Die Stadt Wächtersbach ist sehr interessiert an einer möglichst großen Nutzung erneuerbarer Energien. Das Engagement des Ingenieurbüros Lotz haben wir daher sehr begrüßt.“ Die Stadtverwaltung und der Landkreis unterstützten die private Initiative in der Folge aktiv. Auch in der Bioenergie Wächtersbach GmbH ziehen Kommune und Unternehmen an einem Strang. Beteiligt sind neben dem privaten Initiator, der Hauptgesellschafter GETEC Heat and Power sowie die Stadt Wächtersbach selbst.

Kostengünstige Lösungen überzeugen

Schon zu Beginn des Projektes stießen Großkunden wie die Wohnungsbaugenossenschaft, von den zu erwartenden Kosteneinsparungen überzeugt, hinzu. Unternehmen wie Bürger erwarten auf Grund größerer Preisstabilität langfristig einen deutlichen Kostenvorteil der Bioenergie gegenüber der fossilen Wärmeversorgung. Verantwortlich hierfür sind die großen Waldbestände des Main-Kinzig-Kreises, welche Versorgungssicherheit garantieren. Attraktiv für Neukunden ist außerdem die Umlage der Anschlusskosten auf die gesamte Vertragslaufzeit. Dadurch werden hohe Investitionskosten, welche üblicherweise zu Beginn anfallen, vermieden. Anfängliche Probleme bei der Finanzierung des ca. 9 Millionen Euro teuren Vorhabens konnten dadurch gelöst werden, dass die Mitarbeiter der Lotz AG dazu bereit waren, Eigenkapital zu investieren. Das private Engagement überzeugte schließlich sowohl die örtliche Sparkasse als auch die Volksbank Main-Kinzig, das Vorhaben zu unterstützen. Das Land steuert 200.000 Euro und der Bund 400.000 Euro bei.

Der Brennstoff wächst vor der Haustür

Die Energie des Fernwärmenetzes entstammt einem Heizkraftwerk mit einer Leistung von 10 Megawatt Wärme und 1 Megawatt Strom. Als Rohstoff dient Holz aus der Region, das geerntet und anschließend zu Hackschnitzeln verarbeitet wird. Zahlreiche ortsansässige Unternehmen profitieren direkt von der Umstellung auf eine regenerative Wärmeversorgung. 

Im Biomasseheizkraftwerk werden die Holzhackschnitzel verbrannt und Thermoöl auf über 300 Grad erhitzt, welches das Wasser des Fernwärmenetzes erwärmt. Zusätzlich wird über einen angeschlossenen Kreislauf mittels einer Turbine Strom produziert. Die von der erweiterbaren Anlage erbrachte Leistung ist ausreichend, um langfristig drei Viertel der benötigten Wärme und den kommunalen Gesamtbedarf an Strom zu decken.

Vorbild für einen ganzen Landkreis

Nicht nur die Wächtersbacher Bürger interessieren sich für das Projekt, sondern auch die Kommunen der Region. Im Rahmen der Einweihungsfeierlichkeiten würdigte die hessische Umweltministerin die gemeinsamen Anstrengungen der Kommune, des Landkreises und der Privatwirtschaft als vorbildlich für die gesamte Region. Erweist sich die Wärmeversorgung in Wächtersbach auch in der Praxis erfolgreich, könnten weitere Gemeinden folgen. Landrat Erich Pipa wurde von der Idee inspiriert, für den Main-Kinzig-Kreis eine flächendeckende Energieversorgung durch Erneuerbare Energien in Angriff zu nehmen. Im Main-Kinzig-Kreis, welcher zu den waldreichsten Regionen Deutschlands gehört, könnten durch dessen Bestand jährlich bis zu 30 Mio. Liter Heizöl eingespart werden.

Der Ausbau des Fernwärmenetzes wird durch weitere Maßnahmen im Bereich der Erneuerbaren Energien begleitet: Neben dem Bau einer Solaranlage auf dem Dach der örtlichen Schule, unterstützt die Stadtverwaltung private Investoren durch die Bereitstellung von Dachflächen kommunaler Einrichtungen für Photovoltaikanlagen. Zwei landwirtschaftliche Betriebe in Wächtersbach (Handke in Leisenwald und Müller in Neudorf) betreiben Biogasanlagen; die Anlage in Neudorf produziert den jährlichen Strombedarf von 200 Haushalten und soll in den nächsten Monaten erweitert werden. Auf dem Dach des städtischen Kindergartens investierte die Stadt selbst in eine 60 KWp Photovoltaikanlage.

Des Weiteren werden auf städtischen Flächen im Stadtteil Neudorf drei Windräder gebaut und im Stadtteil Aufenau sind zwei weitere geplant. Ein Privatinvestor hat 12 Windräder erbaut; davon 7 in der Wächtersbacher Gemarkung.

Foto: Lotz AG