Leipzig

November 2019

EkdM_Leipzig_Daniel KochLeipzig wird in Deutschland als Trendstadt Nummer eins gehandelt. Dabei geht es meist um das vielfältige Kulturangebot sowie Freiräume für Künstler*innen, Studierende und junge Menschen. Was in Aufzählungen wie diesen eher nicht vorkommt: Leipzigs Engagement im Klimaschutz und der dezentralen Energiewende. Dabei ist Leipzig schon im Jahr 1993 dem Klima-Bündnis beigetreten und im November 2011 wurde die Stadt zum ersten Mal mit dem European Energy Award (EEA) ausgezeichnet. Seitdem führt Leipzig den Titel „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“. Im Jahr 2017 wurden die Klimaschutzbemühungen der Stadt sogar mit dem EEA in Gold ausgezeichnet. Der European Energy Award ist ein internationales Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsinstrument für kommunalen Klimaschutz, das Kommunen in Deutschland und Europa seit über zehn Jahren auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz unterstützt. Als Leitfaden der städtischen Aktivitäten wurde 2014 das „Energie- und Klimaschutzprogramm 2014–2020“ beschlossen: ein Maßnahmenplan, um die gesetzten Ziele auch zu erreichen. Die Umsetzung steuert die Stadt Leipzig in enger Zusammenarbeit und durch Unterstützung von der Leipziger Gruppe*, der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft, der Kammern sowie von Vereinen und Hochschulen.

„Klimaschutz und Energieversorgung müssen zusammen gedacht werden. Wir in der Verwaltung und in den Beteiligungsunternehmen leben das und setzen das um“, sagt Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister der Stadt. Aus diesem Grund hat der Leipziger Stadtrat Ende Oktober auf Grundlage eines Antrages des Jugendparlaments beschlossen, den Klimanotstand auszurufen. Der Beschluss soll mehr sein als Symbolpolitik. Er ist das Bekenntnis, die Pariser Klimaschutzziele ernst zu nehmen und sie in die politischen Beschlüsse einfließen zu lassen. Künftig soll also bei allen Vorhaben geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf den Klimaschutz haben. Um das zu erleichtern, will die Stadt ein neues Referat gründen, das unter anderem die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung bündelt und das den Nachhaltigkeitsbeirat unterstützt und ämterübergreifend agiert.

Der Plan steht: Raus aus der Braunkohle
Aktuell steht der Wärmesektor weit oben auf der Agenda, denn Leipzig möchte von fossiler Fernwärme aus dem nahegelegenen Braunkohlekraftwerk Lippendorf auf die Versorgung aus Erneuerbaren Energien umstellen. Im Rahmen dieser Transformation werden rund 250 MW neue Erzeugungskapazitäten und 100 MW ergänzende Speicherkapazitäten aufgebaut. Der beschlossene Transformationspfad sieht den Bau erneuerbarer Technologien, innovativer Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme in Kombination mit Solarthermie und Power-to-Heat sowie noch konventioneller gasbasierter Heizkraftwerke vor. Dabei wird in der Gas-Kraft-Wärme-Kopplung eine Brückentechnologie gesehen, die perspektivisch den Einsatz zukunftsfähiger regenerativer und synthetischer Gasbrennstoffe für eine CO2-neutrale Wärmeversorgung möglich macht. Ab Herbst 2022 will die Stadt damit weitgehend unabhängig von der Braunkohle sein. „Wir wollen Versorgungssicherheit und Klimaschutz unter einen Hut bringen: Es ist wichtig, selbst die Initiative zu ergreifen, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und zu überzeugen und den Strukturwandel aktiv zu gestalten“, kommentiert Oberbürgermeister Jung.

Bürger*innen beteiligen: Die Energiegenossenschaft nimmt zweite Solaranlage in BetriebEkdM_Leipzig_Energiegenossenschaft Leipzig
Im Strombereich decken Erneuerbare Energien in Leipzig bereits 75 Prozent des Energiebedarfs der kommunalen Liegenschaften. Der Trend zeigt auch, dass Solarstrommodule bereits auf einigen öffentlichen Gebäuden installiert sind. Zudem hat sich im Jahr 2013 die Energiegenossenschaft Leipzig gegründet, die aktiv Bürger*innen an der Energiewende beteiligt. Heute zählt die Genossenschaft 195 Mitglieder. Teilweise wird der Solarstrom sogar direktvermarktet: Solaranlagen auf dem Ludwig-Hupfeld-Center erzeugen Strom, der direkt von den ansässigen Unternehmen verbraucht wird. Zusätzlich kooperiert die Energiegenossenschaft mit der Bürgerwerke eG, die ein bundesweiter Zusammenschluss verschiedener Energiegenossenschaften ist und Ökostrom vermarktet. 366 Module erzeugen hier seit 2015 sauberen Sonnenstrom. Die gesamte Anlage liefert dabei 72 700 kWh pro Jahr, womit 20 Haushalte versorgt werden können. Damit werden jährlich etwa 49 Tonnen CO2 eingespart. Seit März 2018 ist die zweite Solaranlage der Genossenschaft am Netz – sie befindet sich im Leipziger Stadtteil Connewitz und wurde zu 100 Prozent durch deren Mitglieder finanziert. „Mit unseren ersten beiden Bürgersolaranlagen konnten wir zeigen, wie man umwelt- und klimafreundliche Energiegewinnung mit gerechten und demokratischen Strukturen verbinden kann. Das Potenzial Leipzigs beim Ausbau der Erneuerbaren Energie ist noch sehr hoch. Wir freuen uns deshalb über ein starkes Engagement seitens der Stadt, Bürgerenergieprojekte zu unterstützen“, sagt André Wüst, Vorstand der Energiegenossenschaft Leipzig.

Die Nutzung von Erneuerbaren Energien macht nicht bei Verwaltung und Bürger*innen halt – auch der Automobilhersteller BMW betreibt ein Werk bei Leipzig mit vier eigenen Windenergieanlagen. BMW hat hier vor drei Jahren die „Speicherfarm i3“ ins Leben gerufen. Sie gibt veralteten Ladebatterien von Elektro-Autos ein zweites Leben: Die Batterien werden als Speichermedium des überschüssigen Stroms der Windenergieanlagen genutzt.

Nachhaltige Mobilität: Die Verwaltung als Vorbild
Die Energie-Kommune Leipzig will aber auch selbst mit Blick auf die Mobilität der Zukunft mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu hat die Stadt ein Nachhaltigkeits-Szenario beschlossen. Es hat zum Ziel, den Umweltverbund, bestehend aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr zu stärken. Im Gesamtkonzept spielen Elektromobilität generell und Car-Sharing im Speziellen eine Rolle. Um nachhaltige und umweltfreundliche Mobilitätsformen attraktiver zu machen, hat Leipzig seit 2015 bereits 29 Mobilitätsstationen in der Stadt errichtet. Durch Kooperation mit den Anbietern „nextbike“ und „teilAuto“ haben die Leipziger Verkehrsbetriebe hier Angebote des ÖPNV (Straßenbahn und Bus) mit Bike- und Car-Sharing für einen direkten Umstieg verknüpft. Eine eigene App ermöglicht, sich die Verbindungen anzeigen zu lassen und Angebote direkt zu buchen. Vorbild für nachhaltige Mobilität ist jetzt schon die Leipziger Verwaltung: Die Stadt hat bereits 49 Dienstfahrzeuge durch Car-Sharing-Fahrzeuge ersetzt. Im Fuhrpark der Stadt und den kommunalen Unternehmen stehen etwa 100 Elektroautos sowie Lastenräder und weitere Fahrräder bereit, die sich Mitarbeiter*innen leihen können, um Dienstwege und Transporte umweltfreundlich zu erledigen.

*Die Leipziger Gruppe ist eine 100 prozentige Tochter der Stadt – zu ihr gehören die Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Wasserwerke und Sportbäder.

Fotos: Daniel Koch