"Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, in Wärmepumpen zu investieren"

Seit zwei Jahren arbeitet Johanna Otting als Referentin für Politik und Energiewirtschaft beim Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. Ihre Motivation für Energie- und Klimapolitik begann bereits während ihres Studiums der Politikwissenschaft und der Soziologie in Aachen, als sie noch als Nebenjob begann, für technische Institute im Energie- und Umweltbereich zu arbeiten. In ihrer ersten hauptberuflichen Station in der Automobilindustrie arbeitete sie an Forschungsprojekten zu erneuerbaren Antrieben. Die Leidenschaft für energiepolitische Arbeit und technischen Fortschritt führte Johanna Otting schließlich zum BWP, wo sie sich weiterhin hauptamtlich für den Klimaschutz einsetzt.

Im Interview erklärt sie, warum die Wärmepumpe auch im Altbau eine wirtschaftlich sinnvolle Option ist, welche Herausforderungen auf den Gebäudesektor zukommen werden und welche Weichen die Politik im Sinne der Wärmewende jetzt stellen muss.



Liebe Frau Otting, es herrschen immer noch Vorbehalte gegen Wärmepumpen, insbesondere was deren Effizienz im Altbau betrifft. Sind Wärmepumpen auch im Altbau ohne umfassende Sanierung wirtschaftlich und klimafreundlich  gegenüber Gas oder Öl?

Im Neubau sind Wärmepumpen bereits als Standardlösung etabliert, ein Großteil der Bauherren in Ein- und Zweifamilienhäusern entscheidet sich dort bereits für eine Wärmepumpe als primären Wärmeerzeuger. Aber auch im Altbau sind Wärmepumpen eine gute Option. Mittlerweile findet der überwiegende Teil der Wärmepumpeninstallationen im Gebäudebestand statt.

Grundsätzlich sind Wärmepumpen in der Investition im Bestand meistens etwas teurer als fossile Wärmeerzeuger, insbesondere dann, wenn zur Optimierung der Vorlauftemperatur einige Umfeldmaßnahmen wie der Austausch einzelner Heizkörper vorgenommen werden. Dies würde allerdings auch den Energieverbrauch einer modernen Gasbrennwertheizung senken.

Dazu kommt: Gerade bei sehr alten fossilen Geräten fallen bei der Heizungsmodernisierung auch beim 1:1-Wechsel umfangreiche Kosten an – das betrifft den Austausch der Peripherie wie zum Beispiel der Mischergruppe und weitere kostenintensive Maßnahmen, sodass Fachleute hier mittlerweile nur noch einen geringen Unterschied bei den Investitionskosten zwischen dem Wechsel auf eine Wärmepumpe und einer umfassenden Heizungsmodernisierung mit dem bestehenden Wärmeerzeugertypen sehen.

Der Blick auf die reinen Investitionskosten vor Förderung ist aber letztlich eine Verbraucherfalle – entscheidend ist die Wirtschaftlichkeit über die gesamte Betriebszeit. Hier punktet die Wärmepumpe ganz eindeutig. Denn die Wärmepumpe bezieht den Großteil ihres Energieverbrauchs aus kostenlos zur Verfügung stehender Umweltwärme. Nur ein kleiner Teil der Energie muss über den Strom am Markt bezogen werden. Wir sprechen hier also von einer Technologie, die in ihrer Effizienz fossilen Heizsystemen überlegen ist und somit über die Betriebsdauer auch ihren wirtschaftlichen Vorteil ausspielt.

Spätestens mit dem Aufwuchs der CO2-Aufschläge über den Emissionshandel ETS2 wird der Unterschied in den Verbrauchskosten zwischen Wärmepumpe und Gas-, und besonders gegenüber dem Ölbrennwertkessel von Jahr zu Jahr deutlicher. Somit ist die Wärmepumpe in einer Vollkostenbetrachtung mit der Förderung ein wirtschaftliches System. Das belegen auch zahlreiche Untersuchungen, die eine Vollkostenrechnung über die gesamte Betriebsdauer der einzelnen Heizsysteme anstellen.

Wie sieht es bei Mehrfamilienhäusern aus? Gibt es hierfür auch effiziente Lösungen, ohne dass gleich das ganze Gebäude gedämmt, alle Fenster und alle Heizkörper ausgetauscht werden müssen?

Gerade bei der Modernisierung in Mehrfamilienhäusern mit Zentralheizungen können Wärmepumpen als Einzellösung oder im Verbund mit einem fossilen Spitzenlastgerät gut integriert werden. Dabei ist das Fachhandwerk längst nicht mehr auf individuelle Anlagenkonzepte angewiesen, sondern kann auf eine schnell wachsende Bandbreite an vorkonfektionierten Lösungen für verschiedenste Anwendungsfälle zurückgreifen. Von Kaskadenlösungen mit Luft-Wasser-Wärmepumpen im kleinen Mehrfamilienhaus bis zu kombinierten Lösungen mit verschiedenen Wärmequellen in größeren Mehrfamilienhäusern oder Gebäudekomplexen sind viele Optionen denkbar und bereits tausendfach erfolgreich installiert.

Die Bundesregierung will bis 2030 rund sechs Millionen Wärmepumpen eingebaut haben. Die wichtigsten Energiewende-Szenarien, zum Beispiel von BDI, Agora Energiewende, Ariadne oder von den ÜNB, rechnen bis 2045/2050 mit 14 bis 16 Millionen Wärmepumpen. Reicht das für die Energiewende und gibt es dafür genügend Fachkräfte?

Die Energiewende wird ohne Zweifel nicht alleine im Gebäudebereich stattfinden. Dennoch ist dieser Sektor einer der größten Emittenten von CO2 und bietet somit auch einen großen Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die gesteckten Ziele der Bundesregierung ergeben sich aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Sie sind jedoch kein Selbstläufer. Die Wärmepumpenhersteller haben im letzten Jahr ihre Hausaufgaben gemacht, um dieses Ziel umzusetzen und dabei auch einiges investiert. Auch die Handwerksbetriebe sind dabei, sich umzustellen und nehmen die zahlreichen Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote in Anspruch, viele neue Geschäftsmodelle entstehen.

Doch aufgrund der großen Verunsicherung der Verbraucher durch die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz, die zu erwartende Förderung sowie ein Attentismus durch Erwartungen an die kommunalen Wärmepläne ist derzeit – zumindest in der ersten Jahreshälfte 2024 – eine Stagnation des Absatzes zu erwarten. Jetzt ist es an der Politik, wieder Vertrauen in die Transformation zu schaffen und eine klare politische Kommunikation zu fahren, dass Investitionen in erneuerbares Heizen nicht nur eine Investition in Klimaschutz sind, sondern auch zur Energieunabhängigkeit beitragen und letztlich auch wirtschaftlich die beste Wahl sind. Denn genau jetzt ist ein guter Zeitpunkt, in Wärmepumpen zu investieren - die Lager sind voll und Fördermittel stehen bereit.

Der Jahresbeginn ist von einer deutlichen Steigerung der Strompreise überschattet. Keine guten Nachrichten für Wärmepumpenbetreiber. Muss die Regierung auch in angespannter Haushaltslage für Entlastung sorgen?

Klar ist: Die Wärmepumpe wird die Gasheizung als Standardheizung ablösen. Wer jetzt noch in Öl oder Gasheizungen investiert, verschwendet sein Geld mit fossiler Technik von gestern und geht zudem hohe finanzielle Risiken ein: fossile Brennstoffe werden teuer – auch das muss den Besitzern von Bestandsgebäuden klar sein. Dazu brauchen wir bereits jetzt intuitive Argumente für die Bürger - wie einen fairen Strompreis. Die Leitplanken müssen jetzt politisch richtig gesetzt werden. Der Wärmepumpen-Hochlauf ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

Uns geht es vor allem darum, dass ein fairer Wettbewerb zwischen fossilen Brennstoffen und erneuerbaren Energieträgern ermöglicht wird. Das bedeutet ein Angleichen von Steuern, Abgaben und Umlagen und eine CO2-Bepreisung, die die Klimaziele der Bundesregierung, der EU und der Welt nicht ad absurdum führt. Es braucht sozusagen einen Fingerzeig der Bundesregierung, um die beschriebene Vollkostenbetrachtung bereits jetzt antizipieren zu können. Etwaige Kürzungen bei Investitionen in Klimaschutz und Netzausbau sind da der falsche Weg. Letztendlich sind wir dem Klimaschutz auch für die nachfolgenden Generationen verpflichtet. Nichtstun würde am Ende noch teurer werden.

Ein großer Vorteil der Wärmepumpe ist, dass sie auch einen Beitrag zum Lastmanagement leisten kann, sie sich vorübergehend auch vom Netz trennen lässt, wenn keine Sonne scheint und wenig Wind weht. Der Pufferspeicher wird wieder gefüllt, wenn viel Strom im Netz ist. Welche Rolle können dabei flexible Stromtarife spielen? Lässt sich mit einer Wärmepumpe und einem dynamischen Strompreis zusätzlich Geld sparen?

Das ist korrekt, etwa die Hälfte aller installierten Wärmepumpen profitiert bereits heute über die Wärmepumpentarife von vergünstigten Netzentgelten. Im Gegenzug können die Anlagen zeitweise vom Netz genommen werden, was technisch vollständig ohne Komforteinbußen funktioniert. Die Möglichkeit dynamischer Stromtarife wird dieses flexible Verhalten durch echte marktwirtschaftliche Mechanismen weiter anreizen. Hier sind insbesondere auch im Zusammenspiel mit PV-Eigenerzeugung, gegebenenfalls Batteriespeicher und Elektromobilität durchaus Potenziale vorhanden, im Gegensatz zu einem statischen Stromtarif Geld zu sparen.

In der Gesamtheit werden wir die Frage der Energiepreise aber nicht allein über dynamische Tarife lösen. Auch die Themen Netzausbauplanung und -finanzierung sowie die Gestaltung der Netzentgelte spielen eine zentrale Rolle. Darüber hinaus brauchen wir einen grundsätzlich fairen Wettbewerb zwischen den Energieträgern, insbesondere auch über die ungleichen Anteile an Steuern und Abgaben.