Energie-Kommune des Monats: Sprendlingen-Gensingen

Mai 2016

Die rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen im Landkreis Mainz-Bingen besteht aus zehn eigenständigen Ortsgemeinden – Aspisheim, Badenheim, Gensingen, Grolsheim, Horrweiler, St. Johann, Sprendlingen, Welgesheim, Wolfsheim und Zotzenheim. Hier leben insgesamt 14.500 Einwohner. Die Gemeinde gilt als wirtschaftlich starke Zuzugsregion im prosperierenden Umland der Landeshauptstadt Mainz. Vor Ort sind die bedeutendsten Wirtschaftszweige der Weinbau, die Landwirtschaft und der Tourismus. Im Weinbau sind die Auswirkungen des globalen Klimawandels heute bereits zu spüren. Durch die gesunkene Niederschlagsmenge und die Zunahme von extremen Wetterereignissen nimmt die Bodenerosion vor allem in den Hanglagen zu. Das führt langfristig zu einer Verlagerung der Anbauflächen in Talbereiche und einem vermehrten Einsatz von Düngemitteln.

Auf dem Weg zur Null-Emissions-Gemeinde

Der engagierten Bürger*innenschaft ist es zu verdanken, dass die Verbandsgemeinde seit rund 10 Jahren auf dem Weg zur Null-Emissions-Gemeinde ist. Schon früh legte man Wert darauf, die Energieversorgung strategisch zu planen. Gemeinsam haben Bürger*innen, Arbeitskreise und Verwaltung aus dem Null-Emissions-Konzept eine konkrete, auf die Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen angepasste Strategie abgeleitet. Sie basiert auf einer ganzheitlichen Betrachtung aller Sektoren des Wirtschaftssystems und beschränkt sich nicht nur auf die ökonomische Bilanz der Herstellung selbst, sondern auf alle vor- und nachgeordneten Schritte, von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Entsorgung am Ende des Lebenszyklus. Dies bedeutet konkret: Die Verbandsgemeinde will verstärkt einheimische Ressourcen wie Biomasse, Solarenergie, Windkraft ernten und darüber hinaus Sekundärrohstoffe sowie Abwasser nutzen und somit regionale Rohstoffkreisläufe schließen. Die Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien hat hohe Priorität. So sollen alle lokalen Ressourcen effizient genutzt und somit die lokale Kauf- und Wirtschaftskraft gesteigert werden. „Die Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen sieht die Energieversorgung als eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge“, erläutert dazu Manfred Scherer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde.

2007 erklärte der Rat der Verbandsgemeinde Klimaschutz und die Sicherung der Energieversorgung zu herausragenden Aufgaben der Verbandsgemeinde nach dem Motto „Global denken – Lokal handeln“. Daraus wurde das Ziel abgeleitet, bis 2018 den Strombedarf der Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen aus regenerativer Energiegewinnung vor Ort zu decken. Bis 2050 will die Gemeinde die Emissionen um 95 Prozent reduzieren.

„Das Ziel, eine Null-Emissions-Gemeinde zu werden, ist zwar mit der Vermeidung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen und dem Verzicht auf fossile Brennstoffe schon grob vorgegeben“, erklärt Andreas Pfaff, der Klimaschutzmanager der Verbandsgemeinde. „Das Projekt von der Theorie in die Praxis zu überführen, erfordert allerdings, dass die Verbandsgemeinde konkrete Aufgaben und Ziele definiert.“ Konsequenterweise begann 2009 die Arbeit am eigenen Klimaschutz- und Energiemanagementkonzept. Es enthält einen Handlungskatalog, der konkrete Projekte vorschlägt. Die Stelle des Klimaschutzmanagers, der die Umsetzung unterstützen soll, ist seit 2011 besetzt. Die Gespräche zwischen den Bürger*innen über das Klimaschutzkonzept haben auch einen Arbeitskreis hervorgebracht. Alle sechs Wochen treffen sich fünf bis 15 Mitbürger*innen, um die lokale Energiewende zu besprechen, Ideen zu entwickeln und Erfahrungen auszutauschen.

Mithilfe des Klimaschutzkonzeptes und unterstützt durch den Klimaschutzmanager haben engagierte Bürger*innen und die Verwaltung schon viel erreicht:

Erneuerbare Energien vor Ort
Um in Sprendlingen-Gensingen Solarenergie optimal zu nutzen, hat die Verbandsgemeinde ein Dachflächenkataster erstellt. So sind bisher über 220 Anlagen mit mehr als 6.500 Kilowatt Leistung errichtet worden. Sie erzeugen zusammen pro Jahr über 7.600.000 Kilowattstunden Strom. Eine bereits 2008 installierte PV-Freiflächenanlage in Sprendlingen erzeugt etwa 400.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

In der Ortsgemeinde Badenheim Gensingen stehen drei Windenergieanlagen und eine Wasserkraftturbine der Rumpfmühle erzeugt am alten Mühlbach der Nahe rund 650.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Eine vierte Windkraftanlage in Badenheim ist derzeit in Planung und soll noch 2016 in Betrieb gehen. Das Feuerwehrgerätehaus wird seit 2015 durch ein Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerk mit Strom und Wärme versorgt und weitere Nahwärmenetze mit gasbetriebenen Blockheizkraftwerken wurden zwischen kommunalen und auch Kreisliegenschaften in den vergangenen Jahren in Betrieb genommen.

Bürgerenergie in Sprendlingen-Gensingen
In der Ortsgemeinde Gensingen wurde 2009 die Bürgergenossenschaft Rheinhessen eG gegründet, um den Ausbau regenerativer Energieerzeugung voranzubringen. Bürger*innen erhalten hier die Möglichkeit, sich aktiv an einer umweltfreundlichen Energieversorgung für die Region zu beteiligen. Die Genossenschaft betreibt sieben Photovoltaikanlagen in verschiedenen Ortsgemeinden. Die Kleinste, in der Ortsgemeinde Gensingen, hat eine Leistung von 8,20 Kilowatt peak und die größte, in Flörsheim-Dalsheim, hat eine Leistung von 44,82 Kilowatt peak.

Verbandsgemeindeeigene Energieagentur Sprendlingen-Gensingen
Im Jahr 2013 hat die verbandsgemeindeeigene Energieagentur ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist zentrale Anlaufstelle für Bürger, Unternehmen, Betriebe und Vereine, die Informationen über das Energiesparen und den Klimaschutz suchen. Sie berät über Zuschüsse und macht Projekte wie das Förderprogramm für energetische Sanierung von Wohngebäuden, die Erneuerung der Heizungstechnik oder Batteriespeichersysteme öffentlich bekannt.

Beteiligungen am Strom- und Gasnetz
Im Zuge der Rekommunalisierung hat der regionale Energieversorger, die Rheinhessen-Energie GmbH (RHE), 2012 die Stromnetze in drei Ortsgemeinden übernommen und ist an dem 2016 stattfindenden Vergabeverfahren der restlichen Strom- und aller Gasnetze beteiligt. Anteilseigener des regionalen Energieversorgers RHE sind die Verbandsgemeindewerke Sprendlingen-Gensingen AöR (51%), die Bürgergenossenschaft Rheinhessen eG (23,9 %), die Stadtwerke Mainz AG (12,55 %) und die Elektrizitätswerken Schönau eG (12,55 %). Durch diese Gesellschafterstruktur ist es seit 2013 möglich, dass Bürger*innen und die Ortsgemeinden in Sprendlingen-Gensingen vom wirtschaftlichen Erfolg der Energieversorgung profitieren.

LED-Beleuchtung
Im Bereich der Straßenbeleuchtung werden neben den bereits komplett auf LED umgerüsteten veralteten Quecksilberdampfleuchten seit 2016 auch Natriumdampfleuchten ausgetauscht. Bei den bisher ca. 1.100 umgerüsteten LED-Leuchten bedeutet das neben den ökologischen Vorteilen auch eine große finanzielle Einsparung von ca. 70.000 € pro Jahr.

Kommunen fördern Maßnahmen zur Wärmewende
Zur Erhöhung der Sanierungsquote privater Wohngebäude hat als erste Ortsgemeinde Gensingen 2011 ein eigenes Förderprogramm aufgelegt. Im Herbst 2014 zog auch die Verbandsgemeinde mit einem Förderprogramm nach. Einen Zuschuss durch die Verbandsgemeinde erhalten außerdem all jene, die ihr Heizungspumpen austauschen oder einen hydraulischen Abgleich durchführen lassen.

Strategischer Ansatz schafft Akzeptanz für die Energiewende
Mit der Entscheidung des Verbandsgemeinderates, den Klimaschutz und die Sicherung der Energieversorgung zu herausragenden Aufgaben der Zukunft zu erklären, begann die Verbandsgemeinde auch, die Bürger*innen über Ziele, Aufgaben, Projekte und Entwicklungen kontinuierlich über Öffentlichkeitsarbeit zu informieren. Die Bewohner*innen der Verbandsgemeinde haben so einen Überblick und können die Anstrengungen für die Energiewende und Klimaschutz verstehen und unterstützen. „Durch direkte Ansprache und Einbindung von Zielgruppen, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit soll das Thema Klimaschutz nachhaltig in der Region verankert werden“, resümiert Pfaff.