Wer falsch rechnet, den bestraft das Klima

Hamburg/Saarbrücken, 2. Juni 2022 - 183 Unterzeichnende aus unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen unterstützen mit ihrem offenen Brief an das EU-Parlament den aktuellen Aufruf der Wissenschaft und weiten Teilen der Wirtschaft, am 7. Juni 2022 gegen ein Verbrennerverbot zu stimmen. Zumal, wie Mitinitiator Prof. Dr. Thomas Willner betont, mit irreführenden Annahmen und falschen Berechnungen operiert werde.

„Aufgabe der Politik ist es, Ziele zu setzen und für deren Erfüllung einen technologieoffenen Wettbewerb um die besten Lösungsansätze anzuregen“, betont der Hamburger Verfahrensentwickler. Was der europäischen Wirtschaft zu ihrer heutigen Stärke verholfen habe, werde jetzt durch die einseitige Fokussierung auf die E- Mobilität, die nicht der Physik, sondern ideologischen Annahmen folge, leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Stichworte seien beispielsweise die seitens der Wissenschaft mannigfaltig als falsch entlarvten Bemessungen des CO2-Fußabdrucks von batterieelektrischen Fahrzeugen. Offiziell werde nur der reguläre Strommix als Berechnungsgrundlage herangezogen. Korrekt sei aber die Berücksichtigung des fossilen Marginalstroms im Ladestrom. Dabei zeige sich, dass der tatsächliche CO2-Fußabdruck des Ladestroms wesentlich höher als der offiziell veranschlagte sei. Die falsche Bewertung der E-Mobilität gipfele in einer mehrfachen Anrechnung des vermeintlich „grünen“ Ladestroms auf die Klimabilanz. „Im Jahr 2030 wird sich wohl leider zeigen, dass der Klimaschutz so auf der Strecke bleibt,“ mahnt auch der Biotechnologe Prof. Dr. Matthias Brunner aus Saarbrücken, da die angestrebte CO2- Reduktion im Verkehrssektor von 55 Prozent nur im Verbund mit einer Defossilisierung des sehr großen vorhandenen Fahrzeugbestands erreicht werden könne. Dafür seien nachhaltige Biokraftstoffe sowie abfallbasierte synthetische Kraftstoffe und E-Fuels einschließlich der gasförmigen Varianten wie Methan, Wasserstoff und anderen unverzichtbar.

Diese seien vielfach schon heute am Markt, wie das Beispiel des bis zu 90 Prozent klimaneutralen Dieselersatz-Treibstoffs HVO zeige. Dank seiner günstigen Energiebilanz sei dieser auch in unseren Breiten herstellbar – und mit einem Anteil von 33 bis 100 Prozent im Dieselkraftstoff bereits an mehr als 7700 Tankstellen in Europa erhältlich. „Solche abfall- und reststoffbasierten Kraftstoffe werden im Verbund mit E-Fuels in acht Jahren in großen Mengen verfügbar sein“, prognostiziert Prof. Willner. Bis dahin werde auch die überflüssige Diskussion um den hohen Energiebedarf der E-Fuel-Herstellung längst ein Ende gefunden haben. Zum einen benötigten abfallbasierte E-Fuels deutlich weniger Strom pro km Fahrstrecke als durchschnittliche E-Autos, zum anderen würden reine E-Fuels dann in wind- und sonnenreichen Regionen produziert, wodurch der Energiebedarf dank überschüssiger Ressourcen keine Rolle spiele.

Schließlich würden synthetische Kraftstoffe sehr sauber verbrennen und damit die Klima- und Umweltbilanz in der gesamten Flotte einschließlich alter Fahrzeuge sofort nachhaltig verbessern. „Den Verbrennungsmotor zu verteufeln ist vor diesem Hintergrund ebenso abwegig wie die Unterstellung, wer im Interesse einer vernünftigen Transformation für einen ausgewogenen Verkehrsmix plädiere, sei gegen E-Mobilität und verweigere sich dem Fortschritt“, konstatieren beide Wissenschaftler.

Klimaschutz und Energiewende brauchten dringend Technologievielfalt, um gefährliche Abhängigkeiten zu vermeiden, die Widerstandsfähigkeit gegenüber unvorhersehbaren Krisen zu erhöhen, allen Technologien im Wettbewerb um die besten Lösungen eine Chance zu geben. Der Politik sei zu empfehlen, den Dialog mit der Wissenschaft zu suchen, anstatt technische Lösungsansätze vorzuschreiben. „Für die Politik ist die Einschätzung, welche Innovationen in welchem Technologiefeld mit welchem Leistungspotenzial in der Zukunft kommen werden, ein schwieriges Unterfangen. Verbote ersticken Innovationen und berauben uns wertvoller Handlungsoptionen“, appellieren die Wissenschaftler an die EU- Parlamentarier.

Ein Verbrennerverbot und die damit verbundene Fokussierung auf Elektromobilität wären ein schwerwiegender strategischer Fehler, dessen Tragweite angesichts der damit einhergehenden Risiken, Schäden und Probleme dem europäischen Parlament hoffentlich bewusst sei. Kein anderer Kontinent sei im Begriff, diesen Fehler der einseitigen Elektrifizierung der Sektoren Energie, Wärme und Transport zu begehen. Außerhalb Europas habe man längst erkannt, dass eine einseitige Elektrifizierung nichts fürs Klima bringe, gigantische Rohstoffprobleme und Umweltschäden herbeiführe, gefährliche Abhängigkeiten schaffe, ein wachsendes Sicherheitsrisiko darstelle, die Stromnetze destabilisiere, die Energiewende behindere und in höchstem Maße unsozial sei.

„Alle genannten Risiken und Folgen sind wissenschaftlich belegt und den EU-Gremien gegenüber dokumentiert,“ stellt Prof. Willner fest. Im Übrigen betonten auch die G7-Minister für Klima, Energie und Umwelt in ihrem aktuellen Kommuniqué vom 27. Mai 2022, die von der Wissenschafts-Initiative aufgeführten Risiken unbedingt vermeiden zu wollen.

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