"Die Akzeptanz im Norden ist immer noch sehr hoch. Das liegt daran, dass sich hier sehr viele 'echte' Bürgerwindparks befinden."

Frau Ingwersen, Sie haben International Business Administration studiert. Während dieser Zeit waren Sie ein halbes Jahr in Australien und ein halbes Jahr in Kopenhagen. Jetzt sind Sie Projektmanagerin bei ee-Nord im Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog, wie kam es dazu?
Ich bin wieder in meine Heimat zurückgekehrt. Hier in Nordfriesland bin ich aufgewachsen. Die Zeit in Australien und Kopenhagen war toll und ich bin froh, das Land, die Leute und das Leben dort kennengelernt zu haben. Aber mir ist doch auch bewusst geworden, wie schön es hier an der Nordsee ist. Nach meinem Studium in Hamburg habe ich eine Bewerbung als Projektmanagerin in den Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog geschickt und konnte direkt beginnen. 

Wie sieht eine typische Woche/ ein typischer Tag bei Ihnen aus?
Aktuell arbeite ich viel von zu Hause aus, bin aber auch zwei Mal die Woche im Büro. Da ich derzeit ein Windenergievorhaben betreue, das sich kurz vor der Errichtung einer Windenergieanlage befindet, bin ich auch oft auf der Baustelle zu finden. Nach Feierabend gehe ich gerne raus ins Grüne oder ans Meer und bin sportlich aktiv.

Im Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog wurde bereits vor 30 Jahren die erste Bürgerwindpark-Gesellschaft gegründet. Mittlerweile gibt es 30 Windenergieanlagen in der Gemeinde. Repowering, eines Ihrer Kerngebiete, war hier schon mehrfach Thema. Wo liegen Ihrer Meinung nach in diesem Bereich derzeit die größten Schwierigkeiten für Betreiber von Anlagen?
Karina Ingwersen, ee-NordIn den letzten Jahren haben sich einige gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen für die Windenergie geändert - neue Meldefristen, neue Richtlinien wie z.B. im Schallbereich oder auch technische Voraussetzungen. Diese müssen stetig überprüft werden, damit ein reibungsloser Betrieb möglich ist. Dabei steigt die Nachfrage nach einer professionellen Unterstützung in der kaufmännischen und technischen Betriebsführung.

Auch gibt es mittlerweile neue Regionalpläne für die Windenergie. Einige Bestandsanlagen befinden sich nicht mehr in den aktuellen Windvorranggebieten und können somit nicht an selber Stelle repowert werden. Weiterhin befinden sich in einem Windgebiet oftmals mehrere Windenergieanlagen von unterschiedlichen Betreibergesellschaften. Hier bedarf ein Repowering zum Teil einer Abstimmung mit den Nachbarwindparks. Da die heutigen Windenergielangen größere Dimensionen aufweisen und leistungsstärker sind, benötigen sie größere Abstände zu Bestandsanlagen. Das kann für ein Repowering eine echte Herausforderung sein.

Wie viel Potential haben wir in Deutschland, wenn Repowering stärker gefördert und gewollt wäre?

Das Potenzial für die Windenergie würde in Deutschland deutlich steigen, wenn wir das Repowering von Windenergieanlagen fördern bzw. stärker ermöglichen würden. Alleine in Schleswig-Holstein stehen aktuell 977 Windenergieanlagen außerhalb der ausgewiesenen Windvorrangflächen, die nicht mehr an selber Stelle ersetzt werden können. Das liegt vor allem an neuen und vergrößerten Abstandskriterien von Wohnbebauungen zu den bereits akzeptierten Bestandsanlagen. Durch verringerte Abstände könnten weitere kleinere Bestandsanlagen durch leistungsstärkere Windenergieanlagen ersetzt werden, die die vorhandene Infrastruktur wie Wegebau und Kabelbau weiterhin nutzen könnten. 

Im bayerischen Umweltministerium überlegt man, sich an die 10h-Regelung zu wagen. In Ebersberg ging ein Bürgerentscheid knapp zugunsten von Windkraft im Ebersberger Forst aus. Das Argument im Süden gegen Wind war immer, wir haben nicht so viel, was halten Sie davon?
Solange die Standortbedingungen gründlich geprüft sind und eine wirtschaftliche Stromerzeugung möglich ist, sollten auch in „windschwächeren“ Gebieten Windenergieanlagen entstehen können. Von einer grundsätzlichen Abstandsreglung von 10h halte ich nicht viel. 

Der Norden ist klassisches Windenergieland, hier stehen schon gefühlt fast immer viele Anlagen. Ist hier die Akzeptanz in der Bevölkerung größer oder hat sie abgenommen?
Die Akzeptanz im Norden ist immer noch sehr hoch. Das liegt daran, dass sich hier sehr viele „echte“ Bürgerwindparks befinden. D. h. die Bürger*innen vor Ort können sich direkt an der Windenergieanlage/den Windparks beteiligen und leisten damit einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz.

Spüren Sie einen Einfluss der Klimawandel-Diskussion auf Ihre Arbeit?
Ja, auf jeden Fall! Ich plane gemeinsam mit den Bürger*innen vor Ort echte Bürgerenergie-Projekte. Hier an der Küste werden wir direkt mit den Auswirkungen der Klimakrise konfrontiert. Die Klimawandel-Diskussion ist für die Menschen also nicht neu. Daher gibt es bei uns auch eine hohe Akzeptanz der Erneuerbare Energien und damit verbunden große Anstrengungen, die Thematik in die Politik zu tragen.
Natürlich bin ich auf die Bundestagswahlen gespannt und hoffe, dass die Klimawandel-Diskussionen noch stärker in den Fokus kommen. Die Klimakrise lässt sich nun mal nicht aufschieben.

Hätten Sie als Jugendliche gedacht, dass Sie später einmal Projektmanagerin im Bereich der Windenergie bzw. der Erneuerbaren Energie werden?
Mir war schnell bewusst, dass ich im Bereich der Windenergie arbeiten möchte. Ich bin mit der Windenergie aufgewachsen. Bereits in meinem Jugendalter wurden die ersten Windenergieanlagen als Bürgerwindpark in meiner Heimatgemeinde errichtet. Ich fand die Erneuerbaren Energien schon immer sehr spannend und leiste mit meiner Arbeit einen Beitrag zur Energiewende.

Sie haben zuletzt bei der IHK eine Ausbildung zur Immobilienmaklerin absolviert. Wollen Sie das Feld wechseln?
Nein, das Feld möchte ich nicht wechseln. Ich bin sehr interessiert, „Neues“ zu entdecken und zu erlernen. Da mich die Immobilienbranche interessiert und ich gerne ein Fernstudium „ausprobieren“ wollte, habe ich mich nach Feierabend dieser Herausforderung gestellt. Aus meiner Sicht lernt man nie aus und es ist mir wichtig, auch mal über den Tellerrand zu schauen. Und ein paar Prallelen zu meiner Arbeit als Projektmanagerin habe ich auch gefunden und konnte mein Wissen erweitern. 

Foto: ee-Nord

Pressekontakt

Anika Schwalbe
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
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