Energie-Kommune des Monats: Reken

März 2018

Die ländlich gelegene Gemeinde Reken im westlichen Münsterland ist Teil eines der größten Naturparks Nordrhein-Westfalens, der Hohen Mark. Dass der Erhalt dieser Natur und somit auch der Klimaschutz den Rekenern am Herzen liegt, kann man mit einem Blick auf das Landschaftsbild der Gemeinde erkennen: Die 14.400 Einwohner*innen setzen mit ihren knapp 800 installierten Photovoltaikanlagen ein Zeichen und tragen zur dezentralen Energiewende bei. Die Gemeinde selbst steht ihren Einwohner*innen in nichts nach: „Investitionen in Erneuerbare Energien haben in Reken eine lange Tradition. Neben der wirtschaftlichen Motivation möchten wir unserer Verantwortung bei der Energiewende gerecht werden", so Bürgermeister Manuel Deitert.

Projekt zu intelligenter Steuerung von Netzen testet die 100-prozentige dezentrale Stromversorgung

Reken ist einer von 30 Standorten im Projekt DESIGNETZ, welches 2017 im Rahmen des BMWi-Förderprogramms SINTEG gestartet ist. Die Gemeinde qualifizierte sich insbesondere durch ihre vielen dezentralen Stromerzeugungsanlagen aus Wind, Sonne und Bioenergie als Projektstandort. Prioritär verfolgt das Projekt das Ziel, Lösungsansätze für eine sichere, klimafreundliche und effiziente Stromversorgung zu entwickeln. In Reken baut DESIGNETZ auf dem EU-Forschungsprojekt Grid4EU auf (2011 bis 2016), welches die intelligente Steuerung des Ortsnetzes bereits auf Basis von dezentraler, erneuerbarer Einspeisung von Strom testete. Bei geplanten Netzoptimierungen sollte der Strom möglichst dort zum Einsatz kommen, wo er erzeugt wird. Dies schafft einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage und reduziert Netzverluste: Mithilfe von intelligenten Schalt- und Messtechniken an 18 Netzpunkten und einer Umspannanlage mit Kontrolleinheit kann der Stromfluss im Projekt DESIGNETZ auf Netzabschnitte verlagert werden, die noch Strombedarf haben.

Darüber hinaus stellt das Projekt Informationen über die Energiewende für Bürger*innen bereit, um die Akzeptanz vor Ort zu fördern. Dies geschieht sowohl in Form von Info-Stelen auf dem Rathausvorplatz als auch durch eine Smartphone-App, in der die virtuelle Welt in der realen Umgebung dargestellt wird. Die interaktive App ermöglicht das spielerische Entdecken von Themen wie Sektorenkopplung oder intelligente und flexible Netze.

Erneuerbare Energien Mix in allen Sektoren

Auf Erfolgen ruht die Gemeinde sich nicht aus. Nach der Auszeichnung als fahrradfreundlichste Kommune Deutschlands setzt Reken neben dem Zukauf von weiteren Elektro-Bikes auch auf den Ausbau eines breiten Netzes an entsprechenden Ladesäulen. Aktuell plant die Gemeinde zudem die Installation einer weiteren Photovoltaik-Anlage (156 kWp) auf dem Dach des städtischen Freibads. Die Energie der Sonne wird in Reken durch vielfältige Projekte aus dem Bereich der Windenergie ergänzt. Der Ausbau des Windprojektes Voßplacke/Illerhusen konnte als Ausnahme im Flächennutzungsplan in kürzester Zeit angegangen werden. In Absprache mit den Grundstückeigentümern wurde die Windenergiegemeinschaft Reken GmbH gegründet. „Die rechtzeitige Einbindung der Anwohner erwirkte eine breite Akzeptanz für das Projekt“, sagt Deitert. Das Ziel, ein Viertel der Gesamtkosten durch die Beteiligung Rekener Bürger*innen zu decken, wurde fast vollständig erreicht.

Neben Sonne und Wind spielt die Bioenergie eine große Rolle in Reken. „Ein vorbildliches Nahwärmeprojekt in unserer Gemeinde ist das der Familie Benning in Reken-Hülsten", betont Deitert.

Biogas sorgt für Erneuerbaren Strom und Wärme in Reken

„Das Besondere an Reken ist, dass neben vielen Privathäusern praktisch alle relevanten Wärmeverbraucher im öffentlichen und sozialen Bereich mit Bioenergie aus verschiedenen Biogasanlagen bedient werden“, betonen Ulrike und Hermann-Josef Benning. „Dies ist ausschließlich auf die Initiative der landwirtschaftlichen Betreiber*innen und vieler privater Akteure*innen zurückzuführen. Wir sind nur ein Beispiel von vielen."

Bei der Diversifizierung ihres 72-hektargroßen landwirtschaftlichen Betriebs in Reken Hülsten entschieden sich die Landwirte, neben dem Gemüseanbau auf erneuerbare Energien zu setzen. Der Betrieb zweier 600 kW-Windenergieanlagen im Jahr 2000 wurde 2004 durch Energie aus Sonne und Biomasse erweitert. „Ursprünglich als Nebenbetrieb geplant, zeigte sich nach und nach das große Entwicklungspotenzial der Bioenergie. Inzwischen ist sie der Haupterwerbszweig unseres Betriebes“, fassen die Bennings ihre Erfahrungen zusammen. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Reken errichtete die Benning Agrar-Energie GmbH 2008 das erste Satelliten-BHKW am Frei- und Hallenbad im Ortsteil Groß-Reken. Von ihrer Biogasanlage im Ortsteil Hülsten wird das 250 kW-BHKW über eine 3,5 km lange Mikrogasleitung mit Biogas versorgt. Mittlerweile ist diese Leitung zu einem Mikrogasnetz von 10 km Länge angewachsen. Zwei benachbarte Biogasanlagen unterstützen die Bennings dabei, drei weitere Satelliten-BHKWs (zwei mit 250 kW, eins mit 400 kW) mit Biogas zu betreiben. Jedes der insgesamt fünf BHKWs (eins am Standort der Biogasanlage, vier Satelliten) liefert die bei der Stromproduktion gleichzeitig entstehende Wärme in je ein Nahwärmenetz unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlicher Wärmekundenanzahl. So werden neben dem Frei- und Hallenbad unter anderem Privathaushalte, landwirtschaftliche Betriebe und kommunale Gebäude wie Sportverein, Musikverein und Kindergarten mit erneuerbarer Wärme beliefert. Ein weiterer Wärmeabnehmer ist das Kloster mit angrenzendem Gymnasium im Ortsteil Maria Veen. Im Jahr 2017 hat die Benning Agrar-Energie GmbH gut 9 Millionen kWh Strom aus Biogas erzeugt und in das Stromnetz eingespeist sowie circa 5,5 Millionen kWh Wärme an circa 30 Wärmekunden verkauft. Dies erspart der Umwelt ca. 600.000 Liter Heizöläquivalent und den Kunden in der Summe ca. 100.000 EUR Heizkosten.

Durch alle Bioenergieanlagen zusammen werden in Reken pro Jahr ca. 1,2 Millionen Liter Heizöl ersetzt. Dabei wird eine Strommenge in Höhe von ca. 25 Millionen kWh erzeugt - und das nahezu klimaneutral. Die Strommenge entspricht in etwa dem Jahresbedarf aller Privathaushalte in Reken. Bei der eingesetzten Biomasse können die Landwirte zum Teil auf ihre eigenen landwirtschaftlichen Ressourcen zurückgreifen: Neben Silomais, Grünroggen und Gras sowie Rinder- und Pferdemist dienen neuerdings auch Blühpflanzen wie die durchwachsene Silphie der Biogaserzeugung.

Praktische Erfahrungen mit Ernte, Lagerung und Verwertung konnten die Landwirte in Reken noch nicht sammeln, da erst letztes Jahr auf drei Flächen mit insgesamt 2,7 Hektar die Silphie ausgesät wurde und diese erst im zweiten Jahr blüht. Die Erfahrungen mit der Silphie in Baden-Württemberg zeigen aber hervorragende Ergebnisse beim Energieertrag und besonders auch als Nahrung für Bienen. In Reken wird dem Naturschutz auch durch das Anlegen von Blühstreifen besondere Beachtung geschenkt: „Wir legen seit vielen Jahren Blühstreifen vor allem an den Spinatflächen an“, so Ulrike und Hermann-Josef Benning. „Die bunten Blühmischungen mit Sonnenblumen, Phacelia, Buchweizen u.a. erfreuen die Menschen auf ihren Fahrradtouren und auch die Bienen und andere Insekten bei ihrer Nahrungssuche. Außerdem stellen sie einen Rückzugsraum für das Niederwild dar.“

Flexible und bedarfsgerechte Stromproduktion

Ulrike und Hermann-Josef Benning bleiben ambitioniert: Ein 735 kW-BHKW zur bedarfsgerechten Stromeinspeisung wird in einigen Wochen in das System eingebunden. „Die Entscheidung für den Schritt in die Flexibilisierung war vor dem Hintergrund der unsicheren politischen Lage eine große Herausforderung. Aber wir sind davon überzeugt, dass gerade wir mit Biogas nicht nur Grundlast liefern, sondern auch die Stromspitzen bedienen können. Außerdem möchten wir als Landwirte einen zukunftsfähigen Betrieb in die nächste Generation weitergeben können und dafür ist es als Energiewirt notwendig, flexibel und bedarfsgerecht am Strommarkt agieren zu können". Zur Nutzung der bei der flexiblen Stromproduktion anfallenden Wärme wird ein neues Nahwärmenetz errichtet, wodurch insgesamt zehn weitere Privat- bzw. Bauernhäuser in der Nachbarschaft mit Wärme beliefert werden können.

Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde beschreiben die Landwirte Benning als konstruktiv. „Durch eine vernünftige Kommunikation konnte über all die Jahre immer eine positive Lösung gefunden werden. Es ist in Reken schon einiges erreicht, aber die Erneuerbaren Energien bieten für die Rekener Bürger in Zukunft noch ein enormes Entwicklungspotenzial.“