Energie-Kommune des Monats: Malchin am Kummerower See

Blick in das malchiner Becken (Foto: Botaurus stellaris)Dezember 2021

Geprägt durch die Landschaft der Mecklenburgischen Schweiz und dem Kummerower See befindet sich das Amt Malchin im Norden des Landkreises Mecklenburgische-Seenplatte. Als eines von vierzehn Grundzentren des Landkreises engagiert sich die Kommune in Kooperation mit dem Landkreis und dem regionalen Planungsverband Mecklenburgische Seenplatte für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Im zuletzt 2017 aktualisierten regionalen Entwicklungskonzept hat der Planungsverband Chancen sowie Herausforderungen identifiziert, die nun die Grundlage für eine zukunftsfähige und umsetzungsorientierte Regionalentwicklung bilden. Bei der Umsetzung ist unsere Energie-Kommune Malchin Vorreiter im Landkreis. Bereits 2014 wird dort ein neuartiges Niedermoormasse-Heizkraftwerk in Betrieb genommen, das seine Anlieger*innen ganzjährig mit nachhaltiger Wärme versorgt. Durch eine Kooperation mit dem ansässigen Wohnungsbauunternehmen können die Malchiner*innen ab dem Jahr 2023 sogar Geld sparen.

Vom Planungsverband über den Landkreis bis zum Amt Malchin – Klimaschutz auf allen kommunalen Ebenen

Als Tourismusstandort in Europas größtem Wassersportrevier stößt die Umsetzung der Energie- und Wärmewende immer wieder lokal auf Skepsis, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren geht. Dennoch sind für Malchin und den gesamten Landkreis Investitionen in den Klimaschutz und den Ausbau der nachhaltigen Energieversorgung von größter Bedeutung. Dabei ist der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte bereits heute Standort von 320 Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von 684 Megawatt. Zusätzlich wird im gesamten Landkreis an 73 Standorten Biogas produziert. Jährlich werden so über 400 Millionen Kubikmeter nachhaltiges Gas hergestellt, welche überwiegend lokal und nachhaltig Wärme und Strom bereitstellen. Die größten Herausforderungen der Region im Bereich Natur, Umwelt und Klima liegen laut dem regionalen Entwicklungskonzept des Planungsverbandes allerdings in der Übernutzung der natürlichen Ressourcen durch Tourismus sowie intensive, konventionelle landwirtschaftliche Betriebe. Konzepte zum nachhaltigen Schutz der natürlichen Ressourcen der Region stellen deswegen eine umweltgerechtere Landnutzung, eine verbesserte Besucherlenkung in geschützten Gebieten sowie die langfristige Renaturierung der in den letzten Jahrzehnten zerstörten Moorflächen in den Mittelpunkt. In Malchin zeigt das Heizkraftwerk der Agrotherm GmbH, wie erneuerbare Wärme wirtschaftlich hergestellt werden kann, ohne die lokale Moorlandschaft weiter zu belasten.

Niedermoormasse-Heizkraft inzwischen seit sieben Jahren in Betrieb

Heizkessel mit Hackgutzuführung (Foto: Agrotherm GmbH)Dass Malchin und die angrenzenden Ämter heute vom Heizkraftwerk profitieren, verdankt der Ort der Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Universität Greifswald, engagierten Bürger*innen vor Ort und nicht zuletzt der Initiative der lokalen Verwaltung. „Durch die sehr innovative Denkweise der Entscheidungsträger in der Vergangenheit wurden gute Grundlagen geschaffen, um die Situation heute effektiv und sinnvoll meistern zu können. Angesprochen ist hier natürlich das Niedermoormasse-Heizkraftwerk “, fasst Ivo Fischer, Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Malchin, zusammen. Angestoßen wurde die Inbetriebnahme des Heizkraftwerkes mit Pioniercharakter durch die Umweltschutzbemühungen der Landesregierung. Die Renaturierung von zuvor unter anderem zum Torf Abbau genutzter Flächen führte durch den Anstieg des Wasserstandes zum Absterben der Futtergräser auf den Niedermoorwiesen. Diese wurden durch „Paludikulturen“ verdrängt. Das sind Nutzpflanzen wie Schilf, Erlen oder spezielle Gräser, die in morastigen Böden wachsen und heute wieder als natürliche CO2-Senken dienen. Aufgrund der besonders holzigen Struktur des Materials sind solche Gewächse als Futtermittel zwar ungeeignet, stellen dafür aber einen geeigneten Brennstoff zum Betrieb eines Heizkraftwerks dar. Zumindest theoretisch, da der wirtschaftliche Betrieb eines Heizkraftwerkes mit Niedermoormasse vor dem Projekt in Malchin wenig erprobt war. Gemeinsam mit der Unterstützung der Universität Greifswald, den lokalen Entscheidungsträger*innen und der eigens gegründeten Agrotherm GmbH wurden bis zur Inbetriebnahme jedoch alle technischen Herausforderungen überwunden. Finanziell wurde das Projekt mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 640.000 Euro auch über den „Aktionsplan Klimaschutz“ vom Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit 180.000 Euro gefördert, sodass das Niedermoormasse-Heizkraftwerk Malchin im Juni 2014 den Betrieb aufnehmen konnte.

Verarbeitung des Heizmaterials mittels Rundballenpresse (Foto: Agrotherm GmbH)Seitdem werden in Malchin jährlich um die 5.000 Ballen Niedermooraufwuchs in nachhaltige Wärme für die Anwohner*innen umgewandelt. Das sind in etwa 800 bis 1200 Tonnen Brennstoff, die von einem kooperierenden Landwirt bereitgestellt werden. In einem speziell für das Heizkraftwerk angepassten Verfahren werden diese verschiedenen Schilfgewächse – unter anderem Seggen, Binsen oder Rohrglanzgras – aufbereitet. Gerade eine trockene Bergung des Brennstoffes stellt immer wieder eine Herausforderung dar. Neben der Nassflächenmahd werden im Heizkraftwerk zusätzlich weitere 1.000 Kubikmeter Holzhackschnitzel im Jahr verbrannt, um den lokalen Wärmebedarf zu decken, was ungefähr einem Anteil von zehn Prozent des Gesamtbrennstoffes entspricht. Und am Ende geht die Rechnung auf. „Die Kosten werden gedeckt und die Naturschutzflächen werden zuverlässig beräumt“, erklärt Ludwig Bork, Fachagrarwirt für Erneuerbare Energie und Geschäftsführer der Agrotherm GmbH. Ein weiterer Vorteil des auf den Niedermoorflächen geernteten Materials: Es entzieht der Lebens- oder Futtermittelproduktion der Region keine weiteren Flächen und steht somit auch nicht in Flächenkonkurrenz mit ansässigen Landwirten*innen. Heute versorgt das Heizkraftwerk mit einer Nennwärmeleistung von 800 Kilowatt circa 490 Wohnungen, zwei Schulgebäude sowie mehrere Bürogebäude mit nachhaltiger Wärme. Damit werden im Amt Malchin durch das Heizkraftwerk im Jahr zwischen 2,9 und 3,8 Gigawattstunden nachhaltige Wärme produziert. Wollte man diese Wärme konventionell bereitstellen, wären ungefähr 380.000 Liter Heizöl pro Jahr nötig.

Seit der Inbetriebnahme 2014 zeigt das Heizkraftwerk Malchin, wie innovative Lösungen und die Entwicklung neuer Ansätze zur dezentralen Bereitstellung von nachhaltiger Wärme die Region stärken können. Mit dem geplanten Abschluss eines neuen Wärmeversorgungsvertrages mit der Malchiner Wohnungsbaugesellschaft WOGEMA geht das Amt abermals gemeinsam mit dem Heizkraftwerk einen Schritt in Richtung einer emissionsfreien und dezentralen Wärmeversorgung. „Mit dem neuen Vertrag und der damit verbundenen Erweiterung des Fernwärmenetzes wird ein Großteil des Stadtgebietes Malchin zukünftig mit bis zu 75 Prozent mit Biowärme versorgt“, erklärt WOGEMA-Geschäftsführer Fischer. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der Anteil der erneuerbaren Wärme am Gesamtwärmeverbrauch lediglich um die 15 Prozent (2020). Das ist nicht nur gut für die Umwelt, von der die vom Tourismus geprägte Region lebt, sondern entlastet außerdem die Malchiner Bürger*innen. Fischer erklärt: „Mit diesem Vertrag haben wir für alle Bürger*innen Malchins einen großen Teil der ab 2021 anfallenden CO2-Steuer abgefangen.“ Der Vertrag soll ab dem 1. Januar 2023 Gültigkeit haben und dann Umwelt und Geldbörse der Malchiner*innen gleichermaßen entlasten. Gerade in einer Region, in der die Erneuerbaren Energien immer wieder mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen haben, setzt Malchin das wichtige Zeichen, dass die Energiewende Bürger*innen nah und umweltfreundlich gerade im ländlichen Raum ein Katalysator für innovative Entwicklungen sein kann.